Nr. 17

Die Gleichheit

deutend herabgesetzten Unkosten. Trotz alledem sind in der deutschen   Tuchindustrie die Lohn- und Arbeitsbedingungen nirgends so elend, wie gerade in den Betrieben, die für die Militärverwaltung arbeiten. Wenige Ausnahmen erschüttern diese Regel nicht.

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Vor kurzem stellte der Deutsche   Textilarbeiterverband den Lohn von 45 Weberinnen einer Firma in Finsterwalde  fünf Wochen lang allwöchentlich fest. Diese Arbeiterinnen er­reichten einen Gesamtlohn von 2662 Mt., auf die einzelne Weberin entfielen somit 11,83 Mr. Wochenlohn. Die Firma fabriziert feldgraue Kommißtuche. Noch niedriger sind die Löhne der bei ihr beschäftigten Hilfsarbeiterinnen. In Aschersleben   werden Militärdecken Pferde- und Schlaf­decken in Reinwolle und Halbwolle angefertigt. Die Firma beschäftigt 55 Arbeiterinnen und 15 Arbeiter. Je nach Länge und Breite gibt es für die Decke 1,20 Mt. und 1,50 Mr. Die Weberinnen bringen es dort auf einen Durchschnittsverdienst von 10 Mr. die Woche. Die wenigen beschäftigten Familien­väter verdienen wöchentlich 16 M., 16,50 Mr. und 17 Mr. Der Unternehmer hat im vergangenen Jahre seinen Betrieb um ein Drittel vergrößert. Nur Männer werden in Witt­stod beim Weben von Kommißtuch beschäftigt. Ihr Ver­dienst beträgt 13 Mark wöchentlich. Ebenso sind die Löhne in Betrieben, die zu Kalbe   Decken aller Art, zu Burg, Schwiebus, Britwalk, Neudamm und in einer Anzahl weiterer Städte in Preußen und außerhalb Breußens Kommißtuch usw. für die Militärverwaltung herstellen. Die Lohnberechnung für Akkordarbeiter also bor allem für Weber und Weberinnen erfolgt in derselben Weise, wie sie vor 200 bis 300 Jahren üblich war. Sie stammt also aus einer Zeit, wo Meister und Gesellen in gleicher Werk­statt arbeiteten und nur sehr schwer Betrügereien möglich waren, wie sie der kapitalistische Betrieb mit sich bringt. Da ist die Berechnung nach Stück, die Berechnung nach Band, beides flüssige Längenmaße, die den Weber oder die Weberin zwingen, viele Meter pro Jahr umsonst zu weben. Dann ist die Berechnung nach Stückchen- ein Stückchen ist 1466 Meter Garn, nach Strähnen, nach Haspeln usw. Warenlängenmaße, Garnlängenmaße, Gewichtsmaße laufen bunt durcheinander. In Burg sind drei Betriebe, die für die Militärverwaltung arbeiten; jeder von ihnen berechnet den Lohn in anderer Weise. Ein Vergleich der Löhne wird infolge der verschiedenartigen Berechnungen dem einfachen Arbeiter außerordentlich erschwert, in den meisten Fällen ein­fach unmöglich. Die Berechnung der Löhne nach der Anzahl der eingeschlagenen Schußfäden, wobei durch automatische Werk zeuge jeder Schuß verzeichnet und gezählt wird, ist streng verpönt.

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Die elende Entlohnung der Arbeiter gestattet in den mei sien solcher Betriebe die Beibehaltung einer sehr rückstän­digen Technik. Während in den großen Tuchstädten, wie Krimmitschau, Rottbus, Aachen   usw., die Unternehmer in den letten 30 Jahren ihre Webstühle mindestens dreimal erneuert haben, finden wir in den Betrieben, die hauptsächlich oder ausschließlich für den Militärfiskus arbeiten, noch immer das veraltete technische Rüstzeug wie vor 20 Jahren. Teilweise haben diese die ausrangierten Webstühle der fortgeschrittenen Unternehmungen erworben und fabrizieren mit ihnen weiter. Daß die Lohn- und Arbeitsbedingungen weit besser sein könnten, steht fest. In Euskirchen   hat die organisierte Arbeiterschaft mit den Unternehmern, die gleichfalls Militär­tuche fabrizieren, seit Jahren schon Tarifverträge ab­geschlossen. Der Lohn wird berechnet pro 1000 Schuß; er be­trägt je nach Warenqualität 12 bis 15 f. Nebenarbeiten werden besonders bezahlt. Da der Weber 160 000 Schuß pro Woche machen kann, beträgt sein Lohn im Durchschnitt etwa 20 Mt. ähnliche Lohnverhältnisse sind bei der Firma Tannen­baum, Pariser& Co. in Luckenwalde  . Der Lohn beträgt hier pro 1000 Schuß 13, 15 und mehr Pfennig je nach Qua­lität der Ware. Bei langsam laufenden Stühlen wird er entsprechend erhöht. Der erzielte Durchschnittsverdienst pro Woche ist gleich dem in Euskirchen   erreichten, In

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Melsungen   und einigen anderen Orten steht der Durchschnittsverdienst auf der gleichen Höhe. Allerdings beklagen sich die Fabrikanten in jenen Orten sehr stark über die schmutzige Konkurrenz der Unternehmungen, von denen weiter oben die Rede gewesen ist. Dabei ist zu beachten, daß in Ralbe wie in Burg, Neudamm  , Schwiebus, Pritwalk und Wittstock   die Löhne vor wenigen Jahren noch niedriger waren, als wir sie angeführt haben. Erst das Eingreifen der Organisation hat sie in der letzten Zeit auf die jeßige Höhe gebracht. Diese Betätigung der Organisa­tion war den Unternehmern außerordentlich verhaßt. In Aschersleben   versprach der Unternehmer durch Anschlag in der Fabrik im Falle von Krankheit und Invalidität be­sondere Unterstützung für jede Arbeiterin und jeden Arbeiter, die sich verpflichten würden, dem Deutschen   Textilarbeiter­verband nicht beizutreten und niemals an einem Streik teil­zunehmen.

Indessen, so erbärmlich auch die Löhne sind, von denen wir berichteten, so sind doch die betreffenden Arbeiter und Ar­beiterinnen wahre Krösusse, verglichen mit den Webern, die in Oberschlesien  , in Ratscher und Langenau  für die Armee tätig sind. Katscher   ist ein armer Ort. In jedem Hause flappert noch der Handwebstuhl. Alt und jung verdient sich an diesem sein Brot. Die Leute weben Hand­tücher, Bettzeuge und Beltstoffe fürs Militär. Die Aufträge gehen an eine Webergenossenschaft, von dieser an die Innung der Hausweber in Katscher  . Deren Notlage ist entsetzlich. Schreiber dieses überzeugte sich selbst davon. Er ging von Haus zu Haus, von Stube zu Stube. überall grinste ihm grauenvoll das berüchtigte Weberelend entgegen, viel schlim­mier noch, als er es selbst in den Tagen der Kindheit aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Sachsen   kennen lernte. Neben ärmlichen, aber sauber gescheuerten Stübchen Wohnungen ohne alles Mobiliar, mit Lehmboden, auf dem in eisiger Kälte halbnackte Kinder sich tummeln, mit Füßen und Gesichtern, die von der Kälte gerötet und geschwollen sind. Laut Lohnbuch verdiente ein alter Weber mit An­fertigen von Handtüchern in vier Wochen 10 mt.; ein junger Mann in zehn Tagen 7,50 Mt. Ein gewandter Weber auf Bettzeuge verdiente in vierzehn Tagen 9 Mt., ein Zeltstoff webender Proletarier erwarb pro Woche. 7 bis 9 Mt. Ein anderer Weber zeigte, daß er in den letzten vier Wochen 4,40 mt., 7,65 Mt., 6,20 m., 5,70 Mr. verdient hatte. Alle Weber haben Hungerlöhne. Die Arbeitszeit ist endlos lang. Weib und Kind müssen mithelfen. Es kann feinem Zweifel unterliegen, daß in Ratscher wie in den Weberdörfern des Eulengebirges heute noch Menschen am Hunger sterben. Es sterben Menschen am Hunger, die für eine Staatseinrichtung arbeiten, die Hunderte von Millionen pro Jahr verausgabt. Die Ratscher Arbeiter sind nicht etwa ..sozialdemokratisch verseucht", sondern fromme Christen und stramme Zentrumswähler. Aller Glaube an die Größe des Vaterlandes schützt sie indessen nicht vor Not, Hunger und frühzeitigem Sterben. Die jeßigen ungeheuerlichen Forde­rungen des Militarismus lenken die Aufmerksamkeit der ausgebeuteten Massen auf die Millionen Profite, die dieser bestimmten Schichten der Ausbeutenden zuströmen läßt. Sie zwingen, auf das Gegenstück dazu hinzuweisen: auf die elende Vezahlung der Proletarier, die bei der Anfertigung von Militärstoffen den Kapitalisten reiche Profite schaffen. Wir fordern Kontrolle der Arbeiterentlohnung durch den Staat, der die Aufträge erteilt. Wir ziehen ihn für die Entlohnung im Parlament vor der Öffentlichkeit zur Verantwortung. H. Jäckel, Berlin  .

Bezirks- Frauenkonferenzen.*

V.

Am 16. Februar tagte in Düsseldorf   eine Frauen­konferenz für den Bezirk Niederrhein  . Besucht war sie bo: Wegen Raummangel leider verspätet.

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