Nr. 18
Die Gleichheit
Das Referat über„ Beruf und Mutterschaft" erstattete Fräulein Müller- Hannover . Sie legte Gewicht darauf, daß die Lebensnot nicht allein viele Kriegerwilwen zur Berufsarbeit drängen werde, sondern der Wille, im Beruf einen festen, ernsten Lebensinhalt zu gewinnen. Dieser Wille werde den Beruf adeln, die Arbeitsleistung heben. Den Frauen müßten Berufe erschlossen werden, die die Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten und das Verbleiben in der alten sozialen Schicht ermöglichen. Die Berufstätigkeit der Frauen kann zu Kollisionen mit den Mutterpflichten führen. Die Aufrechterhaltung des Familienlebens ist aus sittlichen und nationalen Gründen zu fördern, daraus folgt Ablehnung aller auf Verstaatlichung der Kindererziehung und der Wirtschaftsführung gehenden Bestrebungen". Wirtschaftliche Maßnahmen müssen es der Frau crleichtern, trotz der Berufsarbeit das Familienleben aufrechtzuerhalten. Die Vortragende forderte zu diesem Zweck: gründliche Hauswirtschaftliche und gewerbliche Ausbildung, Entlohnung der Leistungen, Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung, namentlich Herabfeßung und Regelung der Arbeitszeit der Frauen, Ausbau der Kinderfürsorge, Schaffung innerhäuslicher Berufe.
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Die Diskussion freiste zum großen Teil um die Frage der Berufsarbeit und Mutterschaft. Die Meinung kam zum Ausdruck, daß die Hausmutter große nationale, sittliche und wirtschaftliche Werte schaffen, sparen und erhalten könne. Deshalb fei für Frauen mit mehreren schulpflichtigen Kindern der Mutter teruf als Vollberuf anzusehen und entsprechend zu entlohnen, Man müsse durch Zufahrenten den Witwen die Erfüllung ihres Mutterberufs sichern. Die Feststellung sei eine ernste Mahnung, daß von den Straffälligen des Berliner Jugendgerichts 90 von 100 ohne den Einfluß einer gefunden, beruflosen Mutter aufgewachsen sind. Von anderer Seite wurde die Möglichkeit der geforderten Maßnahmen bestritten. Ein weiterer Gegenstand der Auseinandersegung waren die Ausführungen des Dr. Hoffmeister. Erklärlich genug: die agrarische Leuteforge hatte sie start gefärbt. Genosse Reichstagsabgeordneter Bauer übte an ihnen nur zu berechtigte Kritik. Er forderte eine durchgreifende Reform der Arbeitsverhältnisse auf dem Lande, namentlich Aufhebung der Gesindeordnungen und des Ausnahmerechts gegen die ländlichen Arbeiter, Beseitigung des Wohnungselends usw. Er beleuchtete ferner, daß die Berufsberatung der Frauen zur Besserung ihrer Lage gewiß ein nügliches Mittel sei, aber doch nur ein sehr fleines. Die beste Beratungsstelle der Erwerbstätigen bleibe die Gewerkschaft. In ihr müssen die Frauen für die Besserstellung der gesamten Arbeiterklasse kämpfen.
Die Tagung schloß mit der Annahme dieser Leitfäße: 1. Der Kriegervitwe ist neben der gesetzlichen Rente eine soziale Fürsorge zu erweisen.
2. Diese Fürsorge ist unter tunlichster Zusammenfassung der bestehenden Organisationen durch eine vom Staat geleitete Stelle auf das ganze Reich auszudehnen.
3. Als örtliche Vertretung dieser Fürsorge ist ein Drgan der Gemeindeverwaltung geeignet, dessen Aufgabe es sein wird, die Zersplitterung der örtlichen Hilfskräfte zu vermeiden.
4. Die Tagung fordert einen Arbeitsausschuß mit dem Rechte der Zuvahl, um einleitende Schritte zu einer solchen allgemeinen Fürsorge für Kriegerwitwen und-waisen des Deutschen Reiches zu tun.
5. Der für die Tagung zusammengetretene Ausschuß wird als Arbeitsausschuß mit dem Auftrag eingesetzt, sich möglichst aus allen in Betracht kommenden Organisationen zu ergänzen und mit den maßgebenden staatlichen Behörden in Verbindung zu setzen.
Delegiertenversammlung
des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes. Die diesjährige Frühlingstagung der schweizerischen Genoffinnen fiel wohl in die Zeit des Krieges, aber sie stand im Zeichen des Friedens, war eine Kundgebung gegen den Krieg und für das Ende des Völkerringens. Eine Kundgebung
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sicherlich im Sinne der Genossen auf den Schlachtfeldern und in den Schützengräben, die vom Gedanken daran erfüllt sind, ob die Daheimgebliebenen in allen Ländern nicht mit allen Kräften für die Wiederherstellung des Friedens wirken. Jede Friedensstimme, die von irgendwoher zu ihnen dringt, muß ein hoffnungsvoller Lichtstrahl, eine erhebende Neubelebung für sie sein.
Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes wurde eingeleitet durch die dieser Veranstaltung gewidmete Aprilnummer der Vorkämpferin", die ebenfalls eine Kundgebung für den Frieden war. An leitender Stelle entbot die internationale Sekretärin der sozialisti schen Frauenwelt ihren Gruß, der noch Bezug auf den Schweizerischen Frauentag nahm. Er schloß mit den Worten:„ Ein belebender Strom der Willenskraft muß vom Frauentag ausgehen, eine laute, eindringliche Mahnung zum Handeln. Im Anfang war die Tat! Heraus mit dem vollen Bürgerrecht der Frau! Hoch der internationale Sozialismus!" Ein im gleichen Sinne gehaltener Artikel von Genossin üni reihte sich an, und sodann folgten aus zahlreichen Orten Berichte über die Versammlungen des Sozialistischen Frauentags vom 7. März sowie der Jahresbericht des Zentralvorstandes des Arbeiterinnenverbandes.
Aus diesem Bericht erfahren wir, daß der Frauentag 1914 in 30 Orten begangen wurde, 1915 in 28 Orten. Unter starker Beteiligung der proletarischen Frauen gestalteten sich die Versommlungen zu Friedenskundgebungen. Der Verbandsvorstand hat auch sonst eine rege Agitations- und Organisationstätigkeit entfaltet, als deren erfreulicher Erfolg die Gründung mehrerer Arbeiterinnenvereine verzeichnet werden konnte. Er hat eine Liste von Referentinnen aufgestellt, die auf Kosten der Zentralkasse des Verbandes in die Sektionen entsandt werden. Fünf Vereine sind dem Verband im Berichtsjahr neu beigetreten, mehrere andere Arbeiterinnenorganisationen stehen ihm noch fern. Mit Genugtuung Konstatiert der Vorstand, daß die seit Kriegsbeginn abgehaltenen zahlreichen Frauenversammlungen zur Beratung der Frauen über die Notstandsmaßnahmen meist sehr gut besucht waren und den Arbeiterinnenvereinen auch Zuwachs von neuen Mitgliedern gebracht haben. Die Not lehrt denken und handeln. Die Jahresrechnung der Zentralfasse verzeichnet Einnahmen von 5087,78 Franken, Ausgaben von 4318,65 Franken und einen Vermögensbestand von 1204,01 Franken nebst dem Pressefonds von 507 Franken.
Die am 11. April in Zürich abgehaltene Dele. giertenversammlung des Arbeiterinnenverbandes fvar von 25 beauftragten Genofsinnen aus 16 Vereinen besucht. Auch zahlreiche Gäste hatten sich eingefunden, unter ihnen Genossin Haubensack und Genosse Greulich als Vertreter der Geschäftsleitung der schweizerischen sozialdemokratischen Partei. Beschlossen wurde, die Vorkämpferin" wieder achtseitig wie vor dem Krieg erscheinen zu lassen; die Jahresberichte der Sektionen in Broschürenform herauszugeben und zum Selbstkostenpreis zu verkaufen; die Einführung einer einheitlichen Mitgliedskarte; Subventionierung des Arbeiterinnensekretariats mit einer bestimmten Jahressumme, die mit dem Gewerkschaftsbund zu vereinbaren ist; Vorbesprechungen der weiblichen Delegierten zu den sozialdemokratischen Parteitagen; Veranstaltung von Referentinnenkursen durch die Arbeiterunionen( Gewerkschaftsfartelle) und lokalen Bildungsausschüsse. Der Zentralvorstand erhielt den Auftrag, auf den Anschluß der noch fernstehenden Arbeiterinnenvereine in Aarau , Derendingen, Emmenbrücke, Grenchen , Herisau , Rheinfelden und Kriens an den Arbeiterinnenverband hinzuwirken.
Im Anschluß an ein Referat der Genossin Schießer
über die Agitations- und Bildungsarbeit in
den Arbeiterinnenvereinen fand folgende Resolution Annahme:" Der Delegiertentag empfiehlt den Sektionen, mit den Genossen gemeinsam in den lokalen, regionalen oder kantonalen Agitationskommissionen die Aufklä