Nr. 9

Die Gleichheit

ihr viele Hände entgegen, um ihr zu danken. Der Appell an das Selbstbewußtein der Hausangestellten wird sicherlich die stärkste trei­bende Kraft zur Erfüllung sozialer Pflichten sein.

Für den Frieden.

1. z.

Eine tiefwirkende Friebend- Frauenversammlung in Zürich  hat in der Weihnachtszeit in der St. Jakobskirche statt­gefunden. Sie war von den Sozialistinnen veranstaltet worden, die im Dezember in größeren und kleineren Orten der Schweiz  eine lebhafte Propaganda für den Frieden entfalteten, dabei wirk­fam unterstüßt von dem Organ des Schweizerischen Arbeiterinnen­verbandes, der Vorlämpferin", wie auch von den Genossen. Noch nie hat in Zürich   eine Versammlung so viel Frauen und Mädchen ausammen gesehen wie die Friedensfundgebung. In Scharen waren sie herbeigeströmt, aber auch viele Männer nahmen an der Ver­anstaltung teil. Von der Kanzel herab geißelten drei sozialistische Redner in schärfster Weise den Weltkrieg und gaben der Friedens­jehnsucht des arbeitenden Volkes Ausdruck.

Die Kundgebung wurde stimmungsvoll durch einen Orgelvortrag und ein Lied des Grütlimännerchors eingeleitet. Dann zeigte Ge­noffin Dr. Brüstlein auf, daß die internationale kapitalistische Entwicklung die furchtbare Tragödie des gegenwärtigen Völker­fampfes heraufbeschworen habe. Eindringlich warnte die Nednerin vor der Illusion, als ob der Weltkrieg ein goldenes Zeitalter so­zialer Reformen und Freiheiten im Gefolge haben werde. Ihre Ausführungen flangen in der Überzeugung aus, daß nur die Ver­wirklichung des Rufes: Proletarier aller Länder vereinigt euch!" die Menschheit von dem lastenden Fluche der Kriege erlösen und Raum schaffen fönne für einen wirklich kulturbringenden Frieden. Nun gab Genosse Greulichs zündende Beredsamkeit der grund­fäßlichen Gegnerschaft gegen den Krieg und dem Friedenswillen Ausdruck. Die Schweizer   Frauen", so rief er aus, müssen als erste ihre Stimmen für die Beendigung des entseglichen Blutver gießens erheben. Die großartige Beteiligung an der Versammlung beweist, daß die Frauen Zürichs dazu entschlossen sind. Die Frauen in anderen Schweizerstädten werden folgen, dann die in anderen neutralen Ländern. Immer gewaltiger wird der Schrei der Frauen nach Frieden werden, bis er auch unter ihren Schwestern der krieg­führenden Nationen ein lautes Echo findet, das bis in die Schützen­gräben dringt und Erhörung findet. Die Losung muß sein: Freiheit und Friede." Die dritte Rede hielt Genossin üni, die von der Mutterliebe sprach, der vom Weltkrieg die schmerzhaftesten Wunden geschlagen werden. Doch die Qualen und Schrecken der Greignisse machen die Frauen sehend, sie erkennen das kapitalistische Welten­getriebe. Genossin Hüni hob hervor, daß die Friedenswünsche der Frauen zum Kampfe für die Grringung des Wahlrechts anspornen. Der Aufbau einer neuen, besseren Welt müsse das Werk beider Ge­schlechter sein, und diese Welt werde mit der Befreiung der Arbeit der ganzen Menschheit den ewigen Frieden bringen.

Es gelangte eine Resolution zur Annahme, die wir wegen ihrer sozialistischen Brandmarkung des Krieges leider nicht im vollen Wortlaut wiedergeben dürfen. Es heißt darin unter anderem:

Wir Frauen und Mütter protestieren gegen die kulturwidrige Bernichtung von höchsten Lebenswerten. Wir verlangen den Frieden! Der Krieg ist im Zeitalter des Imperialismus, der Machtaus­dehnung europäischer Großstaaten über Länder und Völker jen seits der Meere die furchtbarste Geißel der Menschheit. Furchtbarer ale früher durch die grausige Maschinentechnik zur Zerstörung von Menschen und Gütern. Wir Frauen und Mütter protestieren gegen das gewaltsame Niederringen europäischer und fremder Staaten. Wir wollen den friedlichen Wettbewerb und Aufstieg aller Nationen. ... Die Schrecken des Krieges schlagen uns, den Trägerinnen der Geschlechter, die schmerzlichsten Wunden. Ob wir Schweizerinnen im neutralen Lande von den Kriegsereignissen auch direkt nicht ge= troffen find, so fühlen wir doch mit euch, Schwestern, in den krieg­führenden Ländern die ganze Schwere eures unermeßlichen Leibes. Und wie in euren zum Schweigen gezwungenen Dulderherzen steigt auch in uns der Protest empor, und laut erheben wir für euch, die um ihre Lieben trauernden Witwen, Waisen und Verlassenen unfere Stimme.... Männer und Frauen des Proletariats, schart euch zusammen! Ihr Millionen, die ihr den Weltkrieg nicht zu hindern vermochtet, gebietet ein Halt.... Die Frauen und die Bölfer wollen den Frieden!" Mit Gesang und Orgelspiel voll Weihe endete die Stundgebung, die bei den Teilnehmern einen unvergeß­lichen Eindruck Hinterlassen und ihnen die Kräfte für das Friedens­werk befeuert hat.

p.

Für den baldigen Frieden und die strenge Neutralität der Vereinigten Staaten   hat sich die Konferenz deutscher Sozia­

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listinnen von Groß- New York   ausgesprochen, die am 11. Oktober abgehalten worden ist. Zur Annahme gelangten zwei Resolutionen, von denen die eine sich vom sozialistischen   Standpunkt aus gegen den Krieg wendet. Es ist uns deshalb leider nicht möglich, sie im vollen Wortlaut wiederzugeben. Nach den einleitenden grundfäß­lichen Darlegungen heißt es unter anderem:

ます

Mitfühlend mit den Frauen, Müttern und Schwestern der im Felde stehenden Proletarier protestiert die heutige Stenferenz der deutschen   sozialistischen   Frauen gegen das brutale Völkerringen und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß im Interesse der Zivilisation und Menschlichkeit dasselbe eine baldige Beendigung findet, weil nur in Frieden lebende Völker imstande sind, einen wirksamen Kampf gegen die Ausbeutung zu führen."...

Die zweite Resolution lautet:

" Die sozialistisch organisierten Frauen von Groß- New York  , qu einer Konferenz bersammelt ,. protestieren gegen das Verhalten der Regierung der Vereinigten Staaten   in bezug auf Ausfuhr von Lebensmitteln, Waffen und Munition für die in Europa   krieg führenden Mächte, indem dadurch der Krieg in die Länge gezogen wird und dieses zu der Neutralitätserklärung der Vereinigten Staaten   im schärfsten Widerspruch steht.

Wir verlangen deshalb die Aufhebung dieser Scheinneutralität und fordern den Präsidenten auf, wahre Neutralität zu üben und hierdurch die Beendigung dieses völkervernichtenden Strieges zu be­schleunigen."

Die lettere Resolution ist dem Präsidenten der Vereinigten Staaten  , Wilson, zugestellt worden.

f. r.

Friedenskundgebungen in Schweden  . Der Friedensgedanke wurde in Schweden   wirksam durch ein großes Meeting in Stod holm propagiert, bei dem Ellen Key   über Serieg, Frieden und die Zukunft" sprach. Der Erfolg der Veranstaltung war so groß, daß noch zwei weitere Meetings stattfinden mußten, in denen die berühmte Schriftstellerin ihre Rede wiederholte. Die Versammlungen gingen von der Schwedischen Friedensvereinigung" aus.

Ein internationales Friedens- Frauenmeeting zu Bern   suchen die deutschen   Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg   und Lida Gustava Heymann   vorzubereiten. Sie hoffen, daß ihre Absicht von den Frauen aller Länder mit Sympathie und Tatkraft unterstügt wird.

Frauenstimmrecht.

Sieg des Frauenwahlrechts in zwei Staaten der nord­ amerikanischen   Union  . Während in Europa   der Krieg die Frauen bestimmt, ihre Kräfte zur Milderung von Not und Jammer ein­zusehen, wird in den Vereinigten Staaten   die Frauenwahlrechts­bewegung energisch weitergeführt. Stürzlich hat sie in den Staaten Nevada   und Montana   den heiß ersehnten Erfolg errungen. Hier erhielten die Frauen mit dem aktiven und passiven Wahlrecht zu den gesetzgebenden Körperschaften ihre volle politische Gleich­berechtigung. Die Frauen der großen nordamerikanischen   Union  besitzen nun in den folgenden elf Staaten unbeschränktes Bürger­recht: Wyoming   1869; Idaho   und Utah   1896; Washington 1910; Kalifornien   1911; Oregon  , Arizona   und Kansas   1912; Alaska   1913; Nevada   und Montana 1914. Ihnen kann um das Dubend voll­zumachen Illinois   hinzugefügt werden, wo die Frauen 1913 ein etwas beschränktes Wahlrecht erhalten haben, dessen baldige Re­form zum unbeschränkten politischen Wahlrecht von den Gesetz­gebern bereits vorgesehen ist.

Gebrauch des Wahlrechts durch die Frauen. Als besonderer Trumpf gegen die politische Gleichberechtigung des weiblichen Ge­schlechts wird bekanntlich gern die Behauptung ausgespielt, die Frauen wollten das Wahlrecht nicht, und nur wenige würden es benutzen. Sie ist wieder einmal durch Tatsachen widerlegt worden. Bei Wahlen, die im Juni lezten Jahres in Chicago   stattgefunden haben, sind 71 Prozent der männlichen und 77 Prozent der weib­lichen Wahlberechtigten zur Urne gegangen.

Das internationale Zusammenarbeiten der Frauenstimm rechtsorganisationen ist durch den Weltkrieg äußerlich sehr er­schwert, aber innerlich nicht zerstört worden. Die im Weltbund für Frauenstimmrecht" zusammengefaßten nationalen Vereini gungen bemühen sich, die verbindenden Fäden nicht reißen zu lassen, die Bande geistiger Zusammengehörigkeit zu festigen. Der für 1915 nach Berlin   einberufene Stongreß fann nicht stattfinden. Die hol­ländischen Frauenstimmurechtlerinnen schlagen vor, daß statt seiner in einem neutralen Staat eine Zusammenkunft organisiert wird, die Fragen geschäftlicher Natur regelt.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Sundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bel Stuttgart  .

Druck und Verlag von J. H. W. Dieß Nachf. G.m.b.6. in Stuttgart  .