Nr. 46

Die Gleichheit

Habe beraubten. Es führte zu weit, sein ganzes Leben aufzu­rollen. Stürme und Verfolgungen lösten einander ab, so daß, wie Comenius   selber sagte, sein Leben ,, mur eine Pilgrimschaft, tein Vaterland" gewesen. Auch im Ausland, besonders Eng land, war er als Schulreformer tätig. Aber immer zog es ihn in sein Heimatland zurüd, bis ihn der wogende Kampf abermals um Hab und Gut brachte und er 62jährig arm von dannen ziehen mußte. Man denke sich, ein Mann mit solchen Verdiensten um Jugend und Volk fand als Greis endlich ruhigen Aufenthalt in Amsterdam  , wo er durch Unterricht in reichen Familien sein Brot verdiente. Dazu kommt noch, daß er nach der Heraus gabe seiner gesammelten Werle Anfechtungen erleben mußte, die dem rastlos schaffenden, ehrlichen, von einer großen Liebe und Hingabe erfüllten Manne an seinem Lebensabend bitter weh tun mußten. Noch einmal griff er zur Feder, eine Verteidigung und ein Abschiedsgruß der Welt sollte es werden. Eins ist not, schrieb der von den nicht nötigen Dingen der Welt ermüdete und zu dem einen, was not ist", sich zurückziehende 77jährige Greis. Flammend steht seine Rechtfertigung, daß er all seine Arbeiten nur aus Liebe übernommen, daß seine vorzüglichsten Bemühungen nur der Jugend gegolten, sie aus den beschwer­lichen Labyrinthen der Schule siegreich zum Licht zu führen, Liebe und Verständnis der schönen Welt in ihr Herz zu pflanzen. Er hoffte zuversichtlich, daß seine Vorschläge einst ins Leben treten werden und der Neid, der gegen die Lebendigen gerichtet ist, nach je.nem Tode aufhören wird.

Am 15. November 1670 starb Comenius   in Amsterdam  , fern der Herzen derer, denen er in finsterer Zeit ein Stern gewesen. Einiam ging er dahin; er durfte die Früchte seiner reichen Ar­beit nicht ernten. Aber sein Geist blieb wach und mahnt uns auch heute, der geistigen Befreiung nicht zu vergessen, würdige, edle Menschen zu werden. So laßt uns aus dem Wust und der Wirrnis des Alltagslebens heraustreten, eine Stunde nur, und laßt uns jenes großen Mannes gedenken, der uns soviel gab. Das wird ihm der köstlichste Lorbeer sein: ein liebendes Memento.

Zur Bekämpfung der Geschlechts­frankheiten

Zur Frage der bevorstehenden Gesetzgebung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hatte der Bund Deutscher Frauenvereine  zum 2. Oktober d. J. eine Sachverständigenkonferenz anberaumt, zu welcher interessierte Vertreterinnen aus Behörden und Organi­fationen eingeladen waren. Frau Regierungsrätin Genossin Meta

*

Feuilleton Sonntagabend

Der Tag ist müd" und neigt lich feinem Ende zu, Im Weften rot der Sonnenball verfinkt. Der Sonntag ist vorbei. Ich fehne mich nach Rub'. Von fern ein Mandolinenlied erklingt.

*

Nun fabr' ich heimwärts, blick' zum Fenfter ftill hinaus, Laufche der Räder monotonem Sang.

In einer halben Stunde bin ich schon zu Haus'. Der Sonntag ift so kurz. Die Woche iſt fo lang.-

Ein Strom von Kindern mir entgegenzieht

Mit bunten Fackeln. Feiern Erntefelt. Aus einer Wirtschaft tönt ein Walzerlied. Das Tanz und Jugend abnen läßt.

Ich gehe unter frohen Menschen einfam und allein. Ein Liebespaar gibt fich den Abfchiedskuß an meiner Tür.- Und in mein бerz wühlt tiefer fich die Sehnsucht ein Nach Deiner Nähe. Du, nach Dir, nach Dir!

Der Tunichtgut

Elli Radthe.

ieben Jahre alt und ein ausgerechneter Tunichtgut. Die Kleineren hatten eine Höllenangst vor ihm. Seine Alters­genossen rissen sich um die Gunst, und die Großen" der Ho: t

H

375

Kraus- Fessel( Preußisches Wohlfahrtsministerium) und Frau Dr. med. Marie Kaufmann referierten vor einem Kreise von Aerztinnen  , Juristinnen, weiblichen Abgeordneten fast aller Bar­teien, Polizeiassistentinnen und Fürsorgerinnen über den Stand der Sittlichkeitsfragen und über Vorschläge für ein Gesetz zur Be­Tämpfung der Geschlechtskrankheiten. In sehr lebhafter Ausspradje wurden Erfahrungen ausgetauscht und weitere Vorschläge gemacht. Sämtliche Anwesenden waren sich darüber einig, daß, ohne Unterschied der Parteien, alle Frauen sich zusammen. schließen müssen, um gemeinsam den Kampf gegen das erschreckende Umfichgreifen der Geschlechtskrankheiten aufzunehmen. Denn die Geschlechtskrankheiten sind, wie an Hand von Zahlenmaterial nach­gewiesen wurde, viel mehr verbreitet, als man gemeinhin glaubt, und von Tag zu Tag hat man mit einem Anwachsen der Zahl der Erkrankungen zu rechnen. Nach einer Mitteilung von Dr. Löser fürzlich in Nauheim   ist jedes 25. neugeborene Kind syphilitisch, so daß für die Zukunft das Schlimmste zu befürchten ist, wenn nicht schleunigst erfolgreiche Maßnahmen gegen diese Volksseuchen getroffen werden.

-

-

-

-

Frau Kraus- Fessel gab einen Bericht über die bisher getroffenen Einrichtungen( Beratungsstellen und zwangsweise Behandlung) und über die seit dem Jahre 1918 erfolgten Vorschläge und Ges setzentwürfe. Alle diese Bestimmungen haben bis jetzt jedoch in der Braris noch nicht viel genutzt, weil man fast ausschließlich nur die Frauen damit erfaßte und an die Männer nicht herankam. Das neue Gesetz muß andere, durchgreifendere Bestimmungen ent. halten. Es wurde von sämtlichen anwesenden Frauen aufs eifrigfte unterstützt die restlose Aufhebung der Reglementierung und ein scharfes, unmißverständliches Verbot aller Kasernierung und Bordelle verlangt. Die Unzucht ist kein Gewerbe das ist ein übernommener Begriff sondern eine Entartung des Trieblebens, die man nicht mit polizeilichen Bestimmungen und Bestrafungen beseitigt. Hier ist vorbeugende und helfende Für forge am Blaze. Tarum wird die Errichtung von Pflegeämtern in Stadt und Land gefordert, die mit dem zu schaffenden Ge sundheitsamt und evtl. auch mit den Polizeiämtern Hand in Hand arbeiten, niemals aber polizeilichen Charakter tragen dürfen. An Stelle der Reglementierung wird die allgemeine, gleiche, distrete Anzeige- und Behandlungs. pflicht verlangt nach dem Vorschlage von Polizeiarzt a. D. Dr. med. Dreum und Käte Echirmacher. Es kommt, wie Abgeordnete Frl. Anna Pappris sehr richtig sagte, hauptsächlich darauf an, den männlichen Partner der Prostitution und die Infektions­quelle zu fassen, und das war bei dem Reglementierungssystem nicht möglich. Nach Statistiken kommen auf 100 geschlechtsfranfe

ttasse riefen ihn, wenu es galt, eine nicht ganz einwandfreie Sache durchzuführen. Immer war er bereit, einer Spitzbüberei zu dienen, verbotene Früchte zu brechen, immer war er dort, wo ein Uebel geschehen. Citofar!" Sobald er seinen Namen hörte. tuďte er sich und seine schwarzen Augen funkelten. Er mußte fchon viel Prügel bekommen haben; denn immer war er auf einen Schlag gefaßt, und fielen sie hageldicht auf ihn ein, so wehrte er fich wie eine wilde Kaze. Nie sah ich eine Träne in diefes Buben Auge.

Ich wollte ihn mit Liebe zwingen und gab ihm den Vorzug. Er durfte mir allerlei besorgen, und wenn ich einen Leckerbissen hatte, war er für ihn. Aber nie sah ich ein reines, strahlendes Lächeln in seinem Gesicht, wie es uns bei Kindern so sehr be­glückt. Jmmer lag so ein listiges Zwinkern in den Augen und um den Mund ein Zug, wie verkniffener Hohn. Er durfte mit mir nach Hause kommen. Es gab Kakao und Kuchen. Ottokar tat sich ein gutes. Die Tasse blieb am Mund, bis sie geleert, und bei der dritten sagte er noch nicht nein. Aber zwischendurch fun felten seine Aeuglein nach der Zuckerdose. Ich stellte sie nach der Kommode zurüd. Der Kakao war ja süß und der Zucker auf dem Tisch überflüssig. Der Kuchen ist alle geworden. Ottokar flopit sich befriedigt das Bäuchlein. Wir erzählen uns noch etwas, und wieder slikt sein Blick zur Zuderdose.

Die Dofe gefällt dir wohl?"

Unwillkürlich zieht er das Genic ein. Also hab' ich seinen Blick doch richtig verstanden.

Schau die schöne Klatschrose, die darauf ist. Genau, wie wir fie neulich im Feld gefunden. Siehst du, gerad' noch fünf Stüd chen Zuder drin. Coviel haben wir zum Kakao verbraucht und erst zum Kuchen, Na, wenn's nur bald Zucker gibt. Mit fünf Stüden muß man recht sparen."