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Die Gleichheit
eine Abschwächung der Wahlrechtsforderung vorzunehmen oder gegen die Interessen der Proletarierinnen einen Schritt zu tun. Sie wissen ebensogut wie ich, daß nur die Generalversammlung der Platz ist, wo Beschlüsse gefaßt werden können. Deshalb meine ich, hätten Sie mit Ihren Anschuldigungen zum mindesten zu warten gehabt, bis ein Beschluß der nächsten Generalversammlung vorliegt, der Ihnen das Recht zu Ihrem abfälligen Urteil geben würde. Frida Perlen , Stuttgart .
Frau Berlens Logik steht nicht auf der Höhe ihrer Lust an Schreibübungen. Die berichtigungsfreudige Dame erklärt, sie möchte nur auf den ersten Teil der Einsendung des Genossen Breitscheid eingehen. Dieser Eidschwur hindert sie aber nicht, sich recht ausgiebig mit dem zweiten Teil zu beschäftigen. Jeder blamiert sich so gut er kann. Was die strittige Frage selbst anbetrifft, so beweist gerade das Zitat aus dem Artikel unseres Genossen, was Frau Perlen nicht zugeben will. Nämlich, daß die kritisierenden Ausführungen fich gegen die bürgerlichen Frauen im allgemeinen richteten und nicht gegen die Damen der Frauenstimmrechtsorganisationen. Oder glaubt Frau Perlen allen Ernstes, das Fähnlein der sieben Aufrechten" in den bürgerlichen Frauenstimmrechtsvereinen repräsentiere allein die bürgerliche Frauenwelt im Deutschen Reich und die soziale Macht, die diese in dem Kampfe für das politische Bürgerrecht des weiblichen Geschlechts einsetzen könnte und einsehen müßte? Was die weitere Polemik gegen den Genossen Breitscheid anbetrifft, so ist es mehr als unflug, daß Frau Perlen Vorgänge und Entwicklungen bestreitet, die geradezu altenmäßig feststehen und ihren greifbarsten Ausdrud darin gefunden haben, daß Frau Cauer auf der Generalversammlung des preußischen Frauenstimmrechtsbereins aus dem Vorstand dieser Organisation ausgeschieden und durch die schmiegsamere Frau Deutsch ersetzt worden ist. Übrigens ist der Sinn dieser Vorgänge und Entwicklungen erst neulich wieder durch den internationalen Kongreß der Frauenstimmrechtlerinnen zu Budapest beleuchtet worden. Um zu zeigen, wie unvorsichtig Frau Perlen mit ihren Behauptungen ist, haben wir Genoffin Breitscheid ersucht, sich zu ihnen zu äußern. Diese hat nämlich noch als Mitglied des Beirats der frauenrechtle= rischen Stimmrechtsorganisation an der Konferenz zu Wei mar teilgenommen. Gerade der dort eingeleitete Verrat des demofratischen Wahlrechts hat sie dazu bestimmt, der bürgerlichen Frauenrechtelei den Rücken zu kehren. Mit ihrer Darstellung halten wir Frau Perlens Polemit für erledigt. Genossin Breitscheid schreibt: Geehrte Frau Perlen! Gestatten Sie mir, auf den zweiten Teil Ihres neuen Briefes etwas näher einzugehen. Sie schreiben, daß unverbindliche Besprechungen auf der Beiratskonferenz stattgefunden hätten, und daß keine von den Frauen, die heute an der Spitze des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht stehen, daran denkt, eine Abschwächung der Wahlrechtsforderung vorzunehmen oder gegen die Interessen der Proletarierinnen einen Schritt zu tun". Als Frauen, die an der Spitze des Verbandes stehen, sind doch wohl die Vorstandsmitglieder anzusprechen. Von diesen haben aber wenigstens vier, wenn nicht gar fünf auf der Beiratskonferenz in Weimar dafür gestimmt, daß der Generalversammlung des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht eine Änderung der Sabungen im Sinne des Antrags von Dr. Augspurg vorgeschlagen werden soll.( Siehe Protokoll der Beiratssigung, das ich aus dem Gedächtnis zitiere.) Unter diesen fünf respektive vier Frauen, die sich für die Änderung erklärten, war übrigens auch die erste Vorsitzende des Verbandes. Nur zwei respektive drei Frauen erflärten sich gegen den Vorschlag. Diese sogenannte unverbindliche Besprechung hatte also ein Resultat, das zum mindesten den Vorstand band. Er wurde durch die Abstimmung verpflichtet, der Generalversammlung den Beschluß des Beirats vorzulegen und auch für ihn einzutreten, wenn anders solche Beftimmungen überhaupt einen Sinn haben sollen. Der erste Antrag ron Fräulein Dr. Augspurg sah aber nicht das direkte Wahlrecht vor und wählte für die übrigen Forderungen eine Fassung, die es jedem Mitglied erlaubt, etwas mehr oder etwas weniger darin zu sehen. Außerdem bleibt die Tatsache, daß man es für nötig hielt, die klare und unmißverständliche Fassung abzuändern: der Verband„ erstrekt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für die Frauen". Warum? Doch nur, um es weiter rechtsstehenden Frauen zu ermöglichen, in den Verband einzutreten. Diese Tatsache allein genügt ja, um den von uns erhobenen Vorwurf zu erhärten, daß die Wahlrechtsforderung abgeschwächt werden sollte. Sie abschwächen bedeutet aber, den Interessen der Arbeiterinnen entgegenarbeiten, das wird wohl selbst Frau Perlen nicht bestreiten wollen.
Nr. 24
Gewiß hat die Generalversammlung das letzte Wort. Aber die Stimmenverteilung auf der Generalversammlung kann schon jetzt ungefähr berechnet werden, da auf der Beiratssitzung in Weimar außer Baden alle Landesvereine und Provinzialvereine vertreten waren und durch ihre Vertreter abgestimmt haben. Es ist möglich, daß hier und da ein Verein anders votieren wird, als man jett annimmt, denn inzwischen sind neue Momente aufgetaucht, die die ganze Lage unübersichtlicher machen. Der Kampf um die Präsidentschaft wird in Eisenach ebenso heiß sein wie der um die Majorität in der Wahlrechtsfrage, und er wird diesen stark beeinflussen. Aber so viel ist sicher: für die Aufrechterhaltung der Forderung des allgemeinen, gleichen, direkten, geheimen Wahlrechts ist im Verband teine arbeitsfähige Mehrheit vorhanden. Selbst wenn, was nicht anzunehmen ist, die Vertreter dieser Forderung eine kleine Mehrheit hinter sich bekommen sollten, so würde ihnen das nichts helfen, denn so viel Energie bringen sie nicht auf, den anderen den Stuhl vor die Tür zu setzen. Und wenn die Gegner innerhalb des Verbandes weiterwühlen können, so ist an ein gedeihliches Arbeiten nicht zu denken. Auch wenn die Bestrebungen derer Erfolg haben sollten, die auf der Generalversammlung noch eine andere Formulierung in Vorschlag bringen wollen, würde an der Entwicklung der Dinge und damit an unserer Auffassung nichts geändert werden. Solange nicht die große Mehrheit des Verbandes erklärt: wir erkennen die alte Fassung als die einzig richtige an, solange fie nicht damit den Vorstand des abouiert, so lange nehmen wir das Recht für uns in Anspruch, die Weimarer Beiratskonferenz als den ersten Schritt auf einem Wege zu be= zeichnen, der den Interessen der Proletarierinnen zuwiderläuft. Tony Breitscheid .
Die Ausübung des Wahlrechts durch die Frauen wird durch die folgenden Angaben illustriert. Bei den letzten Gemeinderatswahlen in der Kalifornischen Universitätsstadt Berkeley waren 18 597 Wahlberechtigte in die Wählerlisten eingetragen, 9936 Männer und 8661 Frauen. Noch nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten stimmte ab, nämlich nur 8576 oder 46 Prozent. Es waren 4874 Männer und 3702 Frauen zur Urne gegangen. Von den wahlberechtigten Männern hatten 49 Prozent, von den wahlberechtigten Frauen nur 42,7 Prozent abgestimmt. Da die Frauen in Kalifornien noch nicht lange das Bürgerrecht in Staat und Gemeinde besißen und erst zur vollen Ausnüßung des Stimmzettels erzogen werden müssen, widerlegt ihre Wahlbeteiligung das Gerede, das weibliche Geschlecht wolle das Wahlrecht gar nicht.
Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Die Zahl der weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten in Preußen ist nach der neuesten übersicht über die Organisation des Gewerbeaufsichtsdienstes" von 14 auf 18 gestiegen. Neu eingestellt wurden im letzten Jahre Gewerbeinspektionsassistentinnen in: Bielefeld , Krefeld , Erfurt und Reichenbachi. Schl., also in Zentren der Textil- und der Konfektionsindustrie.
Eine Polizeiaffistentin in Plauen i. V. ist fürzlich angestellt worden. Ihr Wirken soll sich hauptsächlich auf die Gebiete der Wohlfahrtspflege und Sittenpolizei erstreden. Außer in Blauen amtiert in Straßburg i. E. und in Altona eine Polizeiassistentin. Die Ausbildung weiblicher Gemeindebeamten hat die Stadt Aschersleben in Aussicht genommen. Der Plan verdient Verwirklichung und Nachahmung.
Inhaltsverzeichnis.
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Zur Haltung der Reichstagsfraktion. Eine Ursache des Geburtenrüdgangs. I. Von Heinrich Vogel . Die amerikanische Frau vor dem bürgerlichen Recht. Von Meta L. Stern. Zum Geburtenrückgang in Berlin . Von Minna Güldner. Hier werden Lehrmädchen verlangt! Von Emil Unger. Aus der Bewegung: Die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung im Geschäftsjahr 1912/13. Von der Agitation. Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Bezirk Nordwest. Die Ferienspaziergänge der Kinderschutzkommission in Frankfurt a. M. Politische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband, Eine Konferenz der Trikotarbeiterinnen von Stuttgart und Umgebung. Von H. R. Aus der Holzarbeiterbewegung. Von fk. Das Verbandshaus der Holzarbeiter in Berlin . Von fk. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. F. Notizenteil: Dienstbotenfrage.- Arbeitsbedingungen der Arbeite Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenstimmrecht. Die Frau in öffentlichen Ämtern. Verantwortlich für die Redattion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe. Bon Degerloch bei Stuttgart .
rinnen.
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