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Die Gleichheit

I. K. Nenes Recht für uneheliche Kinder und Mütter in Finnland  . Im vergangenen Frühling nahm der finnische Landtag ein Gesetz zum Schute unehelicher Kinder an, das diese Bestim mung enthält: Während der Schwangerschaft einer unehelichen Mutter bestellt die Gemeinde einen bevollmächtigten Vertrauens­mann, dessen Aufgabe es ist, die Rechte des Kindes gegenüber dem Bater wahrzunehmen und die Mutter beim gerichtlichen Verfahren zu unterstüßen, falls von dem Vater Alimente gefordert werden. Für das Kind wird ein Vormund bestellt, die Erziehung aber wird der Mutter anvertraut. Das Kind ist berechtigt, bis zum vollendeten sechzehnten Lebensjahr einen Unterhaltungsbeitrag vom Vater zu erhalten, arbeitsunfähige Kinder haben diesen Rechtsanspruch zeit­lebens. Der uneheliche Vater ist verpflichtet, der Mutter eine be­sondere Pflegesumme auszuzahlen, und zwar für die Dauer von zwei Monaten vor und nach der Geburt. Der Betrag muß für sechs Monate nach der Geburt gezahlt werden, wenn die Mutter das Kind bei sich behält und pflegt. Dieses Pflegegeld soll nötigenfalls von der Gemeinde ausgelegt und vom Vater eingetrieben werden. Die bestrittene Vaterschaft stellt das Gericht fest nach der Anhörung von Zeugen und auf Grund freier Erfundigungen". Ist nachgewiesen, daß mehrere Männer der unehelichen Mutter beigewohnt haben, so werden die Alimente auf sie alle verteilt. Hat der Vater des un­ehelichen Kindes auch eheliche Kinder, so wird das Erbrecht des ersteren den Rechten der ehelichen Kinder gleichgestellt. Das unehe­liche Kind erhält im Falle der Anerkennung des Erbrechts den Namen des Vaters.

Das Gesetz ist geeignet, die Lage der unehelichen Mütter beträcht­lich zu heben. Es verbessert diese zivilrechtlich und stellt die unehe­liche Mutter sittlich der ehelichen gleich. Das Gesetz ist daher zu begrüßen. Freilich vermag das Gesetz nicht, die wirtschaftliche Not­lage aller unehelichen Mütter und Kinder zu beseitigen. Viele un­ehelichen Väter fönnen unbemittelt sein, so daß sie außerstande sind, genügend für Mutter und Kind zu sorgen. Es gibt sicher auch ge= wissenlose Väter, die den Ort verlassen, und es unmöglich machen, zur Zahlung der Alimente herangezogen zu werden. Aber davon abgesehen, bleibt das Gesetz bedeutungsvoll und wird segenbringend für eine große Zahl unehelicher Kinder und Mütter sein. In Finn­ land   werden jährlich gegen 6000 uneheliche Stinder geboren, 7 auf je 100 Geburten überhaupt.

Nr. 26

Kirchendirektion des Kantons Aargau  , dessen Behörden sonst gar nicht mit Fortschrittlichkeit prunken, hat sich neulich mit großer Mehrheit für die Einführung des kirchlichen Frauen­stimmrechts ausgesprochen. Im Kanton Graubünden   hat die kantonale Synode der reformierten Geistlichkeit in der letzten Juniwoche eine Petition von 2000 Frauen behandelt, die das kirchliche Frauenstimmrecht fordert. Die Mehrheit der Synode nahm den Antrag des Graubündener   Kirchenrats an, der es den Kirchgemeinden freistellt, das kirchliche Frauen­stimmrecht einzuführen. Der angenommene Antrag besagt ferner, daß jede Kirchgemeinde über die Gewährung des Frauenstimm rechts abstimmen lassen muß, wenn es ein Drittel ihrer weiblichen Mitglieder verlangt. Die Minderheit der Synode war gewillt, der Petition in vollem Umfang zu entsprechen und das Frauenstimm recht von der Landeskirche aus allgemein einzuführen. Die Frage kommt nun vor den reformierten Großen Rat und vor das re­formierte Volk Graubündens  . Der Große Rat des Kantons St. Gallen hat sich in einer Sizung zu Ende Mai mit starker Mehrheit für die Einführung des kirchlichen Frauenstimmrechts erklärt. Die Kirchensynode des Kantons Zürich   hat bereits im Noventber 1905 eine Eingabe an den Züricher   Großen Rat ge= richtet, die sich für die Erteilung des aktiven und passiven Stimmrechts der Frau in kirchlichen Angelegenheiten aus­H. W. spricht.

Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Frauen in den Meisterprüfungskommissionen für das Hand­werk in Baden. In Baden werden zurzeit die Meisterprüfungs­fommissionen für die Gewerbe erneuert, in denen das Recht der Lehrlingsausbildung von einem Befähigungsnachweis der Meister abhängt. Bei der Zusammenseßung dieser Kommissionen wird nun auf die Tatsache Rücksicht genommen, daß auch die ganz oder vorwiegend von Frauen betriebenen Gewerbe sofern in den Betrieben Lehrlinge ausgebildet werden dem Gesetz über den Befähigungsnachweis unterworfen worden sind. Nach der Be­fanntmachung des Großherzoglichen Landesgewerbe amtes sollen die neuen Meisterprüfungskommissionen auch Ver­treterinnen der weiblichen Meister erhalten. Für den Handwerks­fammerbezirk Konstanz   ist in die erweiterte Meisterprüfungs­

Hilja Pärssinen, Landtagsabgeordnete, Helsingfors. fommission(§ 133 Absatz 5 der Gewerbeordnung) eine Vertretung

Frauenbewegung.

Die ficbte Hauptversammlung des Verbandes Fortschritt­licher Frauenvereine findet in Berlin   am 29. und 30. September statt. Für die öffentlichen Sizungen stehen diese Punkte auf der Tagesordnung: 1. Der geschichtliche Wandel in der Stellung der Ehefrau in Familie und Gesellschaft; 2. Die verheiratete Frau in der deutschen Volkswirtschaft; 3. Sozialpolitische Fürsorge für die berufstätige Frau und Mutter. Eine geschlossene Delegiertenfißung wird sich mit den geschäftlichen Angelegenheiten des Verbandes be= fassen. Der Propaganda für die Ziele der Organisation soll eine Abendversammlung dienen mit Ansprachen über" Familie und Frauenberufsarbeit".

Frauenstimmrecht.

Das kirchliche Frauenstimmrecht in der Schweiz   ist zum ersten­mal im Jahre 1898 von der Eglise libre   des Kantons Waadt  den Schweizer   Bürgerinnen erteilt worden, die dort ansässig sind und der genannten Kirche angehören. Zehn Jahre darauf hat die Eglise nationale des gleichen Kantons ihren weiblichen Mit­gliedern das Stimmrecht für Pfarrerwahlen und Kirchengemeinderatswahlen verliehen. Im Jahre 1910 bekamen die weiblichen Kirchgemeindemitglieder der Eglise nationale und der Eglise libre   des Kantons Genf   das Stimm­recht, ebenso die Kirchgenossinnen der Eglise indépendante des Kantons Neuenburg  . In den deutschsprachigen Kantonen der Schweiz   ist zurzeit das kirchliche Frauenstimmrecht noch nirgends Gefeß geworden, doch steht seine Verwirklichung in einigen großen Kantonen nahe bevor. Wie bereits in Nr. 17 der Gleichheit" ge­meldet ist, hat die bernische Kirchendirektion beim Regierungsrat des Kantons Bern   beantragt, in die übergangsbestimmungen zum Gemeindegesetz einen Artikel aufzunehmen, der den Kirchgemein­den die Berechtigung erteilt, das Stimmrecht der Frauen für Pfarrerwahlen und Kirchengemeinderats­wahlen einzuführen. Stimmberechtigt soll jede Schweizer  Bürgerin sein, die der Landeskirche angehört und mindestens ein Jahr in der Kirchgemeinde wohnt, in der die Wahl bevorsteht. Die

der Weißnäherinnen und Puhmacherinnen ernannt worden. Jedes dieser Gewerbe ist in der Kommission durch drei Beisiterinnen aus Konstanz   vertreten. Drei der sechs sind ledig. Unter den ernannten Weißnäherinnen befindet sich die Witwe von Hans Arnold, der unserer Partei angehört hat. Im Handwerks­fammerbezirk Freiburg   haben die Stiderinnen in der Prü fungsfommission eine Vertretung durch zwei Meisterinnen eine verheiratete und eine ledige aus der Stadt Freiburg   erhalten. Zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung der Kleidermacherinnen veranstaltete das Landesgewerbeamt in sieben Städten des Landes Kurse im Zuschneiden.

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mg.

Frauen im öffentlichen Schulwesen der Vereinigten Staaten  . In vier Staaten der nordamerikanischen   Union  , die schon länger das Frauenwahlrecht eingeführt haben, in Kolorado  , Idaho  , Washington   und Wyoming  , sind sehr viele Frauen in der Verwaltung des öffentlichen Schulwesens in leitenden Stellungen tätig. Man zählt 435 weibliche Landschulvorstände, die selbständig an der Spitze von Schulen stehen. In Wyoming   ist das Amt des ersten und zweiten Staatsschulinspektors Frauen anvertraut. 42 Bezirksschulinspektorinnen sind im Staate New York   tätig, in 14 Bezirken ruht die Leitung der Schulen ausschließlich in den Händen von Frauen. In Kansas   amtieren 49 Bezirksschul­inspektorinnen, in Nebraska   43 usw. Den kommunalen Schul­aufsichtsbehörden gehören von Jahr zu Jahr mehr Frauen an. So sizen Frauen im Schulrat von New York  , Chicago  , Cleveland  , San Franzisko und noch 6 anderen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Die kleinen Gemeinden sind sehr zahlreich, in denen Frauen in den Schulrat gewählt worden sind.

Weibliche Aerzte in englischen Krankenhäusern. In England finden Ärztinnen in steigender Zahl an Krankenhäusern An­stellung. Ein vor 18 Monaten gegründetes Kinderhospital wird ausschließlich von weiblichen Ärzten geleitet und verwaltet. In dem ersten Tätigkeitsbericht der Anstalt heißt es, daß Eltern oft von weither ihre Kinder zur Behandlung bringen, weil sie überzeugt sind, daß Ärztinnen besonders rasch das Vertrauen der fleinen Patienten erwerben und gut mit ihnen umzugehen verstehen. Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmsbobe Bont Degerloch bet Stuttgart  .

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. 6.m.b.8. tn Stuttgart  .