Nr. 41/42

Die Gleichheit

zur Einehe. Der Mann, der sich einen besonders tüchtigen Nach­folger wünschte, räumte dessen Mutter bald eine besondere Etel­lung ein. So bildete sich die Klaffifizierung in Haupt- und Neben. frauen. Neben die physische trat die seelische Liebe, neben die rein geschlechtliche Berbindung die Seelengemeinschaft; die ersten Liebeslieder entstanden.

Aus der Polygamie entwidelt sich die Monogamie( Ginehe), eine Ehegemeinschaft, die sowohl physisch wie psychisch eine Ein­heit darstellen soll. Die Stellung des Weibes gegenüber dem Manne bessert sich insofern, als es nicht mehr ausschließlich der Befriedigung des Geschlechtstriebes dient, sondern Lebensgefährtin, Rameradin des Mannes wird. Zwar fordert der Mann immer noch Jungfräulichkeit und unbedingte Treue für das Weib auf Lebenszeit, während zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes vor und neben der She die Prostitution erfunden wurde, anderer­feits beginnt aber auch der Mann einzusehen, daß er selbst so leben muß, wie er es von seiner Frau fordert.

Während der Jahrtausende der Einehe hat die Menschheit eine hohe seelische Stufe erreicht. Die Liebe des Mannes zum Weibe, die Liebe des Weibes zum Manne hat wundervollen Ausdruc in der Biebeslyrik aller Völker gefunden, hat manche heroische Tat geboren, hat ideale Gemeinschaftsformen entstehen lassen.

Bei allen Fehlern und Schwächen der Einehe bedeutet eine ,, Sozialisierung der Frau" einen bedauerlichen Rückfall in frühere gesellschaftliche Verhältnisse. Die Barbarei würde ihre Auf­erstehung erleben! Die Sozialisierung der Frau würde nur dem physischen Bedürfnis des Menschen Rechnung tragen. Das Wert­vollste des Zusammenlebens von Mann und Weib, die Seelen­gemeinschaft, würde unterdrüät und ausgeschaltet. Statt au höheren Formen menschlichen Gemeinschaftslebens, wie fie der Sozialismus bringen wird, kämen wir zum tiefststehenden tier­ähnlichen Geschlechtsleben zurüd. Denn selbst bei den menschen­ähnlichen Affen( Orang- Utans, Gorillen, Gibbons, Schimpansen), die dem Menschen entwidlungsgeschichtlich am nächsten stehen, hat man die Einehe gefunden. Und dann kommt die ungeheure Ge­fahr der Geschlechtsfrankheiten hinzu, die dem Urmenschen viel leicht kaum bekannt waren. Bei einem System der Geschlechts­verbindung, wie es dem Saratower Anarchistenklub vorschwebt, würde trotz härtester Strafen bald jede Frau und damit jeder Mann geschlechtskrant werden. Die Degeneration der Menschheit, ihr Niedergang wäre damit besiegelt. Die heutigen Voltsseuchen, der Alkoholismus  , die Tuberkulose, die Gefahren der Prostitution find ein Kinderspiel gegen die Folgen dieser Sozialisierung".

Gegen die Bestrebungen törichter Menschen, die aus Unkenntnis der Entwicklungsgeschichte des Menschengeschlechtes und der For­men seines geschlechtlichen Lebens die Frau als eine Sache zum Gemeineigentum machen wollen, kann nicht energisch genug Stellung genommen werden.

Die neue Ehe, wie wir sie erstreben, soll nicht nur dem einen Zweck der Befriedigung des physischen Bedürfnisses dienen, son­dern sie soll mehr sein: die innige seelische Gemein­fchaft zweier sich gleich beregtigt gegenüber­stehender Menschen. Wir folgen hier Bebel, der in seinem bekannten Werke ausführt: Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, fie ist feinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, fie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin threr Geschicke. Ihre Erziehung ist der des Mannes gleich, mit Ausnahme der Abweichungen, welche die Verschiedenheit des Ge­schlechts und ihre geschlechtlichen Funktionen bedingen." Dazu bedarf es allerdings einer Umwandlung der fapitalistischen Ge­sellschaft in die sozialistische. Entscheidend sind außer den wirt­schaftlichen Bedingungen aber auch seelische Faktoren. Die heutige Ghe ist oft eine Zwangsehe", eine gefeßliche Ehe ohne Liebe. Und hier hat die neue Ghereform einzusehen, deren eifrige Vor­lämpferin Ellen Key   das Wort geprägt hat: Die Liebe ist fittlich auch ohne gesetzliche Ehe, aber diese ist unsittlich ohne Liebe." Ehe und Liebe müssen eine Einheit werden. Nicht auf äußeren, geset lichen Zwang, lediglich auf der Liebe, auf der Seelengemeinschaft bon Mann und Weib soll sich die Ehegemeinschaft aufbauen. Fallen diese Bedingungen fort, zerreißt das seelische Band, so muß das genügen, die Ehegemeinschaft zu lösen. Die Heuchelei und Un­moral der heutigen Zwangsehe, die standalösen Familientragödien und Ehefcheidungsprozesse, Konkubinat und Prostitution verschwin den damit oder werden zumindest stark eingedämmt.

Man hat die freie sozialistische Ehe dadurch zu diskreditieren bersucht, daß man die Märchen ausstreute, die freie Liebe" pro­flamiere mahllose geschlechtliche Verbindung. Davon kann keine Rede sein, Der große Dichter Goethe   hat mit Christiane

341

Bulpius 18 Jahre lang in freier Gewissensehe" gelebt. Die freie sozialistische Ehe ist die völlige Einheit von physischer und psychischer Liebe, ohne Prostitution und Astese, die das Stigma vieler gefeßlicher Chen sind. Die freie Liebe ist weder, wie bbs­willige Gegner uns imputieren, die Aufhebung der Ehe noch die Organisation des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Freie Liebe  und außerehelicher Geschlechtsverkehr haben nichts mit einander zu tun. Ja, ich behaupte sogar, daß die wahre freie Liebe, wie fie kommen muß und wird, den wahl- und regellofen außerehe­lichen Geschlechtsverkehr bedeutend mehr einschränken wird als die Zwangsehe. Vor allem wird sie ihn veredeln..."( Iwan Bloch  , ein Vorfämpfer der freien Liebe").

Nicht also um den Zurückfall in alle, längst vergessene Formen geschlechtlichen Zusammenlebens darf es fich handeln, wie es die ,, Sozialisierung der Frau" sein würde, sondern um die Ablösung der tapitalistisch- orientierten Ehe, der Zwangsehe", durch die innige seelische und physische Ehegemeinschaft, die freie sozia listische Ginehe, in der Mann und Frau als ganze Men­schen gleichberechtigt zusammenstehen.

Hausangestellte, Hausfrau und

Einzelküche

III.

Da die Sozialisierung der Hauswirtschaft uns Hausfrauen in erster Linie angeht, ist es sehr ratsam, daß wir uns auch alle eingehend mit der Frage beschäftigen. Es ist schade, daß man nicht durch Rundfrage die Meinung sämtlicher Hausfrauen er­mitteln kann, ob sie für oder gegen die Großküche find.

Aber die Rundfrage würde auch noch keine zuverlässige Antwort bringen, denn gar manche Hausfrau, die heute voller Verdruß über die viele Kleinarbeit in der Einzelküche der Großküche zu­stimmte, würde sich morgen vielleicht wieder, für die Einzelfüche entscheiden. Else Scheuer- Insel hat in ihrem Artifel in Nr. 36 der ,, Gleichheit" sehr recht, wenn sie sagt, die traditionelle Ueber­lieferung ist nicht so leicht zu überwinden, das Bollwerk selbst ist die Frau.

Die Frage ist nun für unser gesamtes Wirtschaftsleben von so einschneidender Bedeutung, daß wir uns ernstlicher mit ihr werden befassen müssen. Manche Frauen mögen wohl befürchten, daß sie ein Machtmittel über den Mann verlieren, wenn sie den Koch­löffel aus der Hand legen. Das sind diejenigen, welche behaupten, die Liebe gehe durch den Magen. Aber ich glaube auch, wir würden mancher Frau ihren Lebensinhalt nehmen, wenn wir ohne weiteres die gesamte Hauswirtschaft sozialisieren würden. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Mehrzahl unserer älteren Frauen nicht mehr umlernen kann. Und wenn es an dieser Willenskraft bei den Frauen mangelt, dann können auch keine anderen Kräfte in ihnen frei werden, die der Allgemeinheit dienen fönnten. Ich will also von den ethischen Vorteilen der Einzel­füche für unser Familienleben gar nicht sprechen, weil eben manche Hausfrau diesen Gewinn für die Familie mit persönlicher Auf­opferung bezahlt. Aber das fommende Geschlecht kann und muß anders vorgebildet werden. Dr. Olga Essig   schreibt dazu bereits in Nr. 31 der ,, Gleichheit" sehr treffend: In Preußen beispiels­weise fehlt immer noch eine landesgefeßliche Handhabe zur Ein­führung der Pflichtschule für Hausangestellte und Haustöchter auf der Grundlage des Art. 145 R.-V." usw. Wir müssen also dafür sorgen, daß die nächste Generation Frauen haus- und volkswirt­schaftlich anders und besser vorgebildet wird als bisher.

Die Auffassung von Else Echeuer- Insel, daß es ein leichtes sei, in Neubauten, aber auch in alten Häusern die Großküche ein­zuführen, ist reichlich optimistisch. Durch den Rohstoffmangel für die Industrie und durch die Schwierigkeiten der Bautätigkeit ist cs zurzeit fogar recht schwierig, derartige Neu- und Umbauten vorzunehmen. Außerdem würde das Ganze heute doch nur ein Experiment sein, und dazu haben wir leider weder Geld noch Zeit übrig.

Ehe man zur Sozialisierung der Hauswirtschaft schreiten lann, muß das ganze Gebiet fachwissenschaftlich erforscht werden. Ich bin auch der Meinung, daß wir dann mehr Nährwerte zur Vera fügung hätten und daß durch den Betrieb der Großküchen nicht nur viel Brennstoff, sondern auch sehr viel Frauenkraft für andere Zwecke dienstbar gemacht werden könnte. Und dennoch kann man den Großküchenbetrieb nicht überall einführen, weil nach Lage der Dinge für das Land 3. B. fast ausschließlich die Einzeltüche in Betracht kommt. Wenn alle Vor- und Nachteile der Großküche