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Die Gleichheit

einen systematischen Vernichtungskrieg gegen die Buschleute zu führen. Bei einem Zusammenstoß zwischen Farmern, Schutz­truppen und Buschleuten im Norden der Kolonie wurden von lezz­teren eine ganze Anzahl erschossen. Der Kolonialsekretär Solf kommt mit einer Reihe von Eisenbahnplänen von seiner Afrika­reise zurück. Ihre Ausführung wird das Volk zu bezahlen haben.

In der Schweiz   erregte folgender Vorfall großes Aufsehen. Bei den Gebirgsmanövern der 18. schweizerischen Infanterie­brigade ließen die Offiziere die Mannschaft nach schwerem Gefecht während der Besprechung auf der Pazhöhe des Flüela( 2390 Meter) bei Schneesturm in Achtungsstellung stillstehen. Nach zwei Stunden wurde das der Mannschaft zu dumm; sie marschierte samt Sub­alternoffizieren ab ins Tal und ließ ihre Offiziere oben auf dem Paß stehen. Das Charakteristische an dem Vorfall ist nicht sowohl der Abmarsch der Mannschaft als die Zumutung der Offiziere an fie. Diese beweist, daß der Geist des preußischen Drills unaufhalt­sam in die Schweizer   Miliz eindringt. Die Entfaltung der mo­dernen Klassengegensätze löst die alte Miliz auf, deren Grund­lage unentwidelte fleinbürgerlich- bäuerliche Verhältnisse gewesen waren. Das schweizerische Bundesparlament und der Oberstkom mandierende Wille der Schweizer Armee   treiben die Umformung der Miliz in eine gewöhnliche Drillarmee bewußt voran.

In England ist ein riesenhafter Unternehmerverband ge­gründet worden, der sich Schußverband der Arbeitgeber des Ver­ einigten Königreichs  " nennt. Der Verband will einen Garantie­fonds von einer Milliarde Mark als Kriegskasse der Unternehmer gegen streikende Arbeiter zusammenbringen. Der Zweck dieser Kriegsorganisation der Unternehmer ist, die Gewerkschaften, die sich immer mehr in Kampforganisationen verwandeln, in ihre alte friedfertige Stellung zurückzuwerfen. Das ist aussichtslos. Die Wir­fung wird die entgegengesette sein von der gewollten: die Entfesse lung größerer Massenkämpfe als je zuvor. In Dublin   ist eine Einigungskommission von je sechs Vertretern der Arbeiter und der Unternehmer unter dem Vorsitz des Regierungsvertreters Askquith zusammengetreten, um den Kampf zu schlichten. Die eng­lischen Gewerkschaften wetteifern in finanzieller Unterstützung ihrer irischen Arbeitsbrüder.

In Osterreich   wird jetzt die Kostenrechnung für den Balkan­frieg präsentiert. Die Mobilisierung der Truppen während des Krieges, die Erhöhung der Präsenzstärke des Heeres und die Ver­stärkung der Flotte um zwei Großkampfschiffe nach dem Krieg er­fordern über eine halbe Milliarde Kronen. Wohin die Verstärkung der Flotte zielt, zeigt der jüngst aufgetauchte Vorschlag, daß Oster­ reich   sich in Kleinasien  , in Zilizien, eine Interessensphäre" schaf= fen soll. Damit würde auch außerhalb Europas   eine Reibungs­fläche mit dem Dreibundgenossen Italien   gefunden werden. Ohnehin ist das Verhältnis zu diesem Land in letzter Zeit stark ge­trübt worden durch die Rückwirkung des Balkankriegs und der durch ihn geschaffenen Verhältnisse. Albanien   scheint im Verhält­nis zwischen Österreich   und Italien   dieselbe Rolle spielen zu sollen wie früher Schleswig- Holstein   zwischen Österreich   und Preußen. Italienerfeindliche Maßregeln der Statthaltereien von Triest   und Tirol haben die gegenseitige. Mißstimmung verstärkt.

Auf den zweiten folgt nunmehr der dritte Balkankrieg. Die Albanesen haben sich gegen die Serben erhoben und sind in das neuserbische Gebiet vorgedrungen. Sie werden jetzt in blutigen, greuelvollen Kämpfen von den Serben zurückgeworfen. Diese sind bereits tief in das Gebiet des eigentlichen Al­ banien   einmarschiert. Griechische Truppen wirken mit den ser­bischen zusammen, und auch die Montenegriner haben wieder zu den Waffen gegriffen. Serbien  , das Miene machte, den Abwehr­frieg in einen Eroberungskrieg zu verwandeln, um neue albanische Gebiete an sich zu reißen, ist dabei auf den Widerstand Oster­ reichs   gestoßen. Der unmittelbare Anlaß des albanischen Auf­standes ist die unsinnige Abgrenzung des albanischen   Gebiets durch die europäischen   Mächte. Eine Reihe albanischer Volks­stämme und auch bulgarische Bevölkerung ist dadurch unter ser= bische Herrschaft gekommen. Ferner aber reizte Bulgarien  , das nach einem Revanchekrieg brennt, die Albanesenführer auf, wäh­rend Österreich   diesen Waffen und Munition lieferte. Bul­garische Banden und Offiziere kämpfen auf seiten der Albanesen. Schließlich aber hat die russische   Regierung alles Interesse daran, die Kriegsflamme auf dem Balkan   nicht erlöschen zu lassen, um derweilen ungestört in Ostasien   zu räubern. Wie sehr die Völker des Balfans, Bauern und Arbeiter, im Gegensatz zu den Regie­rungen und den bürgerlichen Klassen des Krieges müde sind, be­weist die Tatsache, daß die serbische Regierung verschärfte Bestim­mungen gegen Entziehung vom Waffendienst erlassen hat. Die

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serbische Sozialdemokratie hat energischen Protest gegen den neuen Krieg eingelegt. Sie fordert friedlichen Zusammenschluß der Bal­tanstaaten als einziges Mittel, zu dauerhaftem Frieden zu ge= langen. Die Aussichten dafür sind aber gering. Der Abschluß des Friedens mit Bulgarien   und der Ausbruch des Alba­nesenkriegs hat das Machtbewußtsein der Türkei   so gehoben, daß sie in den Friedensverhandlungen mit Griechenland   eine Revision der Bestimmungen der Londoner Botschafterkonferenz über die griechischen Inseln zu ihren Gunsten verlangt. Zahl­reiche türkische   Truppen treffen aus Kleinasien   in Konstanti­ nopel   ein.

Während der Balkan   wieder in Flammen steht, sind russische Truppen in die Mongolei   eingerüdt. Japan   hat auf Drängen Englands seine Absicht, die Aufteilung Chinas   auf eigene Faust zu beginnen, einstweilen zurückgestellt und sich mit der Beantwor­tung seines Ultimatums durch China   begnügt. Zum Präsidenten der chinesischen Republik   wurde, wie vorauszusehen war, Juan­shikai gewählt.

In den Vereinigten Staaten   ist der neue Zolltarif am 4. Oktober vom Präsidenten unterzeichnet und damit Gesetz ge= worden. Entsprechend den Interessen der rasch aufgeschossenen Fertigindustrien der Vereinigten Staaten   bringt der neue Zoll­tarif eine beträchtliche Herabsetzung der Schutzölle.

Gewerkschaftliche Rundschau.

a. th.

Die Lohnkämpfe im Jahre 1912, über die eine fürz­lich veröffentlichte Statistik berichtet, standen bereits etwas unter dem Einfluß der niedergehenden Wirtschaftsfonjunktur. Zwar ist die Zahl der an den Lohnbewegungen beteiligten Arbeiter höher als im Vorjahr mit seiner günstigen Wirtschaftslage, doch hat der Bergarbeiterstreik im Ruhrrevier dieses Zahlenergebnis erheblich beeinflußt. 9961 Lohnbewegungen mit und ohne Arbeits­einstellungen wurden geführt von 1254 358 Personen, jedoch der Bergarbeiterstreit allein stellte dazu 237 732. Zieht man diese von der Gesamtzahl der Kämpfenden ab, so verbleibt etwa die gleiche Zahl Beteiligter wie im Vorjahr. Die ohne Arbeitseinstellung ver­laufenden Bewegungen haben wieder ein wenig zugenommen. 1912 machten sie 71,6 Prozent aller Lohnkämpfe aus. Seit dem Jahre 1905, in dem zum erstenmal die Erhebungen auch auf diese Bewegungen ausgedehnt wurden, ist ihr Prozentsatz von 56,1 auf 71,6 gestiegen. An Gesamtkosten wurden von den Gewerkschaften über 11 700 000 Mt. für Lohnbewegungen aufgewendet. Während die Zahl der Streits zurückgegangen ist, wurden Aussper­rungen in vermehrter Zahl verhängt. Auch war der Ausgang der Bewegungen im Jahre 1912 etwas weniger günstig als 1911. 61,7 Prozent davon waren erfolgreich, 16,4 Prozent teilweise er­folgreich und 19,8 Prozent erfolglos. Doch haben die Unternehmer mit den Aussperrungen nicht gut abgeschnitten. Von den 356 Aus­sperrungen endeten 52,1 Prozent, also über die Hälfte, für die Arbeiter erfolgreich. Durch die Bewegungen wurden insgesamt er­reicht: eine Arbeitszeitberkürzung für 378 185 Per­sonen von zusammen 830 151 Stunden pro Woche und eine Lohn­erhöhung für 530 021 Personen von 946 961 Mt. pro Woche. Außerdem erhielten 388 563 Personen sonstige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. In 4804 Fällen wurden Tarifverträge ab­geschlossen. Neben 282 264 Arbeitern waren 20 851 Frauen un­mittelbar an Rämpfen beteiligt. Fuß für Fuß muß sich die ge­werkschaftlich organisierte Arbeiterschaft bessere Arbeitsbedin gungen erkämpfen, und ebenso zäh hat sie das Errungene zu ver­teidigen. Ihr Ringen wäre nicht so mühevoll und es brächte reichere Frucht, wenn nicht noch Hunderttausende Ausgebeuteter in Verkennung ihrer Klassenlage abseits von den geschlossenen Kampfesreihen ständen. Gerade jetzt in der Zeit der wirtschaft­lichen Krise ist der Zusammenschluß der Proletarier mehr als je notwendig. Es geht darum, die errungenen Arbeitsbedingungen zu behaupten, es gilt die Familien der Arbeitslosen vor der äußersten Not zu bewahren.

Im Stettiner Hafenarbeiterstreit übertrumpft die städtische Behörde als Unternehmer feden Scharfmacher. Der Stet­tiner Magistrat hat nämlich den Hafen an den berüchtigten Ar­beitswilligenlieferanten Hesberg aus Hamburg   berpachtet. Der Mann schaltet und waltet dort mit seinen Streifbrecher­kolonnen, die aus den Kaschemmen der Großstädte zusammen­gelesen sind. Diese Herrschaften schüßen sich nicht nur selbst durch Gummifnüttel und Revolver, sondern selbstverständlich tut die Polizei noch ein übriges zu ihrem und ihres Soldherrn Schuhe. Alle Verhandlungsversuche schlugen bisher fehl. Wenn Privat­unternehmer mit saurer Miene die Hilfe des Hesbergschen Raus­