Nr. 2

Genossenschaftliche Rundschau.

Die Gleichheit

Der Bericht des großen Konsumvereins Leipzig­Plagwitz für das Geschäftsjahr 1915/16 gibt an, daß die Zahl der Mitglieder im letzten Jahre mit rund 3800 auf 65 285 ge= stiegen ist. Wie auch diese Angabe wieder zeigt, hält die Vermeh­rung der Mitglieder der Konsumvereine während der Kriegszeit an. Der Gesamtumsatz an Waren ist um 1 159 000 Mart gewachsen und hat rund 262 Millionen Mark betragen. Und das, obgleich die Genossenschaft unter den Wirkungen der allgemeinen Kriegs­wirtschaft bedeutend weniger an Warenmenge beschaffen konnte. In dieser Tatsache drückt sich die enorme Verteuerung der Waren aus! Es wird festgestellt, daß auch nicht eine einzige Ware davon verschont geblieben ist. Sehr bezeichnend tritt diese Entwick­lung im Umsatz in der Fleischerei des Vereins in die Erscheinung. Der große Mangel an Schlachtvieh und die Rationierung der Fleischverteilung bewirkten naturgemäß eine außerordentliche Ver­ringerung der abgegebenen Warenmenge. In der Folge wurde. der Betrieb bei weitem nicht voll ausgenutzt, und es konnten nicht einmal die Unkosten gedeckt werden. An eine Rückvergütung auf entnommene Fleisch- und Wurstwaren war unter solchen Umstän­den nicht zu denken. Der Umsatz, soweit er sich in den Preisen der Waren ausdrückt, betrug in der Fleischerei nicht ganz 4 Millionen Mark, reichlich 400 000 Mark weniger als im Vorjahr. Die ge­lieferte Warenmenge dürfte aber kaum die Hälfte der vorjährigen ausmachen. Um welche riesigen Unternehmungen es sich bei den eigenen Betrieben des Vereins handelt, zeigen auch die Angaben über die Bäckerei, in der für 5 196 000 Mark Waren hergestellt und verkauft wurden. Die Tatsache, daß infolge der Kriegswirt­schaft bei der Warenbeschaffung die Konkurrenz ausgeschaltet ist, beeinträchtigt selbstverständlich auch die Rentabilität der ganzen Genossenschaft und die Möglichkeit, wirtschaftliche Vorteile für die Mitglieder in der früheren Weise zu erzielen. Die Folge davon ist, daß die Genossenschaft den Mitgliedern nur" 8 Prozent zurück­vergüten kann und nicht 10 Prozent, wie bisher.

Nach amtlichen Erhebungen hat das Genossenschafts= wesen in der Schweiz   in den letzten Jahren weitere bedeut­same Fortschritte gemacht. Während im Jahre 1910 in 21 ver­schiedenen Gruppen 6841 Genossenschaften gezählt wurden, stellte man für das Jahr 1915 eine Zunahme auf 9263 fest. An dieser Vorwärtsentwicklung sind auch die Konsumvereine stark beteiligt. Ihre Zahl stieg in der fraglichen Zeit von 479 auf 736. Am stärk­sten ist die Gruppe der Käserei- und Milchverwertungsgenossen­schaften mit 2377 vertreten, wie überhaupt die landwirtschaftlichen Genossenschaften der Schweiz  , im allgemeinen überwiegen. Es gibt dort aber auch Genossenschaftsarten, die wir in dieser Form in Deutschland   nicht kennen. Zum Beispiel 408 Wasserversorgungs-, 279 Elektrizitäts- und 19 Beleuchtungsgenossenschaften. Bemer fenswert ist ein Beschluß, der auf der letzten Generalversammlung des Verbandes schweizerischer Konsumvereine gefaßt wurde. Man bewilligte dem Vorstand 350 000 Mark zum Ankauf land= wirtschaftlicher Güter, die der Verband in eigener Regie bewirtschaften will. Außer den englischen Konsumvereinen hat bis­her nur die Produktion", die bekannte große Genossenschaft in Samburg, ihre Betätigung auch auf das landwirtschaftliche Gebiet erstreckt. über die Erfahrungen hört man noch nicht viel, da der Krieg auch in diesem Falle störend dazwischengetreten ist. Der Beschluß in der Schweiz   konnte nur gegen eine erhebliche Min­derheit gefaßt werden. Man scheint der Neuerung demnach nicht ohne Bedenken gegenüberzustehen. Die englische Groß= einkaufsgesellschaft hat umfangreiche Ländereien zum Betrieb der Milchwirtschaft, des Getreide- und Gemüsebaues er­worben. Die Grundstücke liegen in Weston nicht allzu weit von Manchester   und in der Nähe von Goole in Yorkshire   und umfassen insgesamt 4977 Acres. Bisher besaß die.Großeinkaufsgesellschaft bereits an vier verschiedenen Orten 1449 Acres, so daß sie nun­mehr über 6500 Acres verfügt. Die beiden britischen Großeinkaufs­gesellschaften haben in Südindien und Ceylon je zwei Besizungen erworben. Die in Indien   gelegenen sind 2587 Hektar groß, mei= stens Brachland, zum Teeanbau geeignet und auch bestimmt, wie ebenfalls die in Ceylon erworbenen 490 Hektar. Ferner haben die Großzeinkaufsgesellschaften in dem Städtchen Accra   in Bannerman Road( Westafrika  ) ein größeres Grundstück zur Errichtung einer Warenniederlage angekauft. Es sollen von dort Katao und andere von den Farmern der Goldküste bezogene Erzeugnisse verschifft

werden.

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über eine Ausstellung im Genter Vooruit, der großen und vielseitigen Arbeitergenossenschaft, wird berichtet:" In Gent  , wo vor kurzem eine Bauausstellung stattfand, hat jetzt die

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Arbeitergenossenschaft Vooruit eine Kunst- und Gewerbeausstel­lung eröffnet, die eine außerordentlich bemerkenswerte Kriegs­leistung darstellt. Das neue hohe Festhaus des Vooruit ist von unten bis oben mit Gegenständen verschiedenster Art gefüllt. Man will eine übersicht über die augenblickliche gewerbliche und künst­lerische Tätigkeit in Gent   geben. Die einzelnen Abteilungen sind bescheiden im Umfang, aber mit Liebe und Sorgfalt hergerichtet. Man spürt überall den guten Zweck der Genossenschaft, belebend und anregend auf die Handfertigkeit und Industrie der Genter Arbeiterschaft zu wirken und den Künstlern eine Gelegenheit zu bieten, ihre Arbeiten dem Publikum zu zeigen. Eine kleine Garten­bauabteilung mit einer wechselnden Ausstellung von Blumen- und Blattpflanzen, für die Gent berühmt ist, bietet ein freundliches Willkommen. Dann präsentiert sich die Genossenschaft Vooruit durch Beispiele aus den verschiedenen Gebieten ihrer vielseitigen Tätigkeit. Die Fachschule Ons Huis, die vom Vooruit im Oktober 1915 errichtet wurde und unter Leitung eines Schneidermeisters 120 Arbeiterinnen gründliche Ausbildung und zugleich lohnende Beschäftigung während des Krieges bietet, zeigt Arbeiten, die ihre Schüler nach achtmonatigem Unterricht selbständig fertigstellten. Gingemachte Gemüse, Kinderkleider, Leinenarbeiten gehören zu den Leistungen der ebenfalls vom Vooruit eingerichteten Haushal­tungsschule, die in einem dreijährigen Lehrgang Unterricht in Haushalt, Naturkunde, Gesundheitspflege, Kinderpflege und der für Flandern   wichtigen praktischen Kenntnis des Webens erteilt, sowie Kurse in der niederländischen und französischen   Sprache, in Rechnen und Buchführung abhält. Die Wanderung durch die Be­zirke praktischer und gewerblicher Tätigkeit wird unterbrochen durch eine umfangreiche Kunstschau. Neben belanglosen Erzeug­nissen enthält sie eine ganze Reihe von Arbeiten, die in ihrer ge= diegenen und ernsthaften Art wesentlich mehr geben als die ele­ganteren Werke, die in den Brüsseler Kunstsalons die Gesellschaft der Hauptstadt zu interessieren pflegen."

In der Parteipresse ist bereits ausführlicher über eine inter­nationale Konferenz vonkonsumgenossenschaf= ten berichtet worden, die am 22. September in Paris   stattfand. Außer den französischen   hatten die italienischen, belgischen und britischen Konsumvereine Vertreter entsandt. Die Konsumgenossen­schaften in Rußland  , Rumänien   und Serbien   waren geladen, konnten aber keine Bertreter schicken. Es handelte sich um eine Veranstaltung der Konsumvereine der Ententeländer, in der man sich erfreulicherweise in bezug auf den Krieg auf den allgemeinen internationalen Standpunkt stellte und sich in Leitsätzen besonders gegen einen Wirtschaftskrieg nach dem Friedensschluß erklärte. H.F.

Notizenteil.

Aus dem öffentlichen Leben.

Ein neues Verfahren gegen Genossen Liebknecht  . Wie der Präsident des Reichstags mitteilte, hat das Gouvernementsgericht in Thorn um die Genehmigung zur Einleitung eines Strafver­fahrens gegen den Genossen Karl Liebknecht   nachgesucht. Liebknecht soll sich einer Verlegung der§ 110 und 120 des Militärstrafgesetz­buches schuldig gemacht haben.§ 110 handelt von der Anstiftung zum militärischen Aufruhr,§ 120 von unbefugter Befehlsanmaßung. Wie verlautet, soll es sich um die Verbreitung von Flugblättern an Soldaten handeln.

Der Prozeß gegen die ,, Internationale". Auf den 4. Oktober war vor der Straffammer in Düsseldorf   der Prozeß wegen Herausgabe und Artikeln der Internationale" im April 1915 an­gesezt. Unter Anklage stehen die Genossinnen Luxemburg   und Zetkin und die Genossen Mehring, Berten und Pfeiffer. Die Verhandlung mußte vertagt werden, da Genossin Zetkin   noch krank und nicht verhandlungsfähig ist und Genosse Berten im Felde steht.

Für den Frieden.

Eine sozialistische Auklagerede gegen den Krieg in der fran­ zösischen   Kammer. In der letzten Nummer berichteten wir turz darüber, daß in der französischen   Deputiertenkammer die drei Kien­taler" neuerlich gegen die Fortsetzung des Kriegs in der schärfsten Form protestierten. Der Vorwärts" bringt aus der Rede des Ge­nossen Brizon folgende treffliche Ausführungen: Meine Herren! Es bleibt uns nichts, als fühl den Preis dieses furchtbaren Kriegs zu berechnen. In runden Zahlen darf ich diesen Preis auf 50 Mil­liarden beziffern, die seit Beginn des Kriegs im August 1914 bis 31. Dezember 1916 in den Abgrund geworfen sein werden. Das sind die staatlichen Ausgaben, sie stellen eine erste Berechnung der