394

August Bebel zum Gedächtnis.  *

Die Gleichheit

Viel glänzende Namen kennt die Geschichte. Helden und Märtyrer leben im Gedächtnis der Völker fort. In den Herzen der denkenden, um ihre Befreiung ringenden Proletarierinnen aber wurzelt kein Name so fest wie der August Bebels. Was bedeuten ihnen neben ihm die leuchtendsten Namen aus der Geschichte der Frauenbewegung, die Namen all derer, die die ersten und berühmtesten Bannerträger der Forderungen der Frauenemanzipation gewesen sind? Ein John Stuart Mill  , eine Mary Wollstonecraft  , die unvergäng lichen Gestalten der Frauen aus der großen französischen   Re­volution? Die Proletarierin nennt sie, sie ist voller Bewunde­rung, wenn sie von diesen Pionieren der Frauenrechte hört, ihre Werke und ihre Taten liest. Aber sie stehen ihr nicht nahe. August Bebel   dagegen kennen sie alle gleichsam persön­lich. Sie nennen seinen Namen wie den eines guten Freundes, auch wenn sie ihn nie gesehen haben. ,, Unser Bebel" hört man nicht selten Arbeiterinnen sagen, wenn sie sein Buch gelesen haben. Hat doch kein zweites Werk für die Erweckung der Frauen zum Menschenbewußtsein so viel getan wie Bebels Buch: Die Frau und der Sozialismus". Die deutschen Ge­nossen nennen August Bebel   den Ihrigen, aber mit nicht weniger Recht betrachten wir ihn als unseren Bebel. Denn wir alle haben von ihm gelernt. Selbst jene, die sein herrliches Buch nicht gelesen haben, nehmen daran teil.

Wenn wir sagen sollen, wie Bebel   auf die österreichische Arbeiterinnenbewegung eingewirkt hat, so haben wir viel­leicht noch zu wenig gesagt, wenn wir fonstatieren, daß er uns Impuls, Erkenntnis und Begeisterung gegeben hat. Be­lehrend und aufreizend hat sein Buch auf uns ge­wirkt. Wie oft wohl haben wir in den ersten neunziger Jahren, als unsere Agitation noch jungen Datums war und unsere Schar faum mehr als wenige Hunderte zählte, flam­mend vor Begeisterung erklärt: August Bebel   sagt." Wir zitierten Stellen seines Buches, wir lasen daraus vor, jede Genossin, die sich anschickte, Rednerin zu werden, studierte es. Und so ist es noch heute. Noch heute lernt die Arbeiterinnnen bewegung von dem hervorragendsten Bahnbrecher der Frauen­bewegung. Verlangend haben wir oft gesagt: Ja, würden alle Männer so reden!" Immer haben wir es für notwendig gehalten, daß nicht nur Frauen lesen sollen, was August Bebel   über die Frauen sagt. Männer müßten lesen, wie er­greifend er das Sklavendasein der Frau als Lohnarbeiterin und als Hausfrau schildert, wie überzeugend er die Wege zur Befreiung gemeinsam mit dem kämpfenden Proletariat weist. Immer haben wir gewünscht, daß die vielen Männer, die August Bebel   als Agitator, Parlamentarier und Partei­führer bewunderten, ihn auch als Anwalt der geknechteten, rechtlosen Frauen kennen lernen sollten. Wer so viel Achtung und Verehrung als Vorfämpfer des Proletariats genoß, wie er, dessen Worte müßten auf jedem Gebiet Beachtung finden, sie müßten Früchte tragen. Die Wiener   sozialdemokratischen Arbeiterinnen haben einigemal Gelegenheit gehabt, August Bebels hinreißender, überzeugender Rede zu lauschen. Bei österreichischen Parteitagen, in Versammlungen und bei klei­nen Zusammenkünften. Jede einzelne, der es vergönnt war, den unerreichten Vorkämpfer des Proletariats zu sehen und zu hören, zählt diese Augenblicke zu den unvergeßlichen ihres Lebens. Empfand sie doch tief, daß Bebel nicht nur der Vor­kämpfer für das Recht der ausgebeuteten und unterdrückten Arbeiterklasse war, sondern auch der warmherzige Pionier für das Menschenrecht des unfreien weiblichen Geschlechts.

Als die Nachricht von Bebels Tode zu uns nach Wien  kam, da fanden sich unaufgefordert Genossinnen in unserem Sekretariat ein, weil sie ganz instinktiv das Gefühl hatten, sie müßten bei der Bestattung ihres Vorkämpfers vertreten sein; sie wollten unter Gleichgesinnten ihrem Schmerz und ihrer Trauer Ausdruck geben. Und in den entlegensten

Dieser Artikel traf leider zu spät für unsere Bebelnummer ein.

Nr. 25

Orten Österreichs   kamen die Genossinnen zusammen, um stehend eine Genossin anzuhören, der vielleicht der Schmerz um Bebel   das erste Mal die Gabe der Rede verliehen hat. In Wien   erinnerten sich die älteren Genossinnen lebhaft der Zeit, da August Bebel   zum ersten Male zu uns kam. Noch gab es damals fast keine Arbeiterinnenbewegung. Und doch eilten Genossinnen und Proletarierinnen aus den ent­legensten Fabriken herbei, um den Verfasser des Buches über die Frau zu hören, zu sehen, ihm zuzujubeln. Vielleicht darf ich es hier erzählen, wie August Bebel   bedacht war, die Frauen zum Wirken für ihre Sache, für die Sache des Pro­letariats zu ermutigen und zu fördern. Ich war eine un­bekannte, unbedeutende Genossin, eine unter vielen, und sicherlich war mein Geschick das zahlreicher anderer Arbei­terinnen. Da war Bebel   wieder einmal in Wien  , mit ihm Friedrich Engels  . Mit jeder von uns, die wir bewundernd und dankerfüllt ihn umgaben, sprach er freundliche Worte und frug nach unserem Wirkungsfreis. Als ich nicht umhin konnte, ihm zu klagen, wie meine Tätigkeit als Sozial­demokratin durch die Abneigung meiner Mutter gegen die Partei erschwert werde, da kam er am nächsten Tage mit Friedrich Engels  , um bei der Mutter für mich einige gute Worte einzulegen. gute Worte einzulegen.

Uns sozialdemokratischen Frauen Österreichs   ist es, als hätten wir mit August Bebel   Vater, Bruder und Freund verloren. Wie oft haben wir ihn zum Zeugen aufgerufen, wenn wir in schwierigeren Zeiten, die nun längst vorbei sind, um unsere Position in der Partei zu kämpfen hatten! Eine unerschöpfliche Waffenkammer war uns sein unsterb­liches Werk über die Frau. So können wir mit Recht sagen: Auch unser war Bebel  , auch wir haben ihn verloren. Mit der Arbeiterklasse der ganzen Welt mögen die proletarischen Frauen aller Länder um den besten Vorfämpfer für ihre Rechte trauern. Möge das Gefühl der Dankbarkeit bei allen so groß sein, daß jede einzelne an seinem Beispiel die Kraft findet, dafür zu wirken, daß sein Geist überall leben­dig werde, wo Proletarierleid zum Kampfe für Erlösung von den übeln des Kapitalismus treibt. Bebels Leib haben die Flammen verzehrt, die Welt aber muß empfinden und künden, daß sein Werk unvergänglich ist, daß es fortlebt und immer mächtiger wird. Dazu beizutragen, das ist der beste Dank, den wir ihm über das Grab hinaus zollen können. Adelheid Popp  , Wien  .

Es ist schlechterdings unmöglich, in der Gleichheit" all die Kundgebungen des Schmerzes, der Trauer wiederzugeben, die Bebels Tod unter den sozialistischen   Frauen aller Länder ausge­löst hat. Nicht einmal aufzählen lassen sie sich, denn zu den Wort­führerinnen der sozialistischen   Frauenbewegung in den einzelnen Rändern haben sich sehr viele lokale Vereinigungen sozialistischer Frauen gesellt, dazu zahllose Genofsinnen, die Bebel   ein neues geistiges Leben voller wertvoller Gegenwartsarbeit und stählender Zukunftshoffnungen verdanken. Sie alle weilten mit ihrem Herzen an Bebels Bahre, wollten dort ihre unauslöschliche Dankbarkeit und Verehrung zum Ausdrud gebracht haben. Was Genossin Popp geschrieben hat, ist gewiß den sozialistischen   Frauen aller Länder aus der Seele geschrieben und läßt hell hervortreten, wie­viel Förderung, wieviel Kraft, Mut und Begeisterung die inter­nationale sozialistische Frauenbewegung von Bebel   empfangen hat. Im Anschluß an diesen Ausdruck der höchsten Wertung und Trauer heben wir nur einige Rundgebungen ausländischer Genossinnen hervor.

Die Genossinnen Dr. Bentham und Dr. Marion Philipps sendeten die Versicherung, daß der unerseßliche Verlust der deut­schen Genossinnen auch von den englischen Schwestern in der Unabhängigen Arbeiterpartei und der Women's Labour League tief empfunden werde. Zuschriften ähnlichen Inhaltes gingen zahlreich aus Rußland   ein, und Genossin Kollontay ins­besondere widmete Bebel   Worte der heißen Verehrung und Dant barkeit. Vom Verband der sozialdemokratischen Frauenklubs in den Niederlanden gab Genossin Ankersmit dem allgemeinen Emp finden ergreifenden Ausdrud. Aus Finnland   kamen Beileids­fundgebungen. Der Verband sozialdemokratischer Frauen daselbst sendete dieses Telegramm: