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Die Gleichheit

wartung geht dann von Herz zu Herz und Mund zu Mund der alte königliche Ruf zur Schlacht: Mit Gott für König und Vaterland!'... Ja, das wird eine frohe, eine große Stunde, die wir uns heimlich wünschen dürfen.... Aber still und tief im deutschen Herzen muß die Freude am Kriege und ein Sehnen nach ihm leben, weil wir der Feinde genug haben und der Sieg nur einem Volke wird, das mit Sang und Klang zum Kriege wie zum Feste geht.... Verlachen wir also aus vollem Halse alte Weiber in Männerhosen, die den Krieg und Tod fürchten und darum jammern, er sei grausig oder häßlich. Nein, der Krieg ist schön. Seine hehre Größe hebt das Men­schenherz hoch über Irdisches, Alltägliches hinaus."...

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So sprechen Jungdeutschlands Erzieher. So lehren sie, im Einverständnis mit der herrschenden Kirche, die Jugend das fünfte Gebot hochhalten: Du sollst nicht töten." So stacheln fie eine urteilslose, tatenlustige Jugend an, ihre Begeiste­rung und Energie auf Kampf und Krieg zu richten, üben und exerzieren mit ihnen jede freie Stunde, geben ihnen Schießprügel, Seitengewehr und blanke Knöpfe. So machen sie aus jugendlichen Arbeitern rauflustige, gewalttätige Bur­schen, die im Kriege, gleichgültig für was und gegen wen, eine ersehnte Gelegenheit zu Abenteuern und Heldentaten erblicken schlummert doch in jedem Jugendlichen die Sehn­sucht nach kühnen Taten. Die Kirche vermag mit ihrer Knecht­seligkeitslehre die Jugend nicht mehr zu fesseln. Darum loďt man diese mit Kriegsspielereien, und all die braven Jungen, denen der Kapitalismus   die Möglichkeit selbständigen Wir­fens und Strebens und die Gelegenheit besonderer Erleb­nisse raubt, berauschen sich an gefälschten Vorstellungen vom Kriege und vergessen ihre Rechtlosigkeit und Ausbeutung darüber. Jugendliche im Alter von 17 bis 21 Jahren können meit leichter beherrscht und begeistert werden als erfahrene ältere Männer, die statt schöner Worte Gründe fordern. Deshalb auch der Wunsch, der bei der jezigen Heeresvorlage klar zutage tritt: recht viele i unge Leute in das Heer einzustellen! Schon im Jahre 1865 schrieb Engels: ,, Wer je Gelegenheit hatte, ein Bataillon erst auf Friedens­fuß und dann auf Kriegsfuß zu sehen, kennt den ungeheuer lichen Unterschied in der Haltung der Leute, im Charakter der ganzen Masse. Die Soldaten, die als halbe na ben in die Armee eingetreten waren, kommen jezt als Männer zu ihr zurück; sie bringen einen Vorrat von Selbstachtung, Selbstvertrauen, Sicherheit und Charakter mit, der dem ganzen Bataillon zugute kommt. Das Verhalten der Leute zu den Offizieren, der Offiziere zu den Leuten wird gleich ein anderes. Das Bataillon gewinnt militärisch, aber poli­tisch wird es für absolutistische 3 wede unzu verlässig."

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Den herrschenden Klassen ist es nicht zu tun um eine Er­ziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit. Sonst hätten die bürgerlichen Parteien nicht stets die sozialdemokratischen An­träge im Reichstag   ablehnen dürfen, die eine solche bezweck­ten. So forderte die sozialdemokratische Fraktion 1895: Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesezentwurf vorzulegen, durch welchen die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit und die Umwandlung der heutigen Heeres­organisationineine Milizwehrordnungan gebahnt wir d." Diese Resolution wurde niedergestimmt. 1898 erschien Bebels bekannte Broschüre Nicht stehendes Heer, sondern Volkswehr", worin er wiederum Einführung der Volksbewaffnung forderte. Bebel   verlangte eine tüchtige körperliche Ausbildung zur Wehrhaftmachung nicht nur für die männliche, sondern auch für die weibliche Jugend. Diese Forderungen suchte der damalige Kriegsminister r. Goßler im Reichstag ins Lächerliche zu ziehen, und ins­besondere konnte sich die Rechte gar nicht genug tun in ,, Heiterkeit" wegen der Forderung, daß auch Mädchen in militärischen übungen und Ringkämpfen ausgebildet werden

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sollten. Und dann sagte der Kriegsminister in der Sigung des Reichstags am 13. Januar 1899 wörtlich: Was die militärische Erziehung der Jugend anbelangt, so ist unsererseits gegen ein eifriges Turnen nicht das geringste einzuwenden. Im Gegenteil, wir würden sehr dankbar sein, wenn die Entwicklung der körperlichen Kräfte der Jugend in noch höherem Maße stattfinden könnte. Aber der Ge­danke, die Jugend militärisch auszubilden, würde zur Spielerei führen; denn nimmt man die militärische Ausbildung ernst, so geht der jugendliche Körper zugrunde, und macht man eine Spielerei daraus, so schädigt man die Erziehung der Jugend." Diese Schädi­gung der Jugend durch überanstrengung wird heute von den gesamten patriotisch- nationalen Jugendpflegern aufs eifrigste betrieben. Unsere Herrschenden suchen eine Vorschule für das stehende Heer zu schaffen, das um so leichter auch gegen den inneren Feind verwendet werden kann, je früher die sitt­lich- moralische Beeinflussung" der jungen Leute eingesetzt hat. Und so sind erst kürzlich 22 Millionen Mark im preu­Bischen Dreiklassenhaus mit Hurra von allen bürgerlichen Parteien gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bewilligt worden zur parteilosen" militaristisch- nationalen Jugenderziehung. Das stehende Heer gilt der Kapitalisten­klasse als bestes Mittel, den inneren Feind niederzuhalten. Daß das stehende Heer ein solches Machtmittel in den Hän­den ihres Befehlshabers ist, hat vor einem halben Jahr­hundert auch die Bourgeoisie mit Ingrimm empfunden. 1862 nahm der Nationalverein gegen die Bismarckschen Pläne der sogenannten Reorganisation der Armee eine Re­solution an, die forderte:" Allgemeine Volkswehr und Volks­bewaffnung, besonders auch zur Sicherung und Aufrechterhaltung der. Volksrechte." Heute stellen nicht einmal mehr die bürgerlichen Demokraten diese Forderung auf.

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Was die Sozialdemokratie will, hat Bebel in der schon er­wähnten Broschüre Nicht stehendes Heer, sondern Volks­wehr" dargelegt: Es handelt sich also um eine Organisation der förperlichen Ausbildung von früher Jugend an, mit Rücksicht auf den militärischen Zweck. Diese militärische Jugender­ziehung ermöglicht erst recht, die Volksarmee in ganz under­gleichlich fürzerer Zeit als heute vollkommen zweckentſpre­chend auszubilden. Und damit wird ein doppelter Zwed erreicht. Einmal wird der heutigen Jugenderziehung der überwiegend einseitige Charakter, den sie dadurch besitzt, daß die körperliche Ausbildung nahezu ganz vernachlässigt wird - eine Einseitigkeit, die sich namentlich an den Kindern der Großstädte und Industriebezirke schwer rächt, genommen. Zweitens wird dadurch ein Geschlecht erzogen, das nicht mur militärtüchtiger, sondern auch körperlich lei­stungsfähiger für den Existenzkampf ge­worden ist. Daß aber ein so erzogenes Volk, namentlich wenn auch das weibliche Geschlecht eine förperliche Er­ziehung erhält, die für dieses ebenso notwendig ist als für das männliche, auch auf dem wirtschaftlichen Gebiet und bei dem internationalen Wettbewerb mit größerer Aussicht auf Erfolg auftreten kann, ist zweifellos."

Das ist das Gegenteil der Jugenderziehung, wie sie die herrschenden Klassen fordern. Wir wollen die körperliche Ausbildung nicht nur der männlichen Jugend, sondern ebenso der weiblichen zu gefunden kräftigen Menschen. Wir wollen durch sie den Kindern des Proletariats ihre Jugend, den zukünftigen Vätern und Müttern des Volkes ihre Ge­ſundheit zurückgeben, die ihnen die kapitalistische Fron stiehlt. Eine männliche und weibliche Jugend, die in Spiel und Arbeit zusammenwirft, gleich start an Körper wie an Geist, eine Ju­gend, der die Natur nicht ein Kriegsgelände bedeutet, sondern ein Feld der Schönheit und des Forschens, das ist es, was wir wollen. Aber das nicht allein. Erfüllen wollen wir die Jugend mit Liebe zur gesamten Menschheit. Sie soll nicht