Nr. 14

Für unsere Mütter und Hausfrauen

dem Namen der Ortlichkeit, die jede bewohnt. Die Gruppe setzt fich im allgemeinen, aber nicht ausschließlich, aus Einzelpersonen zusammen, die sich selbst meist mit dem Namen eines Tieres oder einer Pflanze benennen; aber auch Wind, Sonne, Wasser oder Wolke dienen als solche Gruppennamen. So gehört zum Beispiel beim Aruntastamm ein Gebiet einer Gruppe von Eingeborenen, die sich selbst Känguruh- Leute heißen, ein anderes gehört den Emu Leuten und wieder ein anderes den Hakeablumen- Leuten. Fast alle Tiere und Pflanzen, die sich in dieser Gegend finden, sind durch ihren Namen unter den menschlichen Bewohnern vertreten. Die Größe der Gebiete der Gruppen schwankt beträchtlich. Die Gruppe ber Ubnirringita- Leute des Alice Springs  - Distriftes besteht heut zutage aus 40 Personen- Männer, Weiber und Kinder biese gelten als Eigentümer von gegen 250 Quadratkilometer Landes. Hingegen ist zur jetzigen Zeit eine besondere Gruppe der Pflaumen baum"-Leute nur noch durch einen Mann vertreten, und dieser ist der Besitzer einiger weniger Quadratkilometer. Gruppen mit der felben Bezeichnung werden in vielen Gegenden des Stammesgebiets gefunden; so gibt es zum Beispiel verschiedene örtliche Gruppen ber Känguruh- Leute.

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Jede Gruppe, so klein an Zahl sie auch sein mag, hat ihren Säuptling oder, wie er in den nördlichen Teilen des Aruntastammes heißt, ihren Alatunja. Innerhalb der engen Grenzen seiner Gruppe hat der Alatunja die Führerschaft; außerhalb der Gruppe übt er aber gewöhnlich keine Macht aus. Allerdings genießen einige Häuptlinge allgemeines Ansehen auch bei anderen Gruppen. Sie verdanken dies dem Umstand, daß sie entweder einer an Zahl bedeutenden Gruppe vorstehen oder durch ihre Geschicklichkeit in Jagd und Kampf oder burch ihre große Kenntnis der alten überlieferungen und Gebräuche bes Stammes berühmt sind. Aber einen Häuptling des ganzen Stammes gibt es nicht. Die Herrschaft, die der Häuptling ausübt, ist etwas unbestimmter Natur. Er besitzt keine bestimmte Macht über die Mitglieder seiner Gruppe. Er ruft die älteren Männer zusammen, wenn diese über wichtige Angelegenheiten beraten follen, wie die Abhaltung einer heiligen Zeremonie oder die Bes ftrafung von Personen, die die Stammessitten gebrochen haben. Wieviel Gewicht die Meinung des Häuptlings bei diesen Beratungen hat, ist von seinem Rufe abhängig. Reineswegs gilt er notwendiger weise als das bedeutendste Mitglied des Rats, dessen Urteil befolgt werden müßte; immerhin kann er jedoch, wenn er alt ist und sich ausgezeichnet, großen Einfluß ausüben. Das wichtigste Amt des Alatunjas ist, über das zu wachen, was wir das heilige Schatzhaus nennen können. Es ist dies gewöhnlich eine Spalte in einer Felsen­fette, oder auch ein besonderes Loch im Boden, darin, dem Anblick verborgen, die Heiligtümer der Gruppe aufbewahrt werden. In der Nähe dieses Schatzhauses- Ertnatulunga darf sich bei Todes #trafe tein Weib, Kind oder nichteingeweihter Mann blicken lassen.

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Bu gewissen Zeiten, die der Häuptling bestimmt, vollziehen die Mitglieder einer Gruppe eine besondere Weihehandlung, die Ins tichiuma heißt. Ihr Zweck ist, den Vorrat und den Nachwuchs der Pflanze oder des Tieres zu sichern, dessen Namen die Gruppe trägt. Bei der Ausübung dieser Zeremonie hat der Alatunja die Führung. Während er aber die Weihehandlung leitet, hat er streng die Ge bräuche seiner Vorfahren zu befolgen. Wie es bei den meisten wilden Völkerschaften der Fall ist, so ist auch der Australier an Händen und Füßen durch das Herkommen gefesselt. Er hat genau zu tun, was schon sein Vater vor ihm tat. Wenn bei einer Zeremonie seine Borfahren einen weißen Strich auf der Stirne trugen, so muß auch er einen weißen Strich über die Stirne malen. Jeder Bruch einer Überlieferung hat innerhalb gewisser Grenzen sichere und häufig ftrenge Bestrafung zur Folge. So starr tonservativ der Wilde auf der einen Seite ist, so sind doch Anderungen von Sitten nicht aus­geschlossen. Wenn die Mitglieder des Stammes bei gewissen Feiern für lange Zeit versammelt sind und die älteren Männer bei den Lagerfeuern Tag um Tag und Nacht um Nacht Stammesangelegen heiten erörtern, so haben Anderungen der Gebräuche Aussicht, durch Verabredung eingeführt zu werden.

Der Häuptling wird nicht gewählt auf Grund besonderer Fähig feiten, sondern seine Stellung ist bei den Aruntas und benachbarten Stämmen in der männlichen Linie erblich. Neben dem Alatunja kommen noch zwei Klassen von Leuten in Betracht, die Bedeutung be fizzen. Das sind einmal die sogenannten Medizinmänner" und dann Männer, von denen man annimmt, daß sie in besonderer Verbin dung mit den Jruntarinia oder den Geistern des Stammes stehen. Natürlich werden verschiedene Grade der Geschicklichkeit unter den Personen dieser beiden Klassen anerkannt, genau so, wie wir Unter­schiede bei unseren Arzten auf Grund ihrer Fähigkeiten machen.

* Die Larve eines Infektes.

Die Mutter als Erzieherin.

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Vom Stillfihen. Den meisten Kleinen eignet eine quecksilber­artige Beweglichkeit. Sie verstehen sich nicht aufs Stillſizen oder Stillhalten, beweisen damit aber nur, daß Leben und Geist in ihnen steckt, und daß ihre natürliche Regsamkeit noch frei, ungebunden ist. Es ist ihnen nicht möglich, untätig dazusitzen oder es zu unter­lassen, Ausdruck dem zu geben, was in ihnen lebt. Der Große vermag schweigsam und in äußerer Ruhe zu verharren, während er fich innerlich mit einer Sache beschäftigt. Er kann denken, ohne feinen Körper in Bewegung zu setzen.

Kindern ist dies nicht ohne weiteres möglich. Bei ihnen sind Denken, Handeln, Reden fest verknüpft. Man verkennt sie in dieser Hinsicht. Statt sich über die Außerungen ihres geistigen Lebens zu freuen, schilt und tadelt man sie. Was aufzumuntern und zu för­dern wäre, wird unterdrückt. Bloß geistestote Kinder sind Meister in bedingungslosem Ruhigsein. Jenes Regen und Bewegen ist übrigens auch der Ausfluß der Vertrauensseligkeit und des Be­dürfnisses, sich mitzuteilen. Die Kleinen halten es noch für selbst­verständlich, daß das, was sie erfüllt, anderen Menschen gleichfalls Teilnahme einflößt. Später verfliegt ihnen dieser holde Wahn.

Unter gewissen Bedingungen verhalten sich auch geistesfrische Kinder ruhig. Dies ist der Fall, wenn sie durch eine sie völlig ausfüllende Sache in Anspruch genommen werden. Es kann dabei eine Beschäftigung im handgreiflichen Sinne des Wortes oder auch ein Hinaussehen aus dem Fenster, ein Betrachten verschiedener Vor­gänge usw. in Frage kommen. Was man den Kleinen so sehr ver­argt, ist nicht eigentlich die Unruhe selbst, sondern vielmehr die häufig für die Großen damit verbundene Unbequemlichkeit. Will man die Kinder zum Stillsein bringen mancherlei Verhältnisse fönnen dies erheischen, zumal in der Arbeiterfamilie mit ihrer engen Wohnung und der Inanspruchnahme der Mutter durch Arbeit und Sorge, so gebe man ihnen in einer Weise zu tun, die ihre gei­stigen Interessen ausfüllt. e. j.

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Feuilleton

Aus Charles de Costers Till Ulenspiegel  ".*

Die Blätter auf den Bäumen vergilbten, und der Herbstwind begann zu wehen. Katheline war zuzeiten eine oder drei Stunden bei Sinnen. Und Klas sagte dann, daß der Geist Gottes in seinem milden Erbarmen in sie führe. In solchen Augenblicken hatte sie die Macht, durch Gebärden und Worte einen Zauber auf Nele zu werfen, also daß sie mehr denn hundert Meilen weit Dinge er blickte, die auf Plätzen und Gassen und in den Häusern geschahen. An jenem Tage nun, da Katheline bei gutem Verstand war und Olfuchen, mit Doppelbier angefeuchtet, in Gemeinschaft mit Klas, Soetkin und Nele verzehrte, sprach Klas:

,, Heute ist der Tag der Abdankung Seiner Heiligen Majestät Raiser Karls V. Nele, mein Schätzlein, vermöchtest du wohl bis nach Brüssel   in Brabant zu sehen?"

" Ich vermöchte es, wenn Ratheline will," verseite Nele. Alsogleich hieß Katheline das Mägdlein auf eine Bank nieder­sitzen, und durch ihre Worte und Gebärden, die wie ein Zauber wirkten, sant Nele in feßen Schlummer.

Ratheline sprach zu ihr:

,, Tritt in das fleine Haus des Lustgartens, wo Kaiser Karl V.  zu verweilen liebt."

" Ich bin," sprach Nele mit leiser Stimme und als ob sie cr stickte, ich bin in einem kleinen Saal, der mit Ölfarbe grün an gemalt ist. Dort sitt ein Mann, nahe bei 54 Jahren, fahlköpfig und grau, der einen blenden Bart auf einem vorstehenden Kinn trägt. Der Blick seiner grauen Augen ist böse, voll Arglist, Grau­famkeit und verstellter Gutmütigkeit. Und diesen Mann nennt man Heilige Majestät. Er ist verschleimt und hustet viel. Bei ihm steht ein anderer, der ist jung, mit häßlicher Frage wie ein waffertöpfiger Affe. Ich sah ihn zu Antwerpen  , es ist König Philipp. Seine Heilige Majestät tadelt ihn just, daß er die Nacht sich herumge­trieben hat. Sicherlich, sagt er, um in einer Spelunke irgend eine Vettel aus dem verrufenen Stadtteil zu finden. Er sagt, daß seine Haare nach der Schenke riechen, und daß solches kein Vergnügen für einen König sei, der nur zu wählen braucht reizende Leiber mit Haut wie Atlas, in wohlriechenden Bädern erfrischt, und Hände sehr verliebter, vornehmer Damen. Das ist mehr wert als eine

* Verlegt bei Eugen Diederichs  .