Nr. 25

23. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart  

10. September 1913

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Bum Parteitag der Sozialdemokratie. Die Lehre aus der Haltung der Reichstagsfraktion Von gh.- Die Tätigkeit der Frau in der Gemeinde. VI. Von Anna Blos  . Die Aufgaben der Frauen bei der Durchführung der Krankenversicherung  . Bon F. Kl. Land­tagswahlen in Finnland  . Von M. Martua. Für unsere Jugend. Von Jürgen Brand. August Bebel   zum Gedächtnis. Von Adelheid Popp  . Aus der Bewegung: Frauenagitation und-organisation in den Be­zirken Breslau   und Oberschlesien  . Jahresbericht der Frauen­sektion des sozialdemokratischen Vereins in Karlsruhe  . Politische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Notizenteil: Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Fürsorge für Mutter und Kind. Frauenbewegung. Frauenstimmrecht.- Die Frau in öffentlichen Ämtern.

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Zum Parteitag der Sozialdemokratie.

Der bevorstehende sozialdemokratische Parteitag zu Jena  wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Tagungen gehören, die in der Geschichte der Sozialdemokratie in scharf umrissener Bedeutung hervortreten. Dafür sprechen die lebhaften Aus­einandersetzungen über taktische und grundsätzliche Fragen, die ein erhöhtes geistiges Leben kündend fast überall in der Partei zu verzeichnen sind, dem frischen Quell vergleichbar, der plötzlich aus anscheinend trockenem Boden hervorbricht. Die Erscheinung zeigt uns mehr an als die selbstverständliche Notwendigkeit, kritisch die Entwicklung der Aktion der So­zialdemokratie im letzten Geschäftsjahr zu prüfen, um die Marschsicherheit und Stoßkraft der Partei zu steigern. Die Schärfe und ernste Sachlichkeit, mit der weite Parteikreise diese kritische Prüfung vornehmen, weist vielmehr eindring­lich auf die Situation hin, in der die deutsche Arbeiterklasse Aug in Auge dem reifen Kapitalismus   gegenübersteht.

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit sind zu richten an Frau Klara Zetkin  ( Zundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

Militarismus unterbrochen worden: aufrüsten! aufrüsten bis zum Weißbluten der Völker! Die deutsche   Arbeiterklasse hat die Bescheinigung dieser Entwicklung der Dinge in Gestalt der größten Militärvorlage erhalten, die die herrschenden Gewalten noch je dem braven Michel ins Antlitz zu schlagen wagten, und deren Last, die heute der Milliardenschwindel des Jubiläumsopfers verdeckt, mit jedem Jahre fühlbarer werden muß.

Gleichzeitig hat sich bestätigt, was einst Ministermund dem deutschen   Volke prophezeite. Die Teuerung des Lebensbe­darfes ist zu einer ständigen Erscheinung geworden, mit der die Armen und ärmsten sich abfinden müssen" indem fie den Hungerriemen fester schnallen. Und sie hat nicht bloß an­gehalten, sie ist gewachsen, hat von den darbenden Massen einen immer höheren Tribut erzwungen, der die Geldsäcke der Ausbeutenden und Herrschenden füllt. Dem deutschen  Proletariat ist es jedoch nicht gelungen, durch seine gewerk­schaftlich kämpfende Elite dem Hungerpakt und der Scharf­macherpeitsche des kartellierten, organisierten Unternehmer­tums Lohnerhöhungen abzutrozen, die beträchtlich genug wären, für breite Schichten einen Ausgleich zu den verteuerten Kosten des Lebensunterhaltes zu schaffen. Seine politische Kampfes­organisation, die Sozialdemokratie, ist außerstande gewesen, auch nur eine Minderung der Zoll- und Steuerbürden durch­zusetzen, die die Preise der unentbehrlichsten Lebensgüter wucherisch verteuern. Der eisige Odem der nahenden Krise fündet ein maßloses Anschwellen der Nöte, die auch sonst schon am Marke der Habenichtse zehren. Wer diesen Jammer kennt, dem krampft sich das Herz zusammen, der schaudert, wenn er die rasch steigenden Zahlen der Arbeitslosen liest. Welche Hölle muß der Winter für Hunderttausende und aber Hundert­tausende bringen, die faulenzenden Ausbeutern Reichtümer schufen und gern weiter schaffen möchten für ein winziges Stück trockenen Brotes, das die kapitalistische Wirtschaft ihnen nun versagt. Muß diese Lage der Dinge die leidenden, bedrohten Massen nicht zwingend daran erinnern, wie ärm­lich und erbärmlich alles soziale Reformwerk in Deutschland  geblieben ist, obgleich es doch wahrlich die politisch und ge­werkschaftlich organisierte Avantgarde der Arbeiterklasse nicht an ausdauerndem Vorwärtsdrängen fehlen ließ? Ebenso un­widerstehlich wird aber in der vorliegenden Situation das Volk der Arbeit daran gemahnt, daß ungeachtet seiner er­starkenden Macht seinem Koalitionsrecht ständig von tücfi­schen, gewalttätigen Feinden nachgestellt wird, daß das zäh festgehaltene Geldsackswahlrecht in Preußen seinem poli­tischen Vormarsch in ganz Deutschland   einen festen Wall ent­gegenstellt, den es je eher je besser zu schleifen gilt.

Der Parteitag zu Chemnitz   konnte noch den Triumph der liebenswürdigen Illusion bringen, daß der Imperialismus der besitzenden Klassen vernünftigem Zureden zugänglich sei und sich zu Abrüstungen verstehen werde. Seitdem hat die Weltlage den luftigen Traum gründlich zerblasen. Nackt oder verhüllt tritt uns in allen imperialistischen Erscheinungen der letzten Zeit stets aufs neue wieder die nämliche treibende Kraft entgegen: das unausrottbare Bedürfnis der Kapita­listen aller Länder, ihre Ausbeutung und Macht auf Be­völkerungen auszudehnen, deren Heimatboden der Kapita­lismus noch nicht umgewälzt hat. Ohne solche Ausdehnung muß der Blutkreislauf der modernen kapitalistischen   Wirt­schaft stocken, muß ihr Herzschlag stille stehen, und deshalb bleibt das kapitalistische Bedürfnis nach Landerwerb und Volksunterjochung in fremden Zonen eine wilde Bestie, die sich höchstens national striegeln, aber nie zähmen läßt, und Was bisher nur zu oft und viel als die glutvolle, welt­die um so ungestümer nach Raub rast, je gewaltiger das fremde, unbedachte Ungeduld einzelner Stürmer und Spiel der gesellschaftlichen Produktivkräfte in der kapitalisti- Dränger" betrachtet wurde, das tritt nun immer klarer, schen Ordnung wird, und je schroffer die Gegensäze wider immer wuchtiger als die Erkenntnis rasch wachsender Partei­einander streiten, die zu deren Wesen gehören. Daher ist so freise zutage. Nämlich daß die kapitalistische Entwicklung eine ziemlich in allen Ländern die Idylle der Versicherungen eines Lage reifen ließ, die das Proletariat zur stärksten möglichen möglichen Abrüstens durch den rauhen Kommandoruf des Kraftentfaltung zwingt. Aus dieser Erkenntnis heraus ist Obligator. Nebenorgan zum ,, Textilarbeiter" für Frauen, die wie ihre Männer Mitglieder des Deutschen Textilarbeiter- u.- Arbeit.cinnen- Verb. sind.