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Die Gleich beit

und nun schon hier ist. Wären wir da Erben der Hinter­lassenschaft eines Bebel, wenn wir unsere Mission nicht weiter erfüllten?

Freudigen Mutes und fräftigen Schrittes wollen wir schreiten in die Wahlperiode zum preußischen Landtag.

Ach, es ist ja schon alles gesagt worden, und sie hören doch nicht." Ja, Ihr Neunmalweisen, noch viel mehr bleibt zu sagen, noch viel mehr zu tun. Aber frei wollen wir die Seele haben, nur dann können wir den Kampf aufnehmen und ihn so führen, wie er geführt werden muß, wenn wir gegenüber der Reaktion nicht ins Hintertreffen geraten wol­len. Zweifellos, es wird ein harter Kampf. Nun wohl, wir find da, es kann losgehen. Wir sind bereit!

Grete Weinberg.

Die wirtschaftliche Macht der Hausangestellten

Es dürfte wohl fein Zweifel darüber herrschen, daß von allen Berufsarten heute fein Stand jo sehr unter den wirt­schaftlichen Verhältnissen zu leiden hat als der Hausange­stelltenberuf. Deshalb sollte es sich der Staatsbürger jeden Standes zur fittlichen Pflicht machen, sich an dem Kampf um die primitivsten Menschenrechte der Hausangestellten­schaft mit zu beteiligen.

Man wird vielleicht einwenden, daß ja auch in den Schichten der anderen Angestellten unter den Arbeitern und Beamten Not und Elend herrsche; gewiß, aber es gibt doch feinen Stand, der so sehr unter dem Drud der Abhängigkeit von seinen Arbeitgebern leidet, und in dem der Geist der Stlaberei in so schamloser Offenheit weiterlebt, als der Stand der Hausangestellten. Denn im Gegensatz zu allen anderen Berufen ist die Arbeitszeit der Hausangestellten gesetzlich unbegrenzt, sind die Arbeitnehmer und-nehme rinnen der Laune und Willkür der Hausfrauen ausgeliefert, ist die Freizeit in der Woche auf nur wenige Stunden be­schränkt. Während dagegen jeder Bürger über die freie Zeit nach seinem Belieben verfügen kann, ist bei den Haus­

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Feuilleton  Die Zeit

Die Zeit ift alt, die Zeit ift iung, Die Zeit ift träge, fie hat Schwung, Die Zeit ift felfenbart und lind, Die Zeit ist wie die Menichen find.

Die Zeit ist Leben und ift Tod, Die Zeit ift finfter und ist rot, Die Zeit ist faltig, eng und weit, Ganz wie der Zeitgenoffen Kleid. Die Zeit ist frei, die Zeit ift Knecht, Die Zeit ist wie der Zeit Geichlecht, Die Zeit ift Spiegel jedem Sein, Das blickt in ihre Flut hinein.

Nur eines ist nicht wie die Zeit; Das iſt die Seele, groß und weit, Des Genius, der auf dunkler Bahn Fliegt leuchtend feiner Zeit voran.

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Robert Seidel.

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angestellten dies oftmals nicht der Fall. Die Hausfrau braucht nur die Vermutung zu hegen, daß ihr Mädchen" eine Versammlung des Zentralverbandes oder gar eine politische Versammlung besuchen will, und sie wird in den meisten Fällen Mittel und Wege finden, ihr den Ausgang unmöglich zu machen und sie an dem Verlassen des Hauses

zu hindern.

Die Freizeit der Hausangestellten ist so geringfügig, daß die Bezeichnung Freizeit" wie ein Hohn auf die Angehö­rigen aller anderen Berufsarten wirft. Diese wenigen Stunden reichen nicht im entferntesten aus, sich von der täglichen 13. bis 16stündigen fast ununterbrochenen Haus­arbeit zu erholen, sie reichen nicht aus, sich die eigene Klei­dung und Wäsche im Stande zu halten, oder sich gar um Beitereignisse, um Politik und Wissenschaft, um ihre Weiter­bildung, furz um alles das zu fümmern, was den einzelnen je nach der Veranlagung interessiert. Wegen dieses Mangels an freier Zeit und infolgedessen wegen der fast chronischen geistigen Abspannung haben die meisten Hausangestellten nicht die Gelegenheit sich in die Probleme der Zeit zu bertiefen.

Die Arbeitgeber sind sich dieser psychischen Verhältnisse in der Hausangestelltenschaft voll bewußt. Aber sie haben ein begreifliches Interesse daran, diesen kulturwidrigen mittel­alterlichen Zustand möglichst zu erhalten. Wäre es anders, so müßten sie ihre egoistische Weltanschauung freiwillig auf­geben und sich für die sozialistische einseßen. Deshalb kann die Befreiung des Hausangestelltenstandes aus den Fesseln der Sklaverei nur das Werf der Angestellten selbst sein. Daß dieser Befreiungsfampf mit Erfolg sofort ausgetragen werden könnte, dies wissen die Hausfrauen genau; aber um die hierzu unerläßliche Verständigung unter den Hausange­stellten zu verhindern, wird peinlichst darauf acht gegeben, daß keine Einladung zu einer Verbands- oder gar einer so­zialdemokratischen Versammlung, feine linksstehende Bei­tung, feine Zeitschrift wie die Gleichheit" ins Haus fommt. Dafür gestattet die Hausfrau gnädigst, daß sich das Mädchen" mit der Zeitungslektüre der Herrschaft be­schäftigt, natürlich erst, wenn die Zeitungen nicht mehr ge­

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zelne, die sich flar wurden über die Stellung der Frau innerhalb der menschlichen Gesellschaft. Nur wenige nahmen fühn den Kampf auf für die Befreiung ihres Geschlechts, deffen Unterjochung sie an sich selbst tennengelernt hatten. Und wie es immer geht, wenn Neues sich Bahn brechen will, wird es hart bekämpft. Pfade der Bahnbrecher find Dornenpfade.

Eine Bahnbrecherin, die Dornenpfade gehen mußte und die als eine der Kühnsten auf dem steilen Weg zur Höhe gelten kann, ist Luise Aston  . So viel sie zu ihren Lebzeiten von sich reden machte, so wenig ist ihr Name heute noch bekannt. Und doch sollte gerade ihr Name unvergeßlich eingeprägt sein in jedem Frauenherzen, das freudig schlägt in dem Bewußtsein, daß die Tore zum Lande der Freiheit geöffnet sind für das weibliche Geschlecht.

Luise Afton, geborene Hoche, stammte aus dem Städtchen Gröningen  , das im Kreis Oschersleben, Regierungsbezirk Magde­ burg   an der vom Harz herabbrausenden Bode   liegt. Hier wurde Luise im Pfarrhause am 25. November 1814 geboren. Sie schildert uns selbst die Geschichte ihrer Jugend und ihrer ersten Ehe in ihrem Roman ,, Aus dem Leben einer Frau". Dieser Roman enthält viele interessante biographische Bekenntnisse.

Bei dem Pfarrer Hoche in Gröningen  , späteren Ronsistorialrat, scheint Schmalhans Küchenmeister gemesen zu sein. Fiel doch Luisens Kindheit in die Zeit nach den napoleonischen Kriegen, wo in Deutschland   eine ungeheure Verarmung und Hungersnot ein. getreten war. Ob die schöne und geistvolle Tochter viel Wissen und

Frauengestalten des 19. Jahrhunderts Anregung im Elternhause erhielt, weiß man nicht. Sicher ist, daß

Je

Bon Anna Blos  . Luife Ufton.

näher wir dem Jahr 1848 tommen, um so weiter entfernen

ändert sich auch die Stellung der Frau und damit auch ihr Streben. Allerdings waren es auch hier wieder nur vereinzelte, die den Mut hatten, der Wirklichkeit fest ins Auge zu schauen, nur ein­

Luisens Schönheit in den Eltern die Hoffnung auf eine möglichst günftige Heirat medte, da sie selbst soviel unter Sorgen und Ent behrungen zu leiden gehabt hatten. Ihre Hoffnung follte fich balb erfüllen Mit siebzehn Jahren machte Luise Hoche die Bekannt­schaft eines reichen englischen Industriellen namens Afton. Er hielt um ihre Hand an, und so sehr Luise sich gegen die Heirat mit bem ungeliebten Manne sträubte, so mußte sie sich doch dem un­beugfamen Willen ihres Baters fügen. Er erwartete mit Sicher