Nr. 14

Politische Rundschau.

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Die Gleichheit

Das erhebende Schauspiel allgemeiner Opferwilligkeit", das der Vorschlag der einmaligen Vermögensabgabe zur Deckung der Heeresvorlage erstehen lassen sollte, will nicht so recht gelingen. Die Mitwirkenden sind nicht mit dem Herzen dabei, ihre Mienen, ihre Bewegungen sind gequält und gezwungen. Ja, wenn es nur ein Schauspiel bliebe, wenn es mit heroischen Stellungent und großen, tönenden Worten getan wäre. Aber es soll bitterer Ernst werden, sintemal man in dieser nüchternen Welt den Schuh des Vaterlandes" bar bezahlen muß. Deshalb hat der Jubel, mit dem der große Gedanke des Opferjahres" von den Besitzenden aufgenommen werden sollte, einen deutlichen Stich ins Säuer­liche. Und es fehlt sogar nicht an unwirschen Stimmen, die mit Worten wie Zwangsanleihe ohne Rückzahlungs- und Zinsver­pflichtung", Konfiskationsprinzip", rohe Methode" und dergleichen mehr in die allgemeine Opferwilligkeit hineinplaßen, die die Be­sitzenden doch nun einmal schandenhalber vor der Welt zur Schau tragen müssen. Der edle Wettstreit zwischen dem Großgrundbesitz und dem Geldkapital um den beiderseitigen Anteil an dem Opfer hat inzwischen an Schärfe nicht eingebüßt. Die Besorgnis wird immer wieder laut, daß die andere Seite nicht genug zahlen werde. Die Junker, die sich um die Mitte des März in Berlin   zu einer Versammlung zusammenfanden sie nennen sie fomischer­weise konservativer Parteitag", dabei bestand die ganze Veranstaltung in einigen Reden der Parteiführer, die in wenigen Nachmittagsstunden gehalten und ohne jede Diskussion. verdaut wurden, haben durch den Mund ihres Anführers, des Grafen West arp, erklären lassen, daß sie sich ihren Opfer= mut vor allem mit einer recht scharfen Heranziehung des mobilen Kapitals bezahlen lassen wollen. Es sollen Bestimmungen ge­troffen werden, daß das mobile Kapital von der technisch leichten Möglichkeit, sich der Besteuerung zu entziehen, keinen allzu er­giebigen Gebrauch machen kann, sagte der Herr Graf. Er hat aber noch andere Bedingungen: die grundsägliche Zustimmung zu einer Steuervorlage entbindet nicht von der Verpflichtung, bei der Prü­fung im einzelnen sorgfältig und vorsichtig zu verfahren. So soll denn die Veranlagung und Erhebung der Abgabe den Bundes­staaten verbleiben, damit deren Finanzhoheit gewahrt bleibe, wie die offizielle Begründung lautet. In Wahrheit, damit der Reichs­ tag  , das Parlament des gleichen Wahlrechts, möglichst wenig hin­einzureden hat und die von den Junkern beherrschte Verwaltung Preußens ihnen die gewohnten Erleichterungen und Rücksichten gewähren kann. Man weiß ja, wieviel das wert ist bei der Steuer­einschätzung, die in ihrer jetzigen Form in Preußen für die Junker wenigstens eine teilweise Erhaltung ihres einstigen Steuerfrei­heitsprivilegs bedeutet. Den Ausfall, der auf diese Weise entsteht, sollen die Geldkapitalisten und die Industriellen tragen. Starke Garantien fordern die Junker ferner gegen eine Wiederholung einer solchen Prüfung ihrer Opferwilligkeit. Die Maßnahme muß den Charakter einer Ausnahme so deutlich wie nur möglich auf­gedrückt erhalten, es muß soweit wie möglich ein Riegel vorge­schoben werden, daß die einmalige Erhebung ihre Nachfolger für andere Zwecke finden könnte, erklärte Junker Westarp unter dem stürmischen Beifall seiner Hörer. Vor allen Dingen aber fordert das Junkertum nun Entschädigung bei der Deckung der dauernden Ausgaben. Wenn sie der einmaligen Vermögensabgabe zustimmen, so verbitten sie sich um so entschiedener die Erbschaftssteuer und überhaupt jede wirksame Besitzsteuer. Zwar hat Graf Westarp er­klärt, daß die Konservativen auch eine Besitzsteuer genehmigen. wollen. Aber nicht etwa, weil sie anerkennen, daß eine Besteue= rung im Stile von 1909 einfach nicht mehr wiederholt werden darf, weil die künstliche Verteuerung der Lebens- und Genuß­mittel der großen Masse des arbeitenden Volkes und des Mittel­standes schon alles erträgliche Maß übersteigt und auch Verkehr und Gewerbe schon genugsam durch indirekte Abgaben gehemmt werden. Sondern lediglich, weil sie wissen, daß es ohne ein solches Bugeständnis an die öffentliche Meinung nun einmal nicht geht. Denn Zentrum und Nationalliberale können ohne eine solche De­foration eine neue Steuervorlage nicht annehmen, wenn sie nicht Echaren ihrer Wähler riskieren wollen. Die Konservativen werden von derartigen Rücksichten weniger geplagt, sie treiben in den ge­segneten Gefilden der ostelbischen Gutsbezirke schon noch die nötige Anzahl abhängiger Landarbeiter, Bauern und Geschäfts­leute für sich an die Wahlurnen. Im übrigen fehlte es auf dem Junkertag natürlich nicht an den üblichen Protesten wider das Kütteln an dem letzten Bollwerk gegen die Revolution, am preu­ßischen Dreiklassenwahlrecht. Ebenso erscholl lautes Geschrei nach einem neuen Sozialistengesetz. Es kann ja heutzutage kein Konven=

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tifel unserer offenen Reaktionäre mehr zusammentreten, das nicht die wahnwißige Forderung erhöbe, ein Drittel des deutschen   Volkes unter Ausnahmerecht zu stellen. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Leute wirklich so beschränkt sind, daß sie trotz des gänzlichen Fehlschlags des Sozialistengesezes noch daran glauben, die gegen die siebziger und achtziger Jahre riesenhaft gewachsene Arbeiter­bewegung durch ein Ausnahmegesez erdrosseln zu können. Aber vielleicht denken sie gar nicht so weit. Sondern ihre Berechnung geht lediglich dahin, durch ihr beständiges Alarmgeschrei dem deutschen   Liberalismus so bange zu machen, daß vor allem sein nationalliberaler Flügel sich wieder auf Gedeih und Verderb den Junkern verschreibt. Für die Dedungsvorlage brauchen sie die nationalliberale Gefolgschaft sehr nötig.

Wie die Deckungsfrage für die dauernden Aus­gaben gelöst werden soll, darüber erfährt man noch immer nichts. Bethmann Hollweg   scheint bedenklich in der Klemme zu sitzen. Im preußischen Staatsministerium hat er die Ver­mögenszuwachssteuer beschließen lassen. Aber die Bundesstaaten haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, sie wollen die Vermögensbesteuerung in jeder Form für sich behalten. An die Erbschaftssteuer wagt sich der Kanzler nicht heran. Was nützt ihm die sichere Mehrheit, die im Bundesrat wie im Reichstag vor­handen ist? Junker und Zentrum gehören ja nicht zu dieser Mehr­heit. Und darum ist die Erbschaftssteuer unmöglich, denn gegen Junker und Pfaffen Politik zu treiben, das ist ein gar gefähr­liches Unternehmen in Preußen- Deutschland  . Was nun noch für eine Besitzsteuer übrig bleibt, ist schwer zu sagen, wenn es eine sein soll, die diesen Namen verdient. Die Regierung und die Offi­ziösen bewahren feierliches Schweigen. Die Tägliche Rundschau" aber versichert, daß sie Bescheid weiß. Alles, was sie indes über die kommende Besitzsteuer angibt, ist, daß sie 80 Millionen Mark jähr­lich ergeben soll; Namen und Art verrät das Blatt nicht. Hat e3. recht, so bleibt die Frage, wie der Rest" von 120 bis 170 Millionen Mark aufgebracht werden soll, denn auf 200 bis 250 Millionen Mark wird ja die dauernde Mehrbelastung des deutschen   Volkes durch die Heeresverstärkung angegeben. Daß dieser Rest nicht durch direkte Steuern auf den Besitz aufgebracht werden soll, darin schei­nen alle bürgerlichen Parteien bereits einig zu sein. Mit großer Gemütsruhe wird schon der Plan erörtert, die Ermäßigung der Zuckersteuer abermals hinauszuschieben. Diese Ermäßigung war schon wiederholt versprochen und immer wieder verschoben worden, sie sollte aber jetzt ganz bestimmt eintreten, nachdem die große Be­sizsteuer erst fertiggestellt sein würde. Mag die Masse nur zahlen. Aber das wird noch lange nicht genügen. Von nationalliberaler Seite werden denn auch bereits eine stärkere Belastung des Ta­bats und ähnliche Luxussteuern" gefordert. Eine solche Forde­rung wird erhoben drei Jahre nach der großen Schröpfung von 1909, wodurch diese Luxussteuern", die die bescheidenen Genüsse der großen Masse verteuern, durch die Bank beträchtlich erhöht wurden!

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Auf dem Balkan  , wo der Krieg noch immer andauert hat allerdings seit dem Waffenstillstand außer der Eroberung der Festung Janina durch die Griechen keine großen Ereignisse und Entscheidungen gebracht ist jetzt auch das Blut eines Königs geflossen. In Saloniki  , auf frisch erobertem Boden, der mit dem Blute so vieler Friedlicher und Unschuldiger getränkt ist, wurde der König von Griechenland   durch den Schuß eines Geisteskranken niedergestreckt. Ein Teil der bürgerlichen Presse gibt sich große Mühe, den Attentäter als Sozialisten hinzustellen, um der Sozialdemokratie eins auszuwischen. Es verlohnt sich faum der Mühe, dieses erbärmliche Beginnen zurückzuweisen. Die Mächte bemühen sich zurzeit um die Vermittlung des Friedens, haben aber vorerst bei den Verbündeten kein sonderliches Ent­gegenkommen gefunden. Diese haben Forderungen aufgestellt, die die Türken wie die Mächte für unannehmbar erklären. Derweil hat sich ein Konflikt zwischen Österreich- Ungarn   und Montenegro ergeben, der schnell bis zu Kriegsdrohungen ge­dichen ist. Österreich- Ungarn   hat Kriegsschiffe in die albanischen Gewässer entfendet. Es möchte verhindern, daß Montenegro in den Besitz der Festung Skutari   gelangt, die es für den neu zu schaf­fenden Staat Albanien   gewahrt wissen will. Deshalb hat man in Wien   auf einmal gefunden, daß Montenegro die Stadt zu u= barmherzig bombardiert, und daß der Zivilbevölkerung der Abzug gestattet werden müßte, was Montenegro aus militärischen Grün­den verweigert. Auch das Schicksal der katholischen Albanier, die in den von den Montenegrinern besetzten Gebieten zwangsweise zum übertritt zur griechisch- orthodoren Kirche bewogen werden, bekümmert die österreichische Regierung sehr. Sie hat also allerici schöne Vorwände für ihr Vorgehen.