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Die Gleichheit

oder Turnverein mit vielem Eifer irgendwelche Spur einer poli­tischen Betätigung entdeden läßt. Flugs ist sie bei der Hand, auf Grund der halsbrecherischsten Logit solche Vereine für politisch zu erklären. Die offenkundigste politische Betätigung der gelben Or ganisation geschieht vor den Augen der nämlichen Gesetzeswächter. Aber in diesem Falle scheint alle sonstige Scharfäugigkeit zum Teufel gegangen zu sein. Wir sind die letzten, die etwa das Ein­schreiten des Büttels verlangen. Jedoch die Rechtsungleichheit, die bei uns in dieser Beziehung zutage tritt, fann nicht oft und scharf genug beleuchtet und gebrandmarkt werden. Das Messen mit zweierlei Maß ist ein Standal, der seine Erklärung nur dadurch findet, daß im Staate der Kapitalisten eine Klassenjustiz herrscht. Die Rechtsgleichheit", die wir haben, enthüllt sich täglich in merkwürdigen neuen Fällen. Noch zittert in allen aufrechten Brole= tariern die Empörung darüber nach, daß der arbeitswillige Mord­bube freigesprochen wurde, der ohne zwingenden Grund einen Streifenden niedergestochen hatte. Und schon trumpft die preußische Justiz mit einem weiteren unglaublichen Urteil auf. Während des 32wöchigen Bauarbeiterstreits in Stolp   in Pommern  war es zu einigen Krawallen gekommen. In der Folge wurde gegen 35 Streifende in 62 Fällen Anflage erhoben. Die Gerichte baben bis teht in 61 Fällen ihren Spruch gefällt. Er ist von blu­tiger Härte. Die Angeklagten wurden insgesamt verurteilt zu 2 Jahren Zuchthaus, 7 Jahren und 11 Monaten Gefängnis, 3 Jahren Ehrverlust und 336 Mt. Geldstrafen. Noch haben wir fein Schutzgesetz für Arbeitswillige, fein Zuchthausgesetz für Strei­kende. Allein wie Figura zeigt, geht es auch so. Der Arbeitswillige wird bei Verbrechen freigesprochen, der Streifende wandert für jedes Kleine Vergehen ins Zuchthaus und Gefängnis. Es kommt also alles, wie es die Kapitalgewaltigen wünschen. Für die Ar­beiter wird das sogenannte gemeine Recht zum gemeinsten Recht: Die Scharfmacher brauchen sich wahrlich nicht die Kehlen heißer zu schreien nach neuen Zuchthausgesehen gegen die Arbeiter. Wor­auf es den Herren und ihrer Klasse dabei ankommt, das besorgt die deutsche Justiz aufs trefflichste. Ihre Mühlen mahlen den kapi­ talistischen   Weizen rasch und trefflich fein.

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burg, Regensburg  , Rostod, Staßfurt  , Steinheim   a. M., Stendal  , Stuttgart  , Tilsit, Trebbin  , Ulm   und Wittenberge  . Den Verträgen in diesen Städten unterstehen nach dem Stande vom Ende des Jahres 1912 insgesamt 828 Betriebe mit etwa 6700 Arbeitern. Der Schiedsspruch ist für die Mitglieder beider Organisationen bindendes Recht. Diese haben daher in den genannten Orten da­von Abstand genommen, am 15. November die Tarife zu kün­digen, wie es andernfalls hätte geschehen müssen. Damit ist die Tauer dieser Tarife allgemein um ein Jahr verlängert worden. Die Verträge sind jedoch allgemein auf örtlicher Grundlage ab­geschlossen. Deshalb mußte die zugesprochene Lohnerhöhung der Eicherheit halber durch einen Nachtrag zum Vertrag festgelegt werden. In den meisten der in Betracht kommenden Orte ist er anstandslos erfolgt. Dagegen glaubten einige wenige Orts­gruppen der Arbeitgeber, sich um die Lohnerhöhung ganz herum drücken oder wenigstens von ihr etwas abhandeln zu können. Der Arbeitgeberschutzverband hat hingegen in seinem Organ offiziell erklärt, daß die Einzelmitglieder und Bezirksverbände an die Bestimmungen des Schiedsspruchs gebunden sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihr Einverständnis hiermit durch Namen3­unterschrift zum Ausdruck bringen oder nicht." Es bleibt abzu­warten, ob nicht trotzdem einige Arbeitgeber versuchen werden, die augenblicklich wenig günstige Wirtschaftslage auszunußen, um einen Sonderprofit zu erpressen. Helfen wird ihnen ein Sträuben freilich nicht. Der Holzarbeiterverband dürfte auch sie veranlassen, jene Bedingungen durchzuführen, die auf der ganzen Linie an fk. erkannt sind.

Aus dem Deutschen Tegtilarbeiterverband. Der Bildung, unserer Mitglieder in fachtechnischen Fragen widmet der Gau 8, Siz Gera, große Aufmerksamkeit. Die Klagen der Textilarbeiter über schlechtes Material sind ständig geworden, während die Fabri­kanten behaupten, diese Klagen seien unverständlich, da stets nach Möglichkeit das beste Material eingekauft werde. Angestellte Unter­suchungen haben.ergeben, daß in vielen Fällen wirklich nur gutes Material zur Verarbeitung gekommen ist, und daß troßdem die #Klagen über schlechte Gespinste berechtigt waren. Der Grund davon kann in diesen Fällen bloß in der Art der Verarbeitung des Roh­materials liegen. Allerdings müssen dabei bestimmte Umstände gewürdigt werden. So die technischen Einrichtungen der einzelnen Abteilungen in den Fabriken, ferner die Tüchtigkeit der Betriebs­leitungen, Werkführer, Meister und Aufseher. Von Einfluß auf die Güte des Produkts ist auch, ob bei der Herstellung genügend viel und geschulte Arbeitskräfte verwendet werden, ob in Afford­oder Zeitlohn geschafft wird, ob neben dem Lohn Prämiensysteme bestehen usw. Die Organisation fann unter keinen Umständen die leichtfertige Ausführung von Arbeiten in Schuh nehmen. Das um so weniger, als in der Textilindustrie eine Abteilung von der an­deren abhängig ist. Die Arbeiter in den Spinnereiabteilungen haben oftmuls gar keine Ahnung davon, welche Schwierigkeiten den Webern entstehen, wenn bei dem Arbeitsprozeß der Spinnerei irgendetwas versehen worden ist. In den Kammgarnwebereien ist beim Verarbeiten ein und dieselbe Garnnummer nicht gleichwertig, wenn sie aus verschiedenen Spinnereien bezogen wurde, obwohl es sich um ein und dasselbe Rohmaterial handelt. Der Grund dafür fann nur in den technischen Einrichtungen der Spinnereien liegen. In Betracht kommen des weiteren die Bestrebungen, immer neue Materialien als Erfaz für bisherige einzuführen! So in der Teppichweberei, wo man die größten Anstrengungen macht, das be­währte Jutegespinst durch Papiergarn zu ersetzen. Für die Ar­beiterschaft ist es natürlich von großer Wichtigkeit, über die ein­schlägigen fachtechnischen Fragen unterrichtet zu sein. Deshalb hat der Gau 8 kürzlich mehrere Vorträge über die Herstellung der Jute­und Kammgarne   veranstaltet, die von Webern und Weberinnen mit gespanntem Interesse verfolgt wurden. Die Zuhörer erhielten einen Einblick in den Produktionsprozeß der Spinnereien, sie er­fuhren aber auch, wie ein gutes Erzeugnis der Spinnerei be­schaffen sein muß. Durch solche Kenntnisse werden die Weber und Weberinnen in den Stand gesezt, fehlerhafte Spinnprodukte zu­rüdzuweisen oder mindestens für ihre Verarbeitung entsprechende Buschläge zu verlangen. Ebenso würde es sich empfehlen, daß er fahrene Weber die Spinner in Vorträgen über die Ansprüche auf flärten, die beim Weben an gutes Kett- oder Schußmaterial ge stellt werden müssen. Die Bestrebungen der Gauleitung sind nach ahmenswert, die Arbeiter der verschiedenen Zweige der Textilindu­strie mit den fachtechnischen Kenntnissen auszurüften, die guter Arbeit dienen. Solche Kenntnisse führen zu besseren Arbeitslei­stungen. Den organisierten Textilarbeiterinnen sei der Besuch dieser Vorträge angelegentlich empfohlen. Auch im wirtschaftlichen Leben gilt das Wort: Wissen ist Macht.

Verlängerung der Tarifverträge in der Holzindustrie. Zum erstenmal seit dem Bestehen der großen Tarifvertragsgruppen in der deutschen   Holzindustrie kommt es diesmal vor, daß die Gel­tungsdauer für eine solche Tarifgruppe als Ganzes verlängert wird. In diesem Beruf arbeiten heute rund 150 000 Personen unter Tarifverträgen. Das Verhältnis zu der größten Arbeit­geberorganisation, dem Arbeitgeberschutzverband für das deutsche, Holzgewerbe, ist bekanntlich derart geregelt, daß alle Jahre im Februar ein Teil der Verträge zum Ablauf gebracht werden kann. Da der einzelne Tarifvertrag eine vierjährige Geltungsdauer hat, kommt er in der Regel auch in vierjährigen Intervallen zur Er­neuerung. Die Kündigung hat jeweils um Mitte November des vorhergehenden Jahres zu geschehen, so daß in den Wintermonaten die notwendigen Verhandlungen erfolgen können. Die Praxis hat allerdings gezeigt, daß ernsthafte Beratungen mit den Arbeit­gebern erst mit dem Näherrücken des Ablauftermins möglich wer­den. Die vier Tarifgruppen waren in ihrem Umfang recht unter­schiedlich. In diesem Frühjahr stand die größte aller Gruppen mit 52 Orten und 50 000 beteiligten Arbeitern zur Erneuerung. Die Verhandlungen ließen eine Anzahl Streitfragen ungelöst, die durch einen Schiedsspruch entschieden werden mußten, den die Parteien in die Hände des bekannten Sozialpolitikers Freiherrn  v. Berlepsch legten. Dieser Schiedsspruch wurde nach ein­gehender Beratung mit den Unterhändlern beider Parteien ge­fällt und brachte in das Tarifamt des Holzgewerbes eine Neue­rung. Die bisherigen vier verschiedenen Vertragsgruppen wur­den zu zweien zusammengelegt mit dem Ziele, diese möglichst gleich stark zu halten. Zu diesem Zwecke bleibt die große Gruppe unberührt, deren Tarifverträge 1913 mit dem Ablauftermin 1917 abgeschloffen wurden. Dagegen ist eine gleichzeitige Erneuerung für die kleinen Gruppen vorgesehen, für die die Tarifverträge 1914, 1915 und 1916 ablaufen. Die neuen Verträge für sie sollen einheitlich bis 1919 gelten. Als Entschädigung für die einjährige Verlängerung der Verträge wurde für alle der Gruppe 1914 an­gehörigen Arbeiter bom 15. Februar 1914 an eine Lohnerhöhung vorgesehen, die bei Zeitlohn 2 Pf. die Stunde beträgt und bei Affordpreisen entsprechend ist. Wie die Holzarbeiter- Zeitung" berichtet, kommen hierfür die Arbeiter dieser Orte in Frage: Altenburg  , Angermünde  , Augsburg  , Bayreuth  , Dessau  , Eisenberg  , Gera  , Göppingen  , Greiz  , Ingolstadt  , Kaiserslautern  , Königsberg  , Landsberg an der Warthe  , Lassan  , Lübben  , Marbach  , Meißen  , Mellenbach  , Mühlhausen   i. Th.  , Naumburg  , Plauen  , Quedlin­

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