346

Die Gleichheit

men des Sozialistengefeßes ihre Schuldigkeit getan. In Dresden­Neustadt ist August Kaden  , ein weitbekannter Streiter, von uns genommen worden. Genosse Kaden verkörperte in sich ein großes und gutes Stüd Parteigeschichte, der deutschen   Arbeiter­bewegung überhaupt. Jahrzehnte hindurch ist er ein rüstiger Werk­mann am Bau der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften ge= wesen. Denn die Möte einer ganz proletarischen Existenz hatten ihm sehr früh die Erkenntnis eingehämmert, daß die Ausgebeuteten ihr eigener Heiland sein müssen, und die Erkenntnis formte den Willen zur Tat. 1850 geboren, schloß er sich schon als halbflügger Zigarrenmacher dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein   an. Während der Wanderjahre war er in der Schweiz   und in Süd­ deutschland  , später zumal in Baden ein kräftiger Rufer im Streite für die Befreiung der Arbeiterklasse. Die politische Bewegung wie die jungen Gewerkschaften förderte er mit aufopfernder Arbeit. Als nun Kaden Mitte der siebziger Jahre in die Heimat zurüf­fchrte und sich in Dresden   niederließ, weitete sich ihm das Kampf­feld immer mehr. Es gab nichts, was seinen Eifer gedämpft oder seinen Mut gebrochen hätte. Die hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Lassalleanern und Eisenachern, die großen inneren und äußeren Schwierigkeiten einer jung aufstrebenden Bewegung, die sich steigernde Wut der Feinde: all das stachelte nur seine Tatkraft an und erhöhte seine Opferfreudigkeit. Die Gaben seines Geistes und Charakters erprobten sich am glänzendsten, als das Sozia listengeset vernichten sollte, was unter unsagbaren Mühen ge­schaffen worden war. Unter Genossen Kadens Leitung sammelten sich in Dresden- Neustadt die zersprengten Anhänger der Partei bald wieder. Er war der erste und lebte, wenn es galt zu beraten und zu handeln. Seine Findigkeit half ihm im Kampfe mit den Behörden über manche gefährliche Situation hinweg, seine kernige Beredsamkeit gewann ihm Freunde und den sozialistischen   Ideen Parteigänger. Was focht es den Braven an, daß die Behörden all ihre Nücken und Tücken gegen ihn losließen, daß seine Existenz sorgenbeschwert war? Er kannte nur ein Ziel: der Sache des Proletariats zu dienen. Die Genossen von Dresden- Neustadt ehrten August Kadens Wirken, indem sie ihm die höchsten Ehrenämter übertrugen, die sie zu vergeben hatten. Er war ihr Vertrauens. mann bei geheimen Tagungen unter dem Sozialistengeset, er ver­trat sie auf internationalen sozialistischen   Kongressen, sie entsende­ten ihn in die sächsische Kammer und in den Reichstag  . Seit dem Bacteitag zu Halle bis zu seinem Tode gehörte Genosse Kaden als Mitglied der Kontrollkommission an und wurde nach Meisters Tod ihr Vorsitzender. Er hat seinen Ehrenposten wie der unscheinbarsten Agitations- und Organisationsarbeit selbstlos seine ganze Kraft gegeben und mit Freudigkeit gegeben. So ist sein Leben ein reiches und gehaltvolles geworden, vorbildlich für Tausende und aber Tausende. So hat er den tiefgetroffenen Seinen Wertvolleres hinter­lassen als Schäße, die von Motten und vom Roste gefressen werden: einen Namen, der mit Verehrung genannt wird, wo in Sachsen  , in Deutschland   Proletarier empor zum Lichte drängen.

In Stuttgart   verstarb Genosse Schröter. Als blutjunger Buchdrucker kam er in Leipzig   zur sozialdemokratischen Partei und focht bald tapfer und geschickt in ihren vordersten Reihen. Was war da natürlicher, als daß ihn das Sozialistengesetz von der Stätte seines Wirkens vertrieb? In Stuttgart   fand er eine neue Heimat, und das besagte bei seiner überzeugungstreue ein neues Arbeits­und Kampffeld. Genosse Schröter gehörte zu den Ausländern", die unter den Schwaben den Geist der Rebellion" säten. Nicht unter den Männern allein, auch unter den Frauen. Genosse Schröter hatte sehr früh erfaßt, daß die Frau nur durch den So­zialismus befreit werden kann, aber auch, daß der Sozialismus zu seiner Verwirklichung des Verständnisses und der Taten der Frauen bedarf. Er wurde daher vor mehr als zwanzig Jahren zum Mitbegründer eines der ersten sozialdemokratischen Frauen­vereine und war lange mit einigen Gleichgesinnten zusammen die Seele dieser Organisation, der Bestrebungen überhaupt, die Proletarierinnen aufzuklären und zu organisieren. Wachsende Kränklichkeit hat den Genossen Schröter allmählich aus dem hiziq­ften Kampfesgetümmel gezwungen, allein mit Herz und Geist ist er bis zuletzt bei der Sache der Arbeiter geblieben und hat auch insbesondere die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung mit Sympathie verfolgt. Viele Jahre hat er der Gleichheit" als Korrektor schäßenswerte Dienste geleistet, in ihrem Auf­schwung sah er ein Stück seiner eigenen Bemühungen verwirklicht, die proletarischen Frauen für den Befreiungsfampf zu sammeln und zu schulen. In der Geschichte der deutschen   Arbeiterinnenbewe­gung verdient der Name des Genossen Schröter einen Ehrenplay. Frauenagitation und organisation im Bezirk Görlig. Eine Agitation im Bezirk Görlitz   sollte Genossin Wulff für ihre

-

1

Nr. 22

Tätigkeit als Parteisekretärin in Schlesien   die nötigen Informa tionen über den Stand der Organisation vermitteln, ihr helfen, Land und Leute kennen zu lernen und Anknüpfungspunkte für dic fernere Agitations- und Organisationsarbeit zu gewinnen. Versammlungen in den meisten Fällen Mitgliederversamm Iungen fanden statt in Görlitz  , Leschwitz, Lauban  , Hoyerswerda  , Muskau  , Keula  , Weißwasser  , Bunzlau  , Warthau, Tiefenfurt, Rauscha  , Mark­ lissa  , Löwenberg, Sagan und Grünberg. Fast in allen Orten waren sie gut besucht. Wo das nicht der Fall war, irie in Weißwasser  , lag es an mangelhafter oder verkehrter Einladung oder auch an den heißen Tagen, die für Versamm­lungen nicht günstig sind. Der weibliche Mitgliederstand ist natür­lich in den oben aufgeführten Orten sehr ungleich. Allen voraus marschiert die Parteiorganisation in Görlib, die eine stattliche Zahl weiblicher Mitglieder aufweist. In Görlitz   war auch der Be­such der Versammlung sehr gut. In vereinzelten Orten krankt die proletarische Frauenbewegung daran, daß die Genossen den Genossinnen zu wenig Unterstüßung zuteil werden lassen. Fast scheint es, als ob es dort noch Genossen gibt, die wohl die Frauen in der Partei dulden, weil es nun einmal nicht anders geht, aber nichts tun, um die weiblichen Mitglieder geistig weiterzubilden. Dagegen muß anerkennend hervorgehoben werden, daß die Dinge in den meisten Orten erfreulicher liegen. Hier wirken zum Teil Genossen, die schon früher das Vereinsleben für die Frauen so gestaltet haben, daß diese sich wohl in unseren Reihen fühlen und geschult werden. Wo dies aber bisher nicht der Fall war, da sind die Genossinnen willig und eifrig, den gegebenen Anregungen für die Aufklärung der Proletarierinnen zu folgen.

In manchen Orten des Bezirkes ist unsere Frauenbewegung nicht mehr jung. In Sagan zum Beispiel gibt es ältere Genos­sinnen, die schon zur Zeit des preußischen Vereinsgesetzes Tüch tiges geleistet haben. Dasselbe trifft in besonderem Maße auch auf Görlitz   zu. Hier ist der alte Verein proletarischer Frauen nicht in die Brüche gegangen, wie das in Sagan der Fall war, sondern die darin organisierten Genofsinnen sind in bedeutender Anzahl in die Partei übergetreten, als das alte Gesetz fiel. So viel steht fest, daß in dem ganzen Bezirk gute Vorbedingungen für die Aus­dehnung und den Ausbau unserer Organisation vorhanden sind. Dazu ist ein Teil unserer Genossinnen von dem Drange beseelt, fich, weiterzubilden. Lange haben die proletarischen Frauen darauf gewartet, daß ihnen als Kämpferinnen vorwärtsgeholfen würde, wie es nun durch die Anstellung der Sekretärin soweit als mög­lich geschehen soll. Vorläufig ist überall diese Anregung gegeben worden: dort, wo eine nennenswerte Zahl organisierter Frauen vorhanden ist, sind für diese entweder allmonatlich oder in längeren Abständen Frauenabende zu veranstalten. Die organisierten Proletarierinnen lechzen nach Aufklärung und Betätigung. In emigen Orten fanden schon regelmäßige Frauenzusammenfünfte statt, ebenso wie bereits hier und da Genossinnen als Beisitze­rinnen den Orts beziehungsweise Kreisvor ständen angehören. Wo dies noch nicht der Fall war, sind nun Frauen für die Posten bestimmt worden. Aussprachen zwischen Genossin Wulff und den tätigen Genossinnen sind gewiß für beide Teile anregend und lehrreich gewesen. Sie lassen ein gedeihliches Zusammenwirken erhoffen. Es kam überall zum Ausdruck, wie viel geschaffen werden kann, wenn unter den Genossinnen plan­mäßig gearbeitet wird. Sehen wir nun alle Kräfte für eine ge­deihliche Entwicklung ein, die vorhandenen Grundlagen bürgen für ein gesundes Vorwärtsschreiten unserer Bewegung und ihre innere Ausgestaltung. F. W.

Aus den Organisationen. Die politische Bewegung der prole­tarischen Frauen in Zittau   steckte bis vor zwei Jahren noch in den Kinderschuhen, nur einige Proletarierinnen hatten den Sozialismus begriffen. Heute kann sich die Zahl der weiblichen Mitglieder unseres sozialdemokratischen Vereins schon sehen lassen. Und das Vorwärts ist der Agitation der Genossinnen selbst zu­zuschreiben. Von Haus zu Haus, von Frau zu Frau wurde agi­tiert. Keine Mühe ließen sich die Genossinnen verdrießen, um neue Streiterinnen für den Sozialismus zu werben. Vor den Fabriken halfen sie Handzettel verbreiten, in Frauenversammlungen spornten sie die Lässigen an. Und der Erfolg war mit ihnen. über 90 Frauen find jetzt um das Banner der Sozialdemokratischen Partei geschart und werden sich auch in Zukunft angelegen sein lassen, ihre prole­tarischen Schwestern über das Wesen der bürgerlichen Ordnung mit ihrer Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufzu­flären und sie zu Kämpferinnen zu erziehen, die mit dem Manne ihrer Klasse zusammen für eine freie Zukunft streiten. Jede neu­gewonnene Genoffin muß eine Agitatorin für unsere große Sache