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Die Gleichheit
im Ariege". Die Versammlungen fanden statt in Bohranfeifersdorf, Jauer, Bersdorf, Landeshut und Rotherbach. Wie verschiedenartig auch die Erwerbsquellen und Verdienstmöglichkeiten der Proletarier in jedem einzelnen dieser Orte sind, so waren doch die Versammlungsbesucher überall in dem Gedanken einig, es möchte bald eine andere Zeit anbrechen, eine Zeit mit weniger Mühsal und Not. Nach dem Referat, das auf alle Sorgen und Lasten der Frauen einging, kam dieser Wunsch bewegt zum Ausdruck. In den Orten mit wenig oder gar keiner Arbeitsgelegenheit für Frauen wurde in der Aussprache am meisten die Klage laut, daß bei der heutigen Verteuerung des Lebensbedarfs die Unterstützung der Kriegerfamilien unzulänglich ist. Wo, wie zum Beispiel im Bergbau, Frauen neuerdings wieder in die ihnen früher gesperrten Berufe eindringen, weil der Arbeiterinnenschuß außer Kraft gefeßt wurde, da mangelt es an der entsprechenden Entlohnung. In Landeshut , einem Siz der Textilindustrie, haben die Arbeiter und Arbeiterinnen fürzlich durch ihre Organisation Lohn- und Arbeitsregelung erzielt. Ewiges Fasten hat diese Bevölkerung verfümmern lassen; es geht ihr jetzt nicht etwa glänzend, immerhin ist für sie die Magenfrage einigermaßen gelöst und damit scheint nun zunächst das Interesse für anderes erloschen zu sein. Das fonnte man wenigstens aus der Verfammlung in Landeshut schließen, die zwar nicht schlecht besucht war, aber in dieser Zeit einen weit stärkeren Besuch hätte haben müssen. Alles zusammengenommen bedeuteten die fünf Veranstaltungen einen Erfolg. Obgleich es sich um Mitgliederversammlungen handelte, zu denen Gäste Zutritt hatten, wurden der Parteiorganisation 23 neue Anhänger zugeführt. Das Ergebnis ist um so erfreulicher, als es im Osten erzielt wurde, wo geringer oder auch gar kein Zuschuß zu der staatlichen Unterstüßung für Kriegerfamilien gezahlt wird, Kriegerfrauen waren aber die meisten Besucherinnen. Der sozialistische Gedanke findet auch in der jezigen Zeit immer mehr Einzug unter den Massen der Enterbten. Wenn auch behördliche Anordnungen der freien Rede überall enge Schranken sehen, so bleibt doch genug zu sagen übrig, was einen Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse verschafft und was zwingend auf den Sozialismus als die große Zukunftshoffnung der Menschheit hinweist. Zu wünschen ist, daß überall, wo die Agitation ganz oder teilweise ruht, wieder eine rege propagandistische Tätigkeit entfaltet wird. Die Erfolge würden nirgends ausbleiben.
Notizenteil.
Für den Frieden.
F. W.
Nussische Arbeiter und der Krieg. Wie der„ Vorwärts" aus dem in Genf erscheinenden Drgan der Lenin - Richtung, dem„ Sozialdemofrat" entnimmt, haben die Arbeiter der Fabrit Neu- Lessner, einer der größten Metallfabriken Petersburgs, während der Kampagne gegen die Beteiligung an dem„ Zentralen Kriegsindustriellenausschuß" eine Resolution angenommen, die wie folgt, lautet:
Wir, die Arbeiter der Fabrit Neu- Lessner, haben nach der Beratung der Frage über die Beteiligung am Kriegsindustrieausschuß und über die Wahl von Bevollmächtigten für Fabrikausschüsse festgestellt: Der jezige Krieg ist inszeniert und wird geführt ausschließ lich im Interesse der bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft. Das Proletariat ist an dem stattfindenden Gemegel nicht interessiert. Es bringt ihm nichts als Millionen gefallener Kameraden und Millionen Verstümmelter und Verarmter. Zugleich mit dem Krieg an die Zentralmächte haben die kommandierenden Klassen Rußlands der gesamten arbeitenden Klaffe einen erbarmungslosen Strieg erklärt. Sie haben die Gewerkschaften und Bildungsvereine der Arbeiter erdrosselt und die Arbeiterpresse vernichtet. Sie haben die Vertreter der Arbeiter in der Reichsduma verleumdet und ins Zuchthaus gefchidt. Und nun, nach dreizehnmonatiger Kriegsdauer, nach zahl. losen Niederlagen, die ihnen die Überzeugung beibrachten, daß man den äußeren Feind nicht besiegen kann, ohne das Land von seinen Fesseln zu befreien, machen sie den Versuch, die Arbeiterklasse zu sich hinüberzuziehen und rufen die noch gestern mit Waffengewalt unterdrückten Arbeiter auf, das„ Vaterland" zu verteidigen. Wir können nur eine Antwort darauf geben: die Arbeitertlasse wird nur für die Befreiung der arbeitenden Masse der Be völkerung weitertämpfen, zu welcher Nationalität sie auch gehören möge. Jegliche Tätigkeit, die mit der Unterstützung des internationalen Gemezels, mit der Unterstützung der kommandierenden Klassen verknüpft ist, die seit Jahrhunderten die arbeitende Bevölkerung unterdrücken, wird von uns abgelehnt. Wir erflären,
Fr. 8
daß nur der völlige Sturz der polizeilich- absolutistischen, tapitalistischen Ordnung das Land aus seiner jegigen Lage zu befreien vermag. Wir fordern die sofortige Einberufung der konstituierenden Versammlung auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts. W.r fordern die sofortige Wiederherstellung aller gewerkschaftlichen, fulturellen und Bildungsorganisationen der Arbeiter. Wir fordern Freiheit der Presse, der Versammlungen und der Koalitionen. Als dringendste Tagesaufgabe erkennen wir an die umfassende Vereinigung der Arbeiter in gewerkschaftlichen, fulturellen und politischen Organisationen, die einen schroff ausgeprägten Stlassen. charakter tragen. Die polizeilich selbstherrschaftliche Gewalt, die das Land in eine Reihe von Katastrophen hineingetrieben hat, hält noch heute hinter den Gefängnismauern, im Zuchthaus und in der Verbannung unsere besten Genossen, die für eine bessere Zukunft tämpfen. Wir fordern die unverzügliche Befreiung aller wegen ihrer poli, tischen Tätigkeit Verhafteten, Verbannten und Verurteilten."
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Auf dem Parteitag der schweizerischen Sozialdemokratie in Aarau war die Vertretung unserer Genossinnen von Bedeutung und Erfolg, und sie bemühten sich, auch durch stille Agitation für ihre Sache zu wirken. So verteilten sie an die Delegierten folgendes, vom Zentralvorstand des Arbeiterinnenverbandes in Maschinenschrift hergestelltes Flugblatt:
Werter Genosse! Wir gestatten uns gerade anläßlich des Parteitages, an dem du, werter Genosse, in voller Verantwortung für deine Organisation teilnimmst, folgende Fragen vertraulich an dich zu richten: Hast du bis heute alles getan, um auch die Frauen in deinem Orte zu tüchtigen Parteigenossinnen heranzuziehen? Hast du bei der eigenen Frau oder Braut den Anfang gemacht? Hast du nicht so im stillen gedacht: die Weiber gehören ins Haus, die sind gut zum Kinder hüten, Kochen, Strümpfe stopfen usw., aber die politische Arbeit, das ist ein Geschäft des Mannes; am Ende hast du im vertrauten Freundeskreise, etwa bei„ Gleichgefinnten", sogar laut darüber gesprochen?
Ist es dir noch nie zum Bewußtsein gekommen, welch großer Unterschied darin besteht zwischen dem, was du an Parteitagen an Thesen, Leitfäßen usw. mit Begeisterung angenommen hast, und dem, was du praktisch durchführst; zwischen dem, was du in deinen Parteistatuten mit herumträgst und dem, was du für die Aufklärung der eigenen Frau und der Frauen im allgemeinen getan hast? Du bist eigentlich ein Gegner der politisch tätigen Frau, wenn du es ehrlich zugeben willst, so im stillen Kämmerlein, wenn du allein bist; natürlich nicht etwa an Parteitagen, bewahre nicht, da bist auch du für den Satz zu haben:
" Indem der Sozialismus die Ursache aller Herrschaftsverhältnisse und Vorrechte beseitigt, bringt er auch der Frau die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung mit dem Manne und die Möglichkeit naturgemäßer Entwicklung und ungehinderter Betätigung ihrer Kräfte und Fähigkeiten." Oder auch: Gleichstellung der Frau mit dem Manne im öffentlichen und Privatrecht.
Haben wirs getroffen? Wenn nicht um so besser, da wirst du ja ohne viel Worte für Taten zu haben sein, welche obige gedrudte Säße( im Programm unserer Partei) zur Tat werden lassen.
Viel verlangen wir nicht von dir, wir wissen ja, daß du schon sehr in Anspruch genommen bist, wir bitten nur, daß du dafür Sorge trägst, daß an deinem Wohnort ein Arbeiterinnenverein gegründet werden kann, und falls ein solcher schon besteht, daß man ihm vorwärts hilft und nicht etwa noch Hindernisse in den Weg legt. Du sollst nur die Anregung in deinem Vorstand machen und uns die Adresse eines Vertrauensmannes oder Frau angeben, welche uns bei den nötigen Vorarbeiten helfen können. Das Weitere besorgen wir dann selbst.
Bist du ein harter Gegner der organisierten Frau, dann gib uns deine Adresse und laß dich von uns überzeugen, wie notwendig auch die organisierte Frau ist neben dem organisierten Manne zur Erreichung unserer gemeinsamen Ziele, zur Erreichung des Sozialismus!
Drum nüt für Unguet:
Hallwylstraße 58.
Französische Sozialistinnen an der Arbeit. Ein Teil der sczialistischen Frauen in Paris ist in einer besonderen Gruppe. zusammengeschlossen:„ L'action des Femmes"( Die Aktion der Frauen). Trotz des Krieges sucht sie eine Propagandatätigkeit zu entfalten und die Frauen zu sammeln. Zu diesem Zwed hat sie den folgenden Aufruf verbreitet: