Nr. 15

Die Gleichheit

richt gekürzt und die jugendliche Arbeiterin eine geringere Berufsbildung erhalte als der jugendliche Arbeiter. Der Verband für handwerksmäßige und fachge­werbliche Ausbildung der Frau hatte beantragt: ,, Nach beendeter dreijähriger Berufsbildung tritt der Zwang zum Besuch einer hauswirtschaftlichen Fortbildungsschule ein. Die Besuchspflicht zu dieser Schule erstreckt sich auf sechs Mo­nate mit wöchentlich sechs Unterrichtsstunden." Merkwürdiger-. weise erblickte die genannte Organisation in dem Ziel dieses Antrags feine wirtschaftliche Schädigung" der jugendlichen Arbeiterin. Und doch würde eine halbjährige Verlängerung der Fortbildungsschulpflicht die Mädchen gegenüber ihren männlichen Berufsgenossen weit mehr benachteiligen" als der hauswirtschaftliche Unterricht der drei Jahre. Dieser Ver­band will offenbar nichts von dem Grundsatz wissen, den der verstorbene Stadtschulrat Bertram seinerzeit für die männ­lichen Fortbildungsschüler aufgestellt hat: Es muß vermie­den werden, daß die Schulen ausschließlich der technischen Ausbildung dienen." Das ist auch unsere Meinung. Die Fort­bildungsschule hat die Aufgabe zu erfüllen, der allge. meinen, für das spätere Leben nüglichen Ausbildung zu dienen und nicht nur eine einseitige Be­rufsbildung zu fördern, die in erster Linie dem ausbeuten­den Unternehmertum zugute kommt. Es ist daher zu be­grüßen, daß die Berliner   Stadtverordneten einstimmig den hauswirtschaftlichen Unterricht in der Fortbildungsschule beschlossen haben.

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Zum Schluß richteten die Referentinnen noch die Mahnung an die Eltern, ihre Töchter, die nicht zum Besuch der Fort­bildungsschule verpflichtet seien, in die Wahlfortbildungs­schule zu schicken. Die Kenntnisse eines jungen Mädchens können mit dem 14. Lebensjahr nicht als abgeschlossen gelten, auch wenn es in der glücklichen Lage ist, sein Brot noch nicht selbst verdienen zu müssen. Mit einem Aufruf der beiden Vor­fizenden an die jungen Mädchen, fortan an allen Veranstal­tungen der freien Jugend rege teilzunehmen, schlossen die M. W. Versammlungen.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Die Unterzeichnete hielt im Februar Ver sammlungen im 4., 7., 12., 13. und 14. sächsischen Wahlkreis ab. Sie fanden statt in Radeberg  , Radebeul  , Niederrochwitz, Ottendorf, Bordorf, Mügeln  , Großenhain  , Pirna  , Leip­ zig  , Lindenau  , Lindenau- Ost, Mödern, Sestewig, Wilsch. dorf und Königsbrüd. Mit Ausnahme der Veranstaltung in Leipzig  waren die Versammlungen gut besucht. Mit großer Aufmerksamkeit folgten die Erschienenen, meist Frauen, den Ausführungen der Refe rentin. Diese behandelte das Thema: Was bietet der Sozialismus den Frauen?" In jeder Versammlung wurden weibliche Mitglieder für die Partei gewonnen, und da in Sachsen   die organisierten Ge­nossimen zumeist die Gleichheit" obligatorisch erhalten, so ist auch die Zahl der Gleichheitleserinnen entsprechend gewachsen. Die Ver­sammlungen waren gewissermaßen Vorarbeit für den Frauentag, der auch in den großen Orten schönen Erfolg hatte, wie dies in der " Gleichheit" bereits berichtet worden ist. Elisabeth Röhl  .

Nach der wundervollen Frauenwahlrechtsversamm= lung in Essen   und einer erfolgreichen Veranstaltung in Mörs  trug der Nachtzug die Unterzeichnete nach dem Bezirk Chemnik, wo sie eine Anzahl von Frauenversammlungen abzuhalten hatte. Die Agitation begann erfolgreich in Chemnitz  - Altendorf  . In Limbach ließ der Besuch leider zu wünschen übrig. Die fol­gende Versammlung in Alt- Chemnitz war glänzend besucht. Da der Saal von Frauen überfüllt war, ließ die Polizei ab= sperren. Die Versammlung in Meerane   war ein schöner Er­folg, die zahlreichen Besucherinnen lauschten sehr aufmerksam den Ausführungen der Rednerin. In Annaberg  , wo die Statue der Barbara Uttman als Wahrzeichen der Stadt auf dem Markte steht, hielt es nicht schwer, über das Frauenwahlrecht zu reden.

Nachdem in Berlin   die Fortbildungsschulpflicht für Mäd  -­chen festgelegt worden ist, wird sich zweifellos erneuern, was wir bei dem Fortbildungsschulunterricht für die Jungen er­lebt haben und erleben. Es wird versucht werden, die Mädchen mit sanftem Druce in die bürgerlichen Fortbil­dungsschulvereine hineinzuzwingen. Seitdem die 3entralstelle für Volts wohlfahrt die Organi­sation der staatsbürgerlichen Jugendpflege auch für die weib­liche Jugend sehr energisch betreibt, gibt es keinen wie immer benannten bürgerlichen Kongreß, auf dem es nicht als drin­gende Aufgabe hingestellt wird, die weibliche Arbeiterjugend zu gewinnen. Überall gipfeln die einschlägigen Reden in der Ausführung: Wir brauchen die obligatorische Fortbildungs. Barbara Uttmann   soll bekanntlich in schwerer Zeit die Spitzen. schule für Mädchen, um auch das weibliche Proletariat zu beeinflussen."

Der Wunsch, auch die Proletarierinnen unter der Botmäßigkeit der herrschenden Klassen zu halten, wird im ganzen Reiche die Einführung der Pflichtfortbildungsschule für Mädchen mehr beschleunigen, als es bis jetzt die tatsachen­reichsten Beweisführungen für die Notwendigkeit dieser Maß­regel getan haben. Er wird entscheidender sein als alle so oft wiederholten Anträge. Im Zeitalter der staatsbürgerlichen Jugendpflege bleibt kein Mittel unversucht, an die so heiß begehrte Arbeiterjugend heranzukommen.

In den beiden Berliner   Versammlungen haben die Redne­rinnen nicht versäumt, die jungen Mädchen und ihre sehr zahlreich anwesenden Eltern auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Insbesondere die Mütter riefen sie auf, alles zu tun, um ihre Töchter der freien Jugendbewegung zuzuführen. Sie sollen die jungen Mädchen nicht nach ermi­dender Berufsarbeit mit häuslicher Tätigkeit überlasten, son­dern sie zu den Veranstaltungen der freien Jugendbewegung senden. Hier lernen sie gemeinsam mit den jungen Leuten, bilden Körper und Geist und stählen den Charakter für den Rampf ihrer Klasse. Mag alles, was die Fortbildungsschul­ns bereine und andere Gesellschaften ihnen bieten, noch so harm­los aussehen, es hat den Zwed, auch die jungen Proletarie­rinnen den Interessen ihrer eigenen Klasse zu entfremden, sie fernzuhalten von den hohen Idealen des Sozialismus. An den Müttern ist es, dafür zu sorgen, daß ihre Töchter, wenn sie in die Ehe treten, für den Kampf des Mannes Verständ­nis und Interesse und auch eigene Tatkraft mitbringen, da­mit sie dem Gatten nicht nur Weib, sondern auch Genossin feines Strebens und Kämpfens sein können.

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Klöppelei in das Erzgebirge   eingeführt haben. Zum Dank dafür hat man sie in Stein und Erz dargestellt. Wenn aber diese kluge und verdienstvolle Frau heute lebte, würde sie politisch rechtlos. sein, wie es alle die Frauen Sachsens   sind, die durch ihr Mühen im Beruf und im Hause dem Lande dienen. Dieser Gedanke be wegte mich vor der historischen Linde" auf dem Kirchhof in Annaberg  , wo auf Barbara Uttmanns Grabmal zu lesen steht: Ein tätiger Geist, eine sinnige Hand Sie ziehen den Segen ins Vaterland!" Augenblicklich ist freilich blutwenig von diesem Segen zu spüren. Die Annaberger   Industrie, besonders die Posa­mentenbranche, liegt danieder. Man erzählte mir, daß nur drei Tage in der Woche gearbeitet würde. Gut besucht war die Ver­sammlung in Grünstädtel   bei Raschau  . Zwei Tage vorher schon hatte ein heftiges Schneewetter eingesetzt. Die von der Bild­fläche verschwunden gewesenen reichen Großstädter mit Skischuhen, Skistöcken und dem Rodelmaterial tauchten an allen Eisenbahn­stationen wieder auf. Vom Fichtelberg war ja gut Rodelwetter" verkündet worden. Der arbeitslose Erzgebirgler, der die Refe. rentin zu Fuß nach der Station Schwarzenberg   geleitete, blickte ingrimmig auf die Sportsleute, die sich in allen Tonarten laut über die herrlichen Wetteraussichten unterhielten. Mit Tränen in den Augen murrte er: Das Gehutsch jaukst nach Schnee, un mein arm Muttelchen oben im Gebirg bitt' den ganzen Tag bis in die Nacht: Lieber Gutt, laß doch den Schnee uffhören! Aber ' s Bitten hilft nit, und das Gehutsch hat sein Freid!" Die Ver­sammlung in Hohenstein- Ernstthal   war schlecht besucht, was um so mehr auffiel, als sie in einem sehr schönen, großen Saale stattfand. In Aue   erfreute sich unsere Veranstaltung eines guten Besuchs und machte allen Beteiligten Freude. In allen Versammlungen gewann die Partei Mitglieder, es wurde eine rührige und erfolgreiche Agitation für die Gleichheit" und die lokale Parteipreffe entfaltet. Das Frauenwahlrechts­blatt fand starte Berbreitung. Regina Ruben.

Eine Agitationstour durch Pommern   zur Organisierung der Frauen wurde im Februar und März vom Bezirksverstand ver­