Nr. 12

Die Gleichheit

ist Radestock weniger hervorgetreten; furz vor seinem Tode trat er aus der Partei aus, nach Meinung der Genossen ohne stichhaltigen Grund. Verstimmung und Verbitterung, an deren Ursachen jedoch die Partei keine Schuld hatte, müssen Radestock zu diesem Schritte veranlaßt haben. Infolgedessen blieb sein Tod in der Partei ganz unvermerkt.

In Frankreich   gab es bisher der Tendenz nach zwei ver­schiedene Arten von Genossenschaftsorganisationen. Die eine Rich­tung stand auf neutralem Boden, die andere war ausgesprochen sozialistisch. Die Einigungsbestrebungen, die seit Jahren im Gange sind, haben jetzt einen Erfolg zu verzeichnen, äußerlich wenigstens. Nachdem beide Richtungen vorher schon auf besonderen Kongressen einer Vereinigungs- und Vermittlungsresolution zugestimmt hat­ten, ist nun in den letzten Tagen des Dezember auf einem ge­meinsamen Kongreß in Tours die Einigung faktisch vollzogen worden. Im Interesse der Sache ist der Vorgang zu begrüßen, und für französische   Verhältnisse mag er sogar so etwas wie ein Ereignis sein. Eine andere Frage aber ist, ob die Ziele des fran­ zösischen   Genossenschaftswesens flarer und bestimmter geworden find. Wird doch in der Einigungsresolution unter anderem gesagt, daß die Genossenschaften das gegenwärtige, auf Profitinteressen aufgebaute kapitalistische Wirtschaftssystem ersetzen" sollen. So gut diese Forderung gemeint ist, ihre Aufstellung beruht doch auf einer gröblichen Verkennung dessen, was durch Wirtschaftsgenossen­schaften zu erreichen möglich ist.

Wie vor einiger Zeit in der Parteipresse aus London   berichtet wurde, ist es nach jahrelangen Anstrengungen jetzt gelungen, die Forderung eines Minimallohnes für Arbeiterinnen in der großen britischen Genossenschaftsbewegung zum Siege zu bringen. In der letzten Vierteljahrsversammlung der britischen Großhandelsgenossenschaft( Cooperative Wholesale So­ciety) wurde die von beiden Organisationen der genossenschaft­lichen Angestellten aufgestellte Minimallohnliste für die Arbeite­rinnen mit einer Mehrheit von 139 Stimmen angenommen. Dieser Minimallohn für Arbeiterinnen beträgt je nach dem Alter( 14 bis 20 Jahre) 5 bis 17 Schilling pro Woche. Die Minimallöhne treten am Anfang des Jahres 1914 in allen genossenschaftlichen Betrieben in Kraft: 2000 bis 3000 Arbeiterinnen erhalten ihn sofort. Die Cooperative Wholesale Society allein beschäftigt rund 7000 Ar­beiterinnen, hauptsächlich in Seifenfabriken in London   und Man­ chester  , in Biskuitwerken in Newcastle, in Tabakfabriken und Hemden- und Kleiderfabriken in Manchester   und Leeds  , in Schuh­fabriken in Leicester  , ferner in Marmeladefabriken und Baum­woll- und Wollfabriken in Lancashire   und Yorkshire  . Die neuen Lohnsätze sind beträchtlich höher als die in kapitalistischen Be­trieben gezahlten. Die Neuerung ist auch deshalb erfreulich, weil sie dazu beitragen wird, das gute Einvernehmen zwischen Ge­nossenschaften und Gewerkschaften, das manchmal viel zu wünschen übrig ließ, wiederherzustellen.

Notizenteil.

Dienstbotenfrage.

H. F.

Hausaugestellte in Hamburg  , meidet die gewerbsmäßigen Stellennachweise! Diese Mahnung können wir nicht eindringlich genug wiederholen. Das neue Reichsgesetz über die Stellennachweise schützt die Dienenden keineswegs gegen Ausplünderung durch Ver­mittler. In Hamburg   ist etwas anderes aus ihm geworden, als die Gesetzgeber schaffen wollten. Die Polizeibehörde hat hier das ihr zuerkannte Recht ausgeübt, die Tage für die Vermittlungsgebühren festzusetzen. Natürlich hat sie das lieber Gewohnheit nach getan, ohne die Hausangestellten zu befragen, die doch als Dienstsuchende die Kosten zahlen müssen. Bald nachdem das Gesetz am 1. Oktober 1910 in Kraft getreten war, haben mehrere Organisationen in Ham­ burg   gegen diese einseitige Festsetzung der Tage protestiert. Dar­unter auch die Ortsgruppe des Verbandes der Hausangestellten. Die Hamburger Bürgerschaft hat sich in der Folge mit der Frage beschäftigen müssen. Zu einem Beschluß ist aber diese Körperschaft noch nicht gekommen. Noch heute berät ein Ausschuß darüber, ob die den Stellenvermittlern zu zahlenden Gebühren in Wirklich­feit zu hohe sind. Unterdessen spüren das viele Mädchen an ihrem Beutel. Es gibt nicht wenige von ihnen, die im Jahre vier- und fünfmal ihren Dienst wechseln. Wahrhaftig nicht aus eigener Schuld, sondern weil sie wechseln müssen, wenn sie nicht über das land­läufige Maß hinaus ausgebeutet werden und leiden wollen. sind durchaus nicht immer die schlechtesten Mädchen", die nach furzer Zeit einen Dienst wieder verlassen, wie der Umstand beweist, daß sie recht lange in einem anderen Haushalt tätig gewesen sind.

Es

191

Jedes Mädchen hat dem Stellenvermittler für den Nachweis eines Dienstes 2 Prozent vom Lohne zu zahlen, für je 100 Mt. also 2 Mt. Wie viel das Geschäft der Vermittlung einbringt, das zeigen die folgenden Zahlen. Nach dem unentgeltlichen Stellennachweis unserer Organisation hatten 1912:

1 Mädchen

5 Stellen

5

=

.

21 57

=

4 3 2

=

M

Dem Vermittler wären zu zahlen gewefen 33,60 Mt.

89,70=

327,90=

542,60 M

Diese 84 Mädchen hätten zusammen in einem Jahre den Stellen­vermittlern 993,80 Mt. zahlen müssen. Das macht für jede durch­schnittlich 11 Mt. Aber diese Ziffern geben noch gar nicht die große Einnahme an, die den Stellenvermittlern zufällt, und für die letzten Endes viele Mädchen allein aufkommen müssen. Auch die Herrschaft muß für die Vermittlung 2 Prozent des Dienstboten lohnes zahlen. In unserem Falle hätten also die Nachweise 1987,60 Mr. eingestrichen. Ja, was die Herrschaften zahlen, das kann uns doc) gleichgültig sein," so meinen gewiß viele Mädchen. Gemach, so liegen aber die Dinge nicht. Die Mädchen dürfen sich durch den Schein nicht täuschen lassen, besonders auch dann nicht, wenn auf dem Ver­mittlungsbureau versichert wird, die Herrschaft zahle allein die ganze Gebühr für den Nachweis. Es geschieht dies tatsächlich in manchen Fällen, weil die Stellenvermittler den Damen erklären, ihnen andern­falls kein Mädchen nachweisen zu können. Aber das dicke Ende kommt meist nach, gute Hausfrauen verstehen sich schadlos zu halten. Nicht nur durch gehörige Ausnüßung des teuer bezahlten" Hausangestellten, sondern wohl durch diese Abmachung: Wenn das Dienstverhältnis nicht länger als 3 Monate dauert, so wird bei der letzten Lohnzahlung dem Mädchen sein Anteil von 2 Prozent an der Vermittlungsgebühr abgezogen. Die ganze Großmut besteht also oft nur im Auslege: t der halben Gebühr und hat obendrein den Zweck, die Dienende an die Stelle zu fesseln und gefügig zu machen. Wir vermuten, daß es nicht die besten Dienste sind, in denen die Mädchen durch solche Mittel festgehalten werden sollen. Freilich kommt das alles den Hausangestellten gewöhnlich erst zu spät zum Bewußtsein, nämlichh wenn sie hereingefallen" find. Die meisten nehmen den geschilderten Stand der Dinge als unvermeidlich hin, sie sind gleichgültig gegen ihre eigene Lage, denken nicht nach und greifen nur selten nach etwas zu lesen, das sie aufklären könnte. So wissen sie nicht, daß sie sich im Falle der Stellenlosigkeit dem Tribut zu entziehen ver mögen, den die gewerbsmäßigen Vermittler an ihnen finden. Sie brauchen nur den kostenlosen Stellennachweis ihrer eigenen Organi­sation aufzusuchen. Er befindet sich für Hamburg  : Kurze Mühren 8,1; für Bergedorf  : Wentorferstraße 15 p. Arbeiter, Arbeiterinnen, macht eure dienenden Schwestern darauf aufmerksam. Sorgt dafür, daß sie die gewerbsmäßigen Stellennachweise meiden. Luise Kähler.

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Die achte Jahreskonferenz der Liga proletarischer Frauen unseren Leserinnen auch als Liga für die Interessen der er­werbstätigen Frauen bekannt hat am 28. Januar in London  stattgefunden. Wie stets, am Vorabend des Kongresses der Ar­beiterpartei, mit der die Liga eng verbunden ist. Die fort­schreitende Entwicklung der Organisation kam in dem Steigen der Mitgliederzahl zum Ausdruck Mitgliederzahl zum Ausdruck sie hat sich im letzten Jahre um 500 vermehrt und beträgt gegen 5000 aber auch in der Be­schickung der Konferenz. Mit 78 Delegierten, die 55 lokale Einzel­gruppen der Liga veriraten, war sie die am zahlreichsten besuchte aller bisherigen Tagungen. Unter den Delegierten befanden sich die amtierende Bürgermeisterin von Swansea   und mehrere weib­liche Gemeinderäte, Spinnerinnen, Weberinnen und andere Fa­brifarbeiterinnen, Dienstmädchen, Handlungsgehilfinnen, Kranken­pflegerinnen, Lehrerinnen, Arbeiterfrauen und weibliche Doktoren verschiedener Fakultäten. Den Vorsitz führte Genossin Bentham  . In ihrer eindrucksvollen Eröffnungsrede erörtete sie hauptsäch­lich Lebensmittelteuerung, Kriegsgefahr und Wahlrechtsfrage als Gegenstände, die die Interessen der Frauen besonders tief berühren.

Was die Frage des Frauenwahlrechts anbelangt, s klang selbstverständlich die Empörung über die unerwartete Wen­dung der Dinge im Parlament auf der Tagung nach. Genossin Bentham   erklärte mit Bezug darauf:" Verlieren wir nicht den Kopf. Beigen wir, daß in unserem Herzen und in dem Herzen unserer Parteigenossen eine so feste Entschlossenheit besteht, daß unsere Sache ohne alle Hysterie und Erregung gewinnen muß. Wenn es sein muß, so brechen wir die liberale Partei, aber durch entschlossenen politischen Kampf an der Wahlurne und nicht durch