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Die Gleichheit

und die sozialistischen   Frauenkomitees in den einzelnen Städten trugen für weiteste Verbreitung dieser Propagandablätter Sorge. In New York  , der kosmopolitischen Industriestadt, wurden zwei große Frauenversammlungen veranstaltet. Die eine davon war von dem Frauenkomitee der Gesamtpartei vorbereitet; in ihr wurden alle Reden in englischer Sprache gehalten, denn sie sollte unter der Englisch sprechenden Bevölkerung agitieren. Die andere war eine vielsprachige Veranstaltung, für die die Vorbereitung, der Vorsitz usw. in den Händen des deutschen   Frauen= agitationskomitees lag. Um den deutsch  - amerikanischen Genossinnen die Möglichkeit zu geben, an beiden Kundgebungen teilzunehmen, fand die lettere Versammlung schon eine Woche vor dem allgemeinen Frauentag statt. Soweit uns bis heute die Be­richte in der Presse vorliegen, war der Frauentag wieder ein großer Erfolg. Die Forderung der Gleichberechtigung des weib­lichen Geschlechts ist in Wort und Schrift vor ungezählten Massen begründet worden. Unsere Partei hat dank der entfalteten Propa­ganda viele neue Kämpfer und Kämpferinnen gewonnen.

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Die erste Konferenz sozialistischer Frauen für die Provinz Ravenna   hat am 30. März in Alfonsine   stattgefunden. Gegen hundert Delegierte überwiegend Frauen nahmen an ihr teil und vertraten acht sozialistische Frauenorganisationen, die Ge­nossinnen zahlreicher Städte, wo es keine solche Parteigruppen gibt, und sehr viele Vereinigungen erwerbstätiger Frauen. Der leitende Ausschuß der organisierten sozialistischen   Frauen ganz Italiens   hatte die Genossinnen Altobelli und Goia ent­sendet, die parlamentarische Fraktion der sozialistischen   Partei war auf der Konferenz vertreten, ebenso die Provinzialpartei­Icitung. Der Bürgermeister von Alfonsine  , Genosse Garavini, nahm im Auftrag der Sozialisten dieser Stadt an der Tagung teil. Gegenstand der Verhandlungen war die gewerkschaftliche und politische Organisierung der proletarischen Frauen. Genossin Alto belli beleuchtete in einem eingehenden Referat alle Seiten der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen, inbegriffen die Mittel und Wege, die zum Ziele führen. Gleich gründlich und glänzend wie sie löste Genossin Goia ihre Aufgabe, die Not­wendigkeit der politischen Organisation des weiblichen Proletariats nachzuweisen und das Wie der erfolgreichen Arbeit dafür zu er­örtern. Die Debatte zu beiden Referaten ließ erkennen, daß Partei und Gewerkschaften, daß aber vor allem auch die Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen selbst sich immer klarer über Bedeutung und Aufgaben der sozialistischen   Frauenbewegung werden. Die zur Annahme gelangte Resolution gibt den wesentlichen Inhalt der Beratungen wieder. Sie erklärt, daß die Sozialisten die gewerk­schaftliche und politische Aufklärung und Organisierung des weib­lichen Proletariats tatkräftig unterstützen müssen. Sie betont, daß die wirtschaftlichen Kämpfe der Ausgebeuteten durch den Hin­blick auf das sozialistische Endziel ihre höchste tragende Kraft er­halten. Sie anerkennt die ernsten Bemühungen der Parteileitung für die Provinz Ravenna  , sozialistische Frauengruppen ins Leben zu rufen, und fordert die eifrigste Fortsetzung des begonnenen Wertes. Sie gibt der Überzeugung Ausdruck, daß die sozialistische Partei mit allem Nachdruck für durchgreifenden und allseitigen gesetzlichen Schuß der Frauenarbeit kämpfen muß, ferner auch für Ausdehnung der Unfallversicherung und der Gewerbegerichte auf die ländliche Arbeiterschaft wie für das allgemeine Frauenwahl­recht. Unter Beifallsstürmen stimmten die Delegierten einer Refo­lution gegen den Rüstungswahnsinn und den Krieg zu. Es heißt darin, daß die proletarischen Frauen der Provinz Ravenna   erneut dem Fluche der Mütter gegen den Militarismus und Völkermord Ausdruck geben und sich verpflichten, ihre Söhne im Sinne des internationalen Sozialismus zu Kämpfern für den Frieden und die Freiheit zu erziehen. Die Tagung fand ihren Abschluß mit einer öffentlichen Versammlung. Der Andrang dazu war so stark, daß der sehr geräumige Saal die zusammengeströmten Männer und Frauen bei weitem nicht zu fassen vermochte. Die Genossinnen Altobelli und Goia sprachen unter rauschendem Beifall über die sozialistische Frauenbewegung, Genosse Bocconi   behandelte als Vertreter der Fraktion in einer großzügigen Rede die wich­tigsten Fragen des Tages: Kriegsgefahr, Steuerlast, Arbeitslosig­keit, Wahlrechtskampf usw. Die Konferenz war ein sehr großer Erfolg und das Anzeichen eines guten Fortschritts. Zum erstenmal find in Italien   nicht bloß einzelne sozialistische Führerinnen, Agi= tatorinnen und Organisatorinnen zu einer Beratung zusammen­getreten. Es waren vielmehr in der Mehrzahl einfache Arbeite­rinnen, Proletarierinnen, die erkannt haben, daß das weibliche Proletariat aufgeklärt und organisiert am Klassenkampf teil­nehmen muß, der den Sozialismus verwirklichen wird. Darin be= ruht die große Bedeutung dieser Konferenz, die abgesehen von

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dem erheblichen Wert ihrer Arbeiten durch die bloße Tatsache allein, daß sie möglich war, anfeuernd und ermutigend auf die junge sozialistische Frauenbewegung Italiens   zurückwirken wird.

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Frauenstimmrecht.

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Eine große Demonstration für das Frauenwahlrecht in den Vereinigten Staaten   haben die Frauenrechtlerinnen am 3. März in Washington   veranstaltet gelegentlich der Feierlichkeiten beim Amtsantritt des neuen Präsidenten der Republik. 10 000 Demonstranten überwiegend Frauen aus allen Teilen des Reiches zogen zu Fuß und zu Wagen durch die große Pennsylvania Avenue  , die vom Kapitol ausläuft, dem Sitz des Bundesparla­ments. Der Zug umschloß.viele prächtige Gruppen, sinnreich ge­stellte Bilder, Allegorien usw., die sich auf die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts bezogen. Während der Kundgebung kam es zu den wüstesten Ausschreitungen des Publikums. Die Polizei er­mangelte entweder der Fähigkeit oder wie viel behauptet wird- des Willens, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Mühsam mußten sich die Demonstrierenden ihren Weg durch die vorwärtsdrängenden Hunderttausende bahnen. Auf den anfänglichen gutmütigen Spott folgten bald grobe Schimpfreden, schließlich sogar tätliche Miß­handlungen von jungen Mädchen wie grauhaarigen Greifinnen, die der Sache des Frauenwahlrechts ein Lebensalter hindurch ge= dient haben. Die Führerinnen des Zuges bewiesen bewunderungs­würdige Kaltblütigkeit und Energie. So gelang es ihnen, den Zug trotz aller zeitweiligen Stockungen und Unterbrechungen doch im großen ganzen zusammenzuhalten und ans Ziel zu bringen. Die Empörung über die Vorgänge ist allgemein, diese werden als eine Schmach und Schande für die Stadt Washington  , ja das ganze Land bezeichnet. Das Bundesparlament soll eine Erhebung über das Verhalten der Polizei veranstalten. Die Störung der Demon­stration, hat übrigens wohl deren Glanz, nicht aber der Sache des Frauenwahlrechts Abbruch getan. Umgekehrt!

Die Einführung des Frauenwahlrechts in Alaska   ist von beiden gesetzgebenden Körperschaften beschlossen worden. Da Alaska  noch nicht als Staat, sondern nur als Territorium zu der nord­ amerikanischen   Union   gehört, bedarf die Entscheidung beider ge= setzgebenden Körperschaften nicht der Bestätigung durch eine Volks­abstimmung.

Der heurige Kongreß des Weltbundes für Frauenstimmrecht findet am 15. bis 20. Juni in Budapest   statt. Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sind eifrig am Werk, ihm einen großen äuße ren Erfolg zu sichern. Außer den Vertretungen der 23 nationalen Frauenstimmrechtsverbände, die dem Weltbund angehören, er­wartet man Delegierte aus China  , Indien   und Persien  .

Eine internationale Rundgebung für das Frauenwahlrecht in Wien   bereitet das österreichische Frauenstimmrechts­tomitee vor. Seiner Einladung gemäß findet am 11. und 12. Juni in Wien   eine Vorkonferenz des Weltbundes für Frauenstimmrecht statt. Unter dem Vorsitz von Frau Chapmann- Catt aus New York  , der Bundespräsidentin, werden sich zu dieser Tagung bekannte Kämpfer und Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht aus vielen Ländern vereinigen.

Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Die erste Frau als Fabrikinspektorin in Schweden   ist er nannt worden. Es ist Fräulein Hesselgren, die bis jetzt In­spektorin der öffentlichen Kochschulen in Stockholm   gewesen ist. Ihre Tätigkeit soll darauf gerichtet sein, die Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen zu verbessern.

Frauen als aktive Polizisten in New York   sollen nach einem Antrag angestellt werden, der den Gesetzgebern vorliegt. Der An­trag verleiht dem Polizeipräsidenten das Recht, zwanzig weibliche Polizeibeamte im öffentlichen Dienste zu verwenden. Die anzus stellenden Frauen sollen im Alter von 30 bis 45 Jahren stehen und hauptsächlich Tanzlokale, öffentliche Parkanlagen, Kinos und an dere Unterhaltungsstätten beaufsichtigen, ferner Frauen und Kinder in den Straßen beschützen.

Ein kommunales Frauenamt hat der Bürgermeister der Stadt Wichita   in Kansas   geschaffen. Es hat die Aufgabe, alle Seiten und Einrichtungen des kommunalen Lebens genau zu verfolgen, die von besonderer Bedeutung für das Wohl der Frauen und Kinder sind, ferner die Ansichten der Frauen über kommunale Fragen einzuholen und Nat darüber zu erteilen usw. Das Amt wurde mit fünf Frauen besetzt.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Betfin( Bundel), Wilhelmshobe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.8. tn Stuttgart  .