Nr. 14
Die Gleichheit
bisher 66 Pf. auf 53 Pf., also um 13 Pf. herabsetzt. Die Differenz zwischen niedrigstem und höchstem Tariflohn, die bisher 5 Pf. betrug, wurde auf 20 Pf. erweitert. Affordarbeit, die bisher nicht zulässig war, wird eingeführt. Außerdem ist ein Arbeitspensum festgesetzt, das zum Teil geradezu unsinnige Anforderungen an die Arbeiter stellt. Und das Ganze schimpft sich Vertretung von Arbeiterinteressen.
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Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Die Februarzählung ergab insgesamt 2184 Arbeitslose, darunter 642 weibliche, im Vormonat waren es 2726 und im Februar des Vorjahrs 1194. Am Stichtag wurden als auf der Reise befindlich 155 Arbeitslose gemeldet, darunter 9 weibliche, im Vormonat waren es 132, im Februar des Vorjahrs 122. Die Februarzählung ergab 83 350 männliche, 53 504 weibliche, zusammen 136 854 Mitglieder. Von der Zählung wurden 99,2 Prozent der Mitglieder erfaßt.
sk.
Zum Streik der heimarbeitenden Schirmuäherinnen in Aurillac ( Frankreich ). Vor ungefähr einem Monat traten in Aurillac 70 Arbeiterinnen der Schirmindustrie in den Ausstand, obschon sie noch völlig unorganisiert waren. Die Veranlassung dazu gab eine fünfzigprozentige Lohnverkürzung zu einer Zeit, in der die Arbeiterinnen planten, ihre wirtschaftliche Lage durch eine Erhöhung der Löhne zu verbessern. Diese Bewegung war vor allem dadurch bemerkenswert, daß es sich um Frauen der ausgebeutetsten Arbeiterschicht handelt, um Heimarbeiterinnen. Der Kampf fand die größte Sympathien der Arbeiterbevölkerung von Aurillac . Die übrigen Schirmnäherinnen schlossen sich ihren Berufsgenossinnen im Kampfe an, und die Streifenden erhielten materielle Unterstützungen. Am vierzehnten Tage des Streiks war die Zahl der ausständigen Arbeiterinnen von 70 auf 400 gestiegen, die einstimmig die Weiterführung des Kampfes beschlossen. Die erste allgemeine Versamm lung der Schirmnäherinnen, die in der Arbeitsbörse stattfand, brachte die klar formulierten Forderungen der Streifenden. In der zur Annahme gelangten Resolution wurde festgestellt,„ daß die Unternehmer ursprünglich selbst die Aufstellung eines Einheitstarifs für die ganze Schirmindustrie in Aurillac forderten, während sie jetzt eine Durchführung zu verhindern suchten. Und das obschon ein Lohntarif sowohl für die Unternehmer von Vorteil wäre indem er sie vor Stonkurrenten schützt, die auf die niedrigsten Löhne spekulieren wie für die Arbeiterinnen, denen er einen Mindestlohn sichern würde." Der Sekretär des Syndikats der Konfektionsarbeiter hat eine Enquete über die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Schirmnäherinnen veranstaltet, der wir folgendes entnehmen: 400 bis 500 Arbeiterinnen werden in der schon seit undenklichen Zeiten in Aurillac bestehenden Schirmindustrie beschäftigt, und zwar fast alle als Heimarbeiterinnen. Wie bei aller Heimarbeit ist der Verdienst sehr niedrig. Bei Durchsicht der Lohnbücher wurde festgestellt, daß der jährliche Durchschnittsverdienst 400 bis 500 Franken( 320 bis 400 Mt.) beträgt. Für ihre Arbeit bedarf die Arbeiterin einer Nähmaschine im Werte von 260 bis 270 Franken, die sie sich auf ihre eigene Kosten anschaffen muß, und mit der sie 10 bis 12 Jahre schaffen fann. Wenn man zu dem Kaufpreis der Maschine noch die Ausgaben für Ol, Nadeln, Reparaturen usw. rechnet, so kann man für die be= treffenden Unkosten 40 Franken( 32 Mt.) jährlich vom Verdierst abziehen. Der Schirmnäherin bleibt also ein Einkommen von 360 bis 460 Franken( 285 bis 370 Mt.) jährlich. Es handelt sich dabei nicht um Arbeiterinnen, die durch ihren Arbeitsverdienst einen Zuschuß zum Haushaltbudget leisten, sondern um arme Frauen, die keinerlei anderen Verdienst haben und von diesem ihrem einzigen Einkommen ihre Kinder, oft 3 bis 4, ernähren müssen. Alle von mir befragten Arbeiterinnen haben mir gleichlautende Auskünfte gegeben, daß sie in der Hochsaison( besonders der für Regenschirme) eine Durchschnittsarbeitszeit von 14 Stunden haben, die jedoch oft auf 17 bis 18 Stunden im Tag steigt. Während 6 Monaten im Jahr arbeiten sie auch Sonntags. Nehme ich eine sehr mäßige Arbeitszeit von 12 Stunden und einen Stundenlohn von 10 Centimes( 8 Pf.) an, so verdient nach dieser Berechnung eine Monteuse( Aufnäherin) pro Tag 1,20 Franken( 1 Mt.). Dieser Stundenlohn von 10 Centimes fann aber nur bei sehr angestrengter Arbeitsleistung erreicht werden. Die Löhne sind schon seit 30 Jahren dieselben."
Die in dieser Enquete mitgeteilten Tatsachen lassen erkennen, wie berechtigt die Lohnbewegung der Arbeiterinnen war. Die Kampfes= energie dieser Streifenden werde erfreulicherweise durch die außer gewöhnliche Solidarität in den eigenen Reihen erheblich gestärkt. Nur zwei Streifbrüche waren in 4 Wochen zu verzeichnen. Die Unternehmer, die zuerst jede Verhandlung schroff abgelehnt hatten, mußten sich schließlich dazu verstehen mit den Delegierten der Streifenden vor den Präfekten zu gehen, der seine Vermittlung anbot. Die Verhandlungen wurden vor einem Schiedsgericht geführt, das aus drei
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Personen bestand, einer Arbeiterin, einem Unternehmer und dem als unparteiischen Dritten bezeichneten Präfekten. Die Herren Unternehmer waren gezwungen, ihren Widerstand aufzugeben und einen allgemeinen Tarif anzunehmen, der eine 30 bis 35prozentige Lohnerhöhung für alle Artikel bringt. Abgesehen von dem bemerkenswerten materiellen Erfolg, hat der Streik eine vollständige Umwälzung der moralischen Stimmung der Arbeiterinnen bewirkt, die über die Kreise der Schirmnäherinnen hinausgegriffen hat. Dank diesem Umschwung wurde zunächst eine Gewerkschaft der Schirmnäherinnen gegründet, und die in der Militärkonfektion von Aurillac beschäftigten Arbeiterinnen, ebenso wie die Weißnäherinnen, sind diesem guten Beispiel gefolgt.
Genossenschaftliche Rundschau.
W. Gr.
Die moderne Konsumvereinsbewegung hat im Jahre 1913 nicht nur gute Fortschritte gemacht, die sich durch Zahlen ausdrücken lassen, sie hat auch an innerer Festigung gewonnen. Maßgebend für die Beurteilung der Bewegung ist der Zentralverband deutscher Konsumvereine, und dessen kräftige Entwicklung macht den Mittelständlern große Sorge. Ein großer Teil der bürgerlichen Presse jammert angesichts der Zahlen, die sich aus den Geschäftsabschlüssen einiger großer Konsumvereine, zum Beispiel der Ber liner Konsumgenossenschaft, ergeben. Warum dieses Gejammer über eine sozial so erfreuliche Tatsache? Denn die Konsumvereine sind doch geradezu die Genossenschaften der Unbemittelten, die mit geringerem Einkommen zu rechnen haben und das Meiste ihres Verdienstes für die täglichen Lebensbedürfnisse auszugeben gezwungen sind. Diese Bedürfnisse befriedigt aber zum größten Teil der Konsumverein, und zwar in der vorteilhaftesten Weise. Unsere Mittelstandsretter erklären aber die sozial wertvollen Fortschritte der Konsumvereine lediglich für eine mittelstandsfeindliche, den Mittelstand untergrabende" Erscheinung, die natürlich der Sozialdemokratie auf das Konto zu sehen ist. Daß der in Frage kommende sogenannte Mittelstand, dem die Konsumvereine im Wege sind, nur einen verschwindenden Bruchteil des Volkes bildet, während die Konsumvereine den breiten Massen nüßen, schert jene edlen Volksfreunde weiter nicht. Sie sehen vielmehr nach wie vor Himmel und Hölle in Bewegung, um den Arbeitergenossenschaften so viel wie möglich Schwierigkeiten zu schaffen. Daß sie bei den Massen selbst meist das gerade Gegenteil von dem erreichen, was sie wollen, sehen sie ebenfalls nicht ein. Denn es ist unbestreitbar, daß der ungeheure Aufschwung und die beispiellos schnelle Entwicklung der deutschen Arbeiterkonsumvereine in den letzten zehn Jahren zum Teil mit auf die feindlichen Bestrebungen der Mittelstandsretter zurückzuführen sind. Durch deren gehässige Anstrengungen sind weite Kreise der Arbeiter aufge= rüttelt worden, die bis dahin den Genossenschaften ziemlich gleichgültig gegenüberstanden.
Die Mittelständler werden sich vielleicht darüber freuen, daß die Zahl der Vereine des Zentralverbandes von 1157 auf 1155 zurückging. Diese Freude wäre jedoch sehr verfehlt. Denn die Zahl der Vereins mitglieder stieg von 1483 811 auf 1620 694! Wir können mit einem Rückgang", der in einer Vermehrung der Mitglieder um 137 000 zum Ausdruck kommt, sehr zufrieden sein. Die Verringerung der Zahl der Vereine ist aber ebenfalls eine nur erfreuliche Tatsache für diese selbst. Sie ist nämlich darauf zurückzuführen, daß sich fleinere Vereine großen angeschlossen oder zu großen verschmolzen haben. Darin liegt eben die Festigung und wachsende Leistungsfähigkeit der Konsumvereinsbewegung. Es ist dies eine Entwicklung, die planmäßig herbeigeführt ist und von der man nur wünschen kann, daß sie weiter anhält. Der Gesamtumfaß der Vereine stieg auf rund 505 Millionen Mark. Das sind etwa 50 Millionen Mark mehr als im Vorjahr oder eine Steigerung von 10 Prozent. Der Wert der Eigenproduktion der dem Zentralverband angehörenden Vereine stieg von 84 auf 99 Millionen Mark. Auch der Umsatz der Großeinkaufsgesellschaft in Hamburg steigerte sich wesentlich; er betrug 1912 rund 136 Millionen, 1913 aber 154 Millionen Mark. über ihre Eigenproduktion entnehmen wir der„ Konsumgenossenschaftlichen Rundschau" folgendes:„ Der Konsum in Zigarren und Tabaffabrikaten gehört bekanntlich zu denen, die in schlechten Zeiten zuerst eingeschränkt zu werden pflegen, namentlich in den Kreisen, die die Hauptabnehmer in den Konsumvereinen stellen. Es ist ein ehrendes Zeugnis für die Betriebe der Großeinkaufsgesellschaft, daß sie gleichwohl rüstig vorwärtsschritten. Der Gesamtumsatz der Abteilung Zigarrenfabriken und Tabakfabrikate betrug 1913 3 980 327 Mt., 1912 3 365 658 Mt. Auch die Seifenfabrik in Gröba beweist in ihrer Entwicklung, daß ihre