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Die Gleichheit
fachmännischer Leitung in diesen Dingen weiter auszubilden. Außerdem wären monatliche Zusammenfünfte mit gegenseitigem Meinungsaustausch sehr empfehlenswert, und es könnten dadurch gewiß viele gute und nüßliche Anregungen gegeben werden.
Die häufig vertretene Ansicht, die Mädchen vom Lande bedürfen folcher Ausbildung nicht, da sie ja als Hausmädchen in landwirtschaftlichen Betrieben oder dergleichen dies alles von selbst lernen, ist irrig. Jeder Beruf und jede Arbeit bedarf einer bestimmten Grundlage, einer Lehrzeit. Und da wir doch wirtschaftlich viel rationeller arbeiten müssen als bisher, ist es doppelt notwendig, daß auch unsere Jungmädchen eine gute Lehrzeit auf wissenschaftlicher Grundlage durchmachen.
Es kann also unseren Frauen nur auf das dringendste empfohlen werden, an die Schaffung derartiger Hausfrauenorganisationen beranzutreten, und zwar so bald als möglich, ehe die bürgerlichen Frauen, die die Notwendigkeit dazu ebenfalls erkannt haben, uns zuvorkommen. Und die sozialdemokratischen Frauen werden doch wohl bie Wahrung ihrer Interessen lieber selbst in die Hand nehmen wollen, anstatt sie den bürgerlichen Parteien anzubertrauen! Aufgabe der Kreisleitungen wäre es, die nötigen Schritte zu diesem Zweck zu unternehmen.
Friedel M. Schneider.
Die Schätze der Berliner Museen
Von Liesbeth Weiß- Nathenau.
Endlich ist es Zeit, daß der Genuß der Kunstwerke in unseren Museen Gemeingut unseres ganzen Voltes wird. Freude und Weihestunden sollen alle vor den Werken der alten Meister verbringen. Ich möchte die Leserinnen der Gleichheit" durch alle unsere herrlichen Museen führen. Mit der Gemäldegalerie des Kaiser- Friedrich- Museums in Berlin will ich beginnen, weil ich glaube, daß kein anderes Kunstwert so leicht und schnell vom Geiste und Gemüt erfaßt wird, wie die Werke der Delmalerei der großen Meister. Nachdem ich vorher ein kurzes Lebensbild eines Malers gegeben habe, werde ich daran anschließend auf die Bilder im Museum hinweisen.
Die Gemäldegalerie des Kaiser- Friedrich- Museums( Monbijoustraße, am Kupfergraben) befindet sich in der ersten Etage des Hauses und zerfällt in eine niederländisch - deutsche und in eine italienisch- spanische Abteilung, in derem letzten Sale fich auch noch einige englische und französische Bilder befinden. Die Gemälde ftammen aus der Zeit zwischen 1300 und 1800; die nach dem ' Jahre 1800 entstandenen Bilder befinden sich in der National galerie. Die auf den Bildern dargestellten Handlungen sind fast ausschließlich der Bibel entnommen; einige herrliche Portraits zeigen uns entweder die Künstler selbst oder ihre Zeitgenossen nach der Sitte ihrer Zeit gekleidet.
Mit dem interessantesten, gefühlvollsten niederländischen Maler, Membrandt Harmensz van Rijn, möchte ich die Wanderung beginnen. Er wurde als Sohn eines Müllers 1606 in Leyden geboren; mit 13 Jahren tritt er in das Atelier Swanenburgs, eines mittelmäßigen Malers, ein, dessen Name längst vergessen wäre, wenn Rembrandt ihn nicht als seinen Lehrer genannt hätte. 1630 fommt er nach der großen, wohlhabenden Hafenstadt Amster dam ; er ist bald ein angesehener Maler, hat ein Atelier mit vielen Schülern und heiratet dort 1634 die wunderschöne, reiche Patri zierin Saskia van Uhlenburg. Sie bewohnten ein schönes Haus, in bem ein Fest dem anderen folgte. Seine Saskia und sich schmückte er, ebenso wie sein Heim, mit affen Herrlichkeiten, deren er habhaft werden konnte. Aus allen Weltteilen brachten die Schiffe ja jeden Tag neue Kostbarkeiten: Gewebe aller Art, herrTich gefärbte Seide, Teppiche, seltene Steine und Muscheln, ausgestopfte Vogel. Er kaufte alles, nichts war ihm unerreichbar; Tage reinster Freude wurden verlebt. Aber schon im Jahre 1638 beunruhigte Rembrandts Art der Hausführung die Verwandten und Freunde. 1642 starb ganz unerwartet Saskia, nachdem sie Membrandt vier Kinder geschenkt hatte, aber nur der letzte Sohn Titus überlebte sie. Rembrandt war vollkommen fassungslos und gebrochen. Er war in Verzweiflung und glaubte, aller Menschen Leid tragen zu müssen. Seine Liebe und seine Existenz war auf einmal zusammengebrochen; es blieb ihm sein Sohn Titus und eine treue Magd Hendrikje Stoffels. Das schöne Haus in der Joden Breestraat in Amsterdam mußte er verkaufen. Er zieht in ein kahles Dachzimmer, das Wohnraum und Atelier zugleich ist. Modelle tann er nicht mehr bezahlen; er malt nur noch Titus, Hendritje, sich selbst, einige bezahlte Portraits und seine Phantasie. gestalten. Aber wie malt er sie? Die Träume seiner Stunft ber
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fehen ihn zurüd in beffere Beiten. In blendendem Lichte, in herrlichsten Schmude entstehen jetzt seine reifsten Werte. Hendrikje und Titus werden vor ihm vom Tode abberufen. Am 8. Oktober 1669 stirbt Rembrandt , einer der größten Maler aller Zeiten, iat bitterster Armut und Einsamkeit. Seine ganze Hinterlassenschaft bestand in einigen alten Gewändern und den Malutensilien. Wenn man bedenkt, daß heute für die Werke keines anderen Maters jo hohe Preise gezahlt werden wie für die Rembrandts, daß der Betrag der heute für eine kleine Handzeichnung gern gegeben wird, dem Meister einen glücklichen Lebensabend hätte verschaffen fönnen, so begreift man erst die ungeheure Tragit, die in diesem Bebensschicksal liegt.
Die Bilder des Meisters sind im Kaiser- Friedrich- Museum im Rembrandtsaal vereinigt. Zwei Selbstbildnisse im Alter von ungefähr 30 Jahren und das Portrait der Saskia, seiner Frau, be weisen seine Vorliebe, sich und die Seinen in kostbare Farben und Stoffe zu fleiden. Der Raum wird beherrscht durch das große Doppelbildnis des Predigers Anslo und der Witwe, welche er tröstet; der Prediger in prachtvoller Größe, im Gegensatz zu der schlichten Frau, die seinen Worten lauscht; das wirkungsvolle Stilleben im Hintergrunde zeigt uns die warmen Farben seiner Palette. Der Mann mit dem Goldhelm, mit dem tief innerlichen Ausdruck, ist der Bruder Rembrandts , ein einfacher Mann; das Genie des Meisters läßt ihn zum Christus werden, der die Sünde der Welt in setner Seele trägt. Seine ganze Liebe liegt in dem Bild der Magd Hendrikje Stoffels; auch fie fleidet er in prächtige Gewänder. Gern hätte er sie in seiner Einsamkeit geheiratet, das Holländische Gesetz damals erlaubte es nicht. Sie trägt den Trauring, den sie am Finger nicht tragen durfte, an einer schwarzen Schnur um den Hals. Das große Bild eines Rabbiners, das, in dunklen Tönen gehalten, den schönen Kopf um so mehr hervortreten läßt, möchte ich auch noch erwähnen. Die meisten anderen Bilder behandeln biblische Stoffe; man fann eine ganze Bibel Rembrandis zusammenstellen. Von orientalischer Pracht zeugt das Bild Simsons, der seinen Schwiegervater bedroht, weil er ihm die Frau vorenthält. Der Körper der Susanne, die im Bade von zwei Alten belauscht wird, ist nie farbenprächtiger, dramatischer geschildert worden als von Rembrandt . Ebenso ergreifend ist das Bild von Potiphars Frau, die Joseph bei ihrem Manne verklagt. Auf einem der reifsten, herrlichsten Bilder erzählt er die Vision Daniels, wie dem sich vor einem einhörnigen Ziegenbock ängsti genden Propheten der Engel Gabriel erscheint. Eine ergreifendere Gruppe als die des verzagten Jünglings und die des stüßenden lichten Engels ist nie geschaffen worden. Dieses wären die Hauptbilder des Rembrandtsaales. Jedes trägt den Stempel der Seele des großen Meisters und erzählt uns und allen kommenden Geschlechtern von ihm.
Das nächste Mal soll Raphael, der größte Maler der italienischen Schule, und sein Werk geschildert werden.
Wohlfahrtspflege
Lebensmittellieferungen aus Amerika .
Die American Relief Administration hat in Deutschland amerikanische Lebensmittellager eingerichtet, durch die uns amerikanische Nahrungsmittel, deren wir dringend bedürfen, sicher und billig zugesandt werden können. Die Einrichtung besteht schon seit acht Monaten. Während dieses Zeitraumes wurden über fünf Millionen Pfund Nahrungsmittel, wie Mehl, Reis, Speck und Milch, in Deutschland eingeführt, ohne daß ein Pfennig das Deutsche Reich verließ. Das heißt, es wurden un gefähr 2550 Tonnen Nahrungsmittel nach Deutschland gebracht, die Geschenke einzelner Personen und Organisationen aus Amerila darstellen. Diese Waren wurden unter mehr als 60 000 Personen
berteilt.
Anfangs fanden diese Lieferungen ausschließlich von Hamburg aus durch die Post statt. Bor kurzem wurden jedoch Zweigaus. gabestellen in Berlin , Wilhelmstr. 92/93, und in Frankfurt a. M., Paul& plak 6, eröffnet. In Berlin werden allein täglich 40 bis 60 Pakete ausgegeben. Die Nahrungsmittel sind alle von erster Qualität; ganz besonders wird von den Empfängern das weiße Mehl geschätzt.
Infolge ihrer ausgezeichneten Organisation ist es den American Relief Administration Warehouses möglich, ihre Lebensmittel pakete in sicherer und schnellerer Weise und zu geringeren Soften abzuliefern, als es sonst für einzelne Pakete aus Amerika möglich ist, noch dazu, da es sich ja hier um beträchtliche Mengen handelt. Außerdem arbeiten die American Relief Administration Warehouses ohne jeden Verdienst. Auf Grund der großen Umjäke.