246

Die Gleichheit

er verlief trotz der dabei aufgeführten Barrikaden höchst harmlos, um den Belagerungszustand über die Stadt zu verhängen, die Bürgerwehr aufzulösen, alle Vereine zu poli­tischen und sozialen Zwecken aufzuheben, alle Versammlungen zu verbieten und ebenso das Erscheinen der Neuen Rhei­ nischen Zeitung  ", der Neuen Kölnischen Zeitung", der Zei­tung des Arbeitervereins" und des Wächters am Rhein  ". Zugleich wurden einige der demokratischen Führer verhaftet, darunter Friedrich Anneke  .

Am 26. September war die Verhängung des Belagerungs­zustandes und das Verbot der Zeitungen erfolgt, am 27. Sep­tember erschien im bisherigen Verlag und genau im Format der Neuen Kölnischen Zeitung" ein neues Blatt, die Frauenzeitung", als deren Herausgeberin Mathilde Franziska Anneke   zeichnete, Friedrich Annekes tapferes Weib. Sie kündete in der ersten Nummer das Verbot der ,, Neuen Kölnischen Zeitung" und als Ersatz dafür das Er­scheinen der Frauenzeitung" an. Am Schlusse der Ankündi­gung hieß es: ,, Begnügt euch mit ihr( der Frauenzeitung"), solange es geht. Ich prophezeie ihr auch kein langes Leben. Aber das schadet nichts. Trete ich wieder ab von dem öffent­lichen Schauplatz, auf den mich die Not herausgefordert hat, in meinen stillen häuslichen Kreis, dann ersteht sicher wieder mit weit sicherer Kraft die Neue Kölnische Zeitung". Diese Prophezeiung sollte sich bewahrheiten. Der Handstreich der Kölner   Kommandantur rief in der preußischen Nationalver­sammlung heftige Debatten hervor, und die Regierung hielt es für ratsam, die Gewaltmaßregel rückgängig zu machen. Schon im Anfang Oktober konnten die unterdrückten Blätter wieder erscheinen, darunter auch die Neue Kölnische Zei­tung", und die Frauenzeitung" trat, wie ihre Herausgeberin erklärt hatte, wieder vom Schauplatz ab.

über die paar Nummern, die ihr kurzes Dasein bilden, läßt sich nicht viel sagen. Von den Frauen, ihren Interessen, ihren Forderungen und Wünschen ist darin faum die Rede, war doch auch der Zweck des Blattes nicht, der Frauenfrage zu dienen, sondern über die Lücke im Erscheinen der Neuen Kölnischen Zeitung" hinwegzuhelfen. Immerhin findet sich in den paar Nummern der Frauenzeitung" mancher inter­essante Artikel, der auch für die Frauen, und zwar auch für die Frauen der Gegenwart Bedeutung hat. Ein solcher leitet die erste Nummer des Blattes ein; er handelt über eine Frage, die damals wie heute noch die Gemüter des Volkes bewegt, über Kirche und Schule". Der Artikel ist klar und frisch geschrieben, im munteren Plauderton, dabei in den Gründen sicher und schlagend. Den Lesern der Gleich­heit" wird es lieb sein, wenn wir den Artikel vollständig wiedergeben, nur im letzten Absatz ist eine kleine nebensäch­liche Stelle gestrichen.

Kirche und Schule.

a. e.

Vor vielen hundert Jahren waren die Geistlichen, besonders die Mönche in den Klöstern, die einzigen Menschen, welche lesen und schreiben konnten und von anderen gelehrten Sachen was verstanden. Wer dazumal also was lernen wollte, mußte bei den Geistlichen in die Schule gehen.' s gab auch in der Zeit keine anderen Schulen als in den Klöstern und feine anderen Lehrer als die Geistlichen. Mit der Zeit ist das Ding aber ganz anders geworden. Die ganze Welt wurde immer flüger und lernte immer mehr, die Mönche aber kamen mit ihrer Gelehrsamkeit nicht weiter,' s waren oft die dümmsten Teufel in so einem Kloster. Die Klöster hörten nach und nach auf, weil die Menschen immer mehr zu der Einsicht kamen, daß die Mönche und Nonnen doch eigentlich bloß müßiges Gesindel wären, die auf anderer Leute Roften lebten. Deshalb wurden andere Schulen angelegt, besonders in den Städten. Die Geistlichen wollten sich aber wenigstens die Aufsicht über die Schulen nicht nehmen lassen, und die Bürger ließen sich das auch gefallen, daß die Geistlichkeit diese Auf­sicht behielt, einesteils aus alter Gewohnheit, andernteils,

Nr. 16

weil die Geistlichkeit ihnen vorredete, wenn sie nicht die Auf­sicht behielten über die Schulen, so ginge das Seelenheil der Kinder zugrunde und die Kinder würden alle Teufelsbraten werden. So ist die Sache nun geblieben bis auf den heutigen Tag.

Alle aufgeklärten Menschen sind aber jetzt zu der Einsicht gekommen, daß die Schule von der Kirche getrennt werden muß, das heißt, daß die Geistlichkeit die Aufsicht über die Schulen nicht mehr länger behalten darf, weil's erstlich nicht ihre Sache ist, fürs zweite aber dem Unterricht viel Schaden tut. Daß es nicht ihre Sache ist, ist ganz klar.' s kommt mir gerade so vor, wenn die Geistlichen die Schulen beaufsichtigen wollen, als wenn ein Schuster eine Schneiderwerkstatt, oder als wenn ein Offizier die Kirche beaufsichtigen wollte. Nun jagen aber die Geistlichen: Der Unterricht muß ein frommer, christlicher sein; die Herzen der Jugend müssen schon früh in der Furcht Gottes erzogen werden, und darum müssen wir die Aufsicht über die Schule führen." Das wollen wir doch mal sehen, ob das so wohl recht ist. Was lernen die Kinder in der Schule? Zuerst das Abe, dann Buchstabieren, dann Lesen, Schreiben, Nechnen usw. Gut. Gibt's denn aber ein frommes christliches Abc oder ein frommes, christliches Buch­stabieren, Lesen, Schreiben und Rechnen? Gott   bewahre, das ist für alle Menschen egal, ob sie nun Christen, Juden, Türken oder Heiden sind, wenn sie nur ein und dieselbe Sprache sprechen. Also damit können die Geistlichen nicht durchkom­men. Ja, Religionsunterricht, Beten, Messe hören", werden sie sagen. Und ich sage euch: Da liegt eben der Hase im Pfeffer; das ist gerad das allergrößte Unglück für den ganzen Unterricht, daß die Kinder viel zu früh mit Dingen behelligt werden, wo sie nichts davon verstehen und nichts verstehen können, daß sie komplett ab gerichtet werden wie die Hunde, daß sie geradezu dumm und zu Lügnern und Heuchlern gemacht werden. Nu! nu! schimpft nur nicht auf mich und fallt nicht gleich über mich her und steinigt mich nicht, ihr Frommen alle, die ihr denkt, ich lästerte eure Re­ligion und wollte sie in Gefahr bringen. Ihr seid doch alle Menschen, die Verstand zum überlegen im Kopfe haben; also hört mich auch ruhig an und gebraucht euren Verstand, iaj will euch alles beweisen. Ich schwäß euch nicht bloß was vor und sag euch: Ihr müßt mir's glauben; nein, ich such's euch alles klar zu machen und zu beweisen. Und wenn das in euren Verstand nicht paßt, dann braucht ihr's ja nicht anzunehmen, oder ihr könnt mit eurem Verstand gegen meinen ankommen, und dann können wir mal sehen, welcher oben drauf bleibt.

Also mal los. Ihr wißt doch, daß uns so vieles erzählt wird in der Religion, was faum ein erwachsener Mensch begreifen kann, viel weniger ein Kind mit seinem schwachen Verstand. So' n kleiner Kinderverstand aber, der muß gerade wie der Leib des Kindes viel sorgfältiger behandelt werden als der von erwachsenen Menschen. Erzählt man den Kindern nun was daher, das sie nicht begreifen können, dann werden sie entweder ganz verwirrt und dumm oder sie lassen's zu einem Ohr hereingehen und zum anderen wieder heraus und plap­pern's bloß mit der Zunge nach, wenn sie's mit Gewalt lernen müssen. Das ist aber ein schlimm Ding, wenn der kleine Ver­stand so früh verwirrt gemacht wird, oder wenn man die Kin­der ans bloße Nachplappern gewöhnt; da kann aus ihrem Verstand niemals viel werden. So' n verworrener Verstand, der wird so leicht nicht wieder gerade, und wer nicht schon früh an ordentliches Nachdenken gewöhnt ist, der lernt's später sehr schwer. Was die Kinder nicht verstehen können und bloß so nachplappern müssen, das macht ihnen auch keine Freude; dabei haben sie Langeweile und werden nachlässig und unaufmerksam. Weil sie aber Prügel friegen oder knien müssen oder sonst bestraft werden, wenn der Lehrer oder der Geistliche das sieht, so fangen sie schon früh an, ihm Wind vorzumachen, ihn zu belügen und zu betrügen. Das ist aber sehr schlimm; da wird der ganze Charakter verdorben, und wenn nicht gute Beispiele zu Hause oder späteres Nachdenken die Kinder wieder besser macht, werden Taugenichtse daraus.