Nr. 2

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Die Gleichheit

ficher gehaltener Geldschrank nicht sicher ist, daß und stets wäh­rend der Mittagspause Geld daraus entwendet wird. Einmal verschwand der Betrag von 128 Mt., dann 70 Mt., dann 1,98 Mt., dann 50 Mt., dann 100 Mt. in Gold und 2 Mt. in Silber. Diese Diebstähle wurden im zweiten Quartal 1906 begangen. Vom ersten Quartal 1906 hatte der Kassierer dem Vorsitzenden bereits ein Manfo von 103 Mt. gemeldet, welches letterer in den Büchern , ftimmig gemacht hatte, ohne davon dem Zentralvorstand Mit­teilung zu machen.

An der Entdeckung des Diebes waren wir alle gleich intereffiert, denn in Verdacht kam doch jeder, der zum Bureau Zutritt hatte. Wir beschlossen, während der Mittagspause abwechselnd auf dem Bureau Wache zu halten. Der Kassierer übergab dem ebenfalls auf dem Bureau tätigen Kollegen Roth einen Kassenschlüssel, so daß der eine Kollege nur im Beisein des anderen den Schrank zu öffnen vermochte. Jeden Mittag wurde ber Kassenbestand genau festgestellt und nach der Mittagpause wieder geprüft. Nach etwa acht Tagen, Samstagmittags, fehlten dann wieder 40 mt. in Gold und 1 Mt. in Silber.

Aber kein Dieb wurde erwischt. Inzwischen hatte der Vorsitzende feine Englandreise angetreten. Darüber waren wir uns flar: es mußte, trotz der gegenteiligen Erklärung des Fabrikanten, ein zweites Paar Schlüssel in Düsseldorf   existieren, denn die kompli zierten Federschlösser mit Nachschlüsseln zu öffnen, war einfach undenkbar. Der Kassierer telephonierte an die Fabrik und erhielt den Bescheid:, Es sind zwei Paar Schlüffel da, das zweite Baar hat der Vorsitzende. Darauf fuhr der Kassierer nach Duisburg  , und der Fabrikant erklärte ihm:, Ich habe das zweite Paar Schlüssel auf dessen Wunsch dem Vorsitzenden gegeben, und wenn ich mich recht entsinne, hat er zu mir gesagt: Sagen Sie dem Kassierer nichts davon. Dann führte der Fabrikant weiter aus:, Mir ist noch nie ein Geschäft so ekelhaft gewesen wie dieses, denn der Agent ver­langte eine möglichst hohe Provision mit der Begründung: Ich muß die Provision mit dem Vorsitzenden teilen.'

Der Kassierer bat dann den Fabrikanten, doch im Interesse unseres Verbandes über den Vorfall zu schweigen, worauf dieser erwiderte:, Nun ja, wir haben so viele Geschäftsgeheimnisse, dann fönnen wir dieses auch noch haben. Der Fabrikant stellte dem Kassierer dann folgende Bescheinigung aus:

Duisburg  , 6. 5. 06.

An den christlichen Tegtilarbeiterverband Düsseldorf  . Der im Jahre 1905 an Sie gelieferte Geldschrank hatte zu jedem Schloß zwei Schlüssel und habe ich die Reserveschlüssel nicht an den Kassierer, sondern an den Vorsitzenden übergeben.

Hochachtend

M. Houben.

In der nächsten Zentralvorstandssizung wurde dann beschlossen, die Angelegenheit bis zur Rückkehr Schiffers von England zu ver­tagen. Wir hatten aber die Rechnung ohne den Kollegen Roth ge­macht. Dieser hatte von Schiffer den Auftrag erhalten, ihm fort­laufend über den Stand der Dinge nach England zu berichten. Einen solchen Bericht hatte Koth fertiggestellt und ließ ihn den Kassierer und mich lesen mit den Worten:, Seht, ich habe von der Geschichte nichts geschrieben.'

An sein Bult zurück, schrieb er dann mit Bleistift auf ein Stück Papier   etwa folgendes: Gewitterwolfen ziehen sich zusammen, bitte sofort zurüdkommen.

Zwischen dem Vorsitzenden Schiffer und dem Sekretär Koth be­standen im Gewerkschaftsleben sonst unbekannte Umgangsformen, so etwa wie zwischen einem großen Herrn und seinem Kutscher. Schiffer redete den Koth mit, Du, Peter' an, und Koth den Schiffer mit, Sie, Herr Schiffer. Wenn Schiffer von einer Reise zurüd­tehrte und Roth mußte zur persönlichen Berichterstattung antreten, so hatte er zunächst die Tür zu meinem, dem anstoßenden Redak­tionszimmer fest zu schließen.

Wenn ich mit dem Rassierer allein war, so sprachen wir von Koth als dem, Geheimsekretär'. Auf den erwähnten Zettel von Koth hin, wovon wir anderen keine Ahnung hatten, kam Schiffer sofort von England zurüd. Es wurde dann in der nächsten Zentralvorstands­fitzung beschlossen, im Interesse unserer Bewegung die ganze Sache totzuschweigen und das vorhandene Manko auf das Kontoder Lohnbewegung in Aachen   zu buchen.

Der letteren Aufgabe unterzog sich der Vorfißende Schiffer. Er muß dies aber doch nicht geschickt genug gemacht haben, denn der Revisor Alois Steinbeck war, wie er mir auf der Fahrt zur Augs­burger Generalversammlung vertraulich mitteilte, dahinter ge­kommen. Und die Delegierten in Augsburg   hatten gar keine Ahnung, warum die Aachener Delegierten so entschieden für die Bildung eines Verbandsausschusses eintraten.( Siehe Protokoll

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Seite 246 ff. Der Verfasser.) Der Sekretär Koth reiste im Auftrag des Zentralvorsitzenden nach Krefeld   und ließ sich von dem bort woh­nenden Agenten eine Bescheinigung ausstellen, daß lekterer bie Behauptung, er müsse die Provision mit dem Vorsitzenden teilen, als Geschäftskniff gebraucht habe.

In der erwähnten Zentralvorstandsfizung wurde dann in Ab­wesenheit von Schiffer befchloffen, daß die größeren Ein. täufe nicht mehr von Schiffer allein, sondern von den Beamten aufdem 8entralbureau gemeinsam gemacht werden sollten. Mit diesem Beschluß glaubte man auch im Interesse des Bentralvorsitzenden zu handeln. Über diesen Beschluß, der in der Folgezeit noch verschiedentlich bekräftigt wurde, ebenso wie noch über andere Beschlüsse des Zentralvorstandes, hat sich der Zentralvorfizende Schiffer glatt hinweggesetzt."

Das sind durchaus nicht alle Anklagen, die der Verfasser hier öffentlich gegen Schiffer erhebt. Nicht minder interessant ist ein anderes Kapitel der Broschüre, das die christlichen Verbandsbe amten in ihrer Tätigkeit als Streitbrechervermittler zeigt. Während des Krefelder   Färberstreiks erließ der christliche Werbandsvorstand nachstehendes Rundschreiben an alle feine Beamten:

Zentralverband christlicher Textilarbeiter Deutschlands  Bentralstelle Düsseldorf.

Düsseldorf  , den 8. April 1918.

An die Beamten unseres Verbandes!

Werte Kollegen! Die Situation in Krefeld   liegt zurzeit so, daß alles getan werden muß, um dem Deutschen   Tegtilar. beiterverband eine Schlappe beizubringen, das ist für uns von der größten Bedeutung. Es kommt zur­zeit alles darauf an, eine hinreichende Zahl von Arbei tern in die Färbereien audirigieren. Es werden dort auch ungelernte Arbeiter in großer Bahl angenommen. Der Lohn beträgt je nach dem Alter 18 bis 25 Mt. pro Woche.

Wir bitten die Kollegen, uns umgehend mitzuteilen, ob aus dem dortigen Bezirk auf Buzug nach Krefeld   gerechnet werden kann, fei es auch nur für vier bis sechs Wochen. Die Fahrtkosten trägt der Verband.

Mit freundlichem Gruß

Die Zentralstelle. NB. Dieses Birkular muß streng vertraulich behandelt werden. In den Auseinandersehungen, die nach Beendigung des Kre­ felder   Streiks in mehreren Versammlungen stattfanden, haben sich die Christenführer stets mit größter Entrüstung dagegen verwahrt, daß sie Streitbrecher nach Krefeld   vermittelt hätten. Heute kann und muß man diesen Arbeitervertretern" das Rundschreiben ihrer Zentralstelle um die Ohren schlagen. Die Broschüre zeigt einen großen Haufen stinkenden Mistes, der sich in der Verwaltung der christlichen Zentralstelle aufgehäuft hat. Damit er weggeräumt werden könnte, müßten vor allem die leitenden Personen von der Bildfläche verschwinden. Das halten wir für ausgeschlossen. Wie lange werden aber Arbeiter noch so gekennzeichneten Führern Ge­folgschaft leisten?

"

sk.

Der Deutsche   Holzarbeiterverband, der unter dem Drude der hohen Arbeitslosigkeit im ersten Viertel dieses Jahres einen ge­ringen Rüdgang der Mitgliederzahl aufzuweisen hatte, erzielte im zweiten Viertel wieder einen Zuwachs von 2039 Mitgliedern. Er zählt jetzt 197 396 Mitglieder, darunter 7362 weibliche und 1130 jugendlich e. Mit welcher Schwere die Arbeitslosig keit auf der Holzindustrie lastet, zeigt der Umstand, daß der Ver­band im ersten Halbjahr bereits 1 124 708 Mt. für Arbeitslosen­unterstützung verausgabt hat gegenüber 778 000 Mt. im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bemerkenswert ist, daß zu gleicher Beit die Streifausgaben mit 439 000 Mt. nur um ein Geringes niederer geworden sind. Das Verbandsvermögen beträgt jetzt 7 626 000 m., davon 5 230 000 Mt. in der Hauptkasse; der Rest gehört den Zahl­stellen. Einzelne von diesen haben allerdings in diesem Sommer schon erhebliche Summen zur Hilfe für die Arbeitslosen aufge= wandt.

Genossenschaftliche Rundschau.

fk.

Auf dem diesjährigen Genossenschaftstag des Allgemeinen Verbandes deutscher   Wirtschafts- und Erwerbs­genossenschaften hat man den noch in diesem Verband ge­bliebenen Konsumvereinen wieder einmal recht graulich vor der modernen Konsumvereinsbewegung gemacht, die man dort offenbar mit Unbehagen wachsen und gedeihen sieht. Die Verbandsleitung