Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 18
。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit
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Inhaltsverzeichnis: An meine Mutter. Von Wolfgang Goethe . Heilige Bäume. Von Hannah Lewin- Dorsch. Elterngemeinschaften. Bon nd. Für die Hausfrau. Feuilleton: Pfingstblumen. Bon Else Belli. Der Sturmestünder. Von Maxim Gorki .
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Obgleich kein Gruß, obgleich kein Brief von mir so lang' dir kommt, laß keinen Zweifel doch ins Herz, als wär' die Zärtlichkeit des Sohns, die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust entrichen. Rein, so wenig als der fels, der tief im Fluß vor er'gem Anker liegt, aus seiner Stätte weicht, obgleich die Flut mit stürm'schen Wellen bald, mit sanften bald darüber fließt und ihn dem Aug' entreißt, so wenig weicht die Zärtlichkeit für dich aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom vom Schmerz gepeitscht bald stürmend drüber fließt und von der Freude bald gestreichelt still
sie deckt und sie verhindert, daß sie nicht ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher zurückgeworfne Strahlen trägt und dir
bei jedem Blicke zeigt, wie dich dein Sohn verehrt.
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Heilige Bäume.
Von Hannah Lewin- Dorsch.
Bon jeher haben Bäume im Kult, das heißt in der Pflege der Beziehungen zwischen Mensch und übermenschlichen Wesen, eine bedeutsame Rolle gespielt. Nach dem Zeugnis des Alten Testa mentes haben die Patriarchen ihre himmlischen Erscheinungen häufig unter Bäumen; sie bauen mit Vorliebe unter Bäumen Altäre und opfern daselbst. Abraham empfängt seine erste Offenbarung von Gott unter einer Terebinthe. Der Hain von Mamre, unter dem er nachher sein Zelt aufschlägt und einen Gottesaltar baut, galt schon längst als ein heiliger Ort. Bei Versaba pflanzt dann der Erzvater wiederum einen heiligen Baum, an dem auch sein Sohn Isaat später Gebete und Opfer darbringt. Dem Richter Gideon erscheint der Engel des Herrn unter einer Eiche. Später, als mit der Einigung der Stämme Israel deren Religion sich zu einer Nationalreligion entwickelt und der ganze Kult in Jerusalem seinen Mittelpunkt hat, da wird die Gottesanbetung unter den heiligen Bäumen hier und da als Gößendienst gebrandmarkt und von den Propheten dem Volle strafend vorgeworfen. Sie dienen den Gößen statt ihrem Gotte," ruft Hosea ,„ auf den Gipfeln der Berge schlachten sie und opfern auf den Hügeln unter Eichen und Weißpappeln und Terebinthen!"
Deffenungeachtet haben sich die religiösen Beziehungen des Voltes zu Bäumen, die damit zu heiligen Bäumen wurden, in Palästina, Syrien und Arabien bis auf den heutigen Tag erhalten, sie sind aufs festeste im Voltsbewußtsein verwurzelt und finden ihren Ausdruck häufig in ganz eigenartigen Formen. Ein guter Kenner syrisch- arabischen Volkslebens( J. Curtiß in seinem Werke „ Ursemitische Religion") berichtet uns darüber. Es gibt überall im Lande, so erzählt er, zahlreiche, den Beduinen wie den Syrern heilige Bäume. Einige stehen nahe bei Heiligtümern und sind als Eigentum des dort verehrten Heiligen von vornherein mit bes sonderer Würde umkleidet. Sie sind unverleßlich wie das gesamte übrige Eigentum des Heiligen oder wie alles, das seinem Schutze unterſtellt ist. Gleichzeitig geht aber auch der Volksglaube dahin, daß sich in solchen Bäumen der Heilige unmittelbar offenbare. Auch außerhalb der Tempelheiligtümer und mit ihnen in feinem Zusammenhang gibt es viele Bäume, die man mit Gelübden und Opfern bedenkt, weil man sie von Geistern bewohnt wähnt. Solche Bäume findet man sehr häufig ganz mit Lappen und Tuchfeyzen behängt. Die Bestimmung solcher Feßen läßt sich nicht immer mit voller Sicherheit feststellen. Nach einigen sollen sie für den Heiligen ein dauerndes Erinnerungszeichen an den Besuch und die vorge tragene Bitte des gläubigen Berehrers bedeuten. Nach andern aber
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soll der von dem Körper eines Heilung suchenden Kranken hingegebene und an einem Zweige des Baumes aufgehängte Fehen Tuch das Leiden von dem Hilfeflehenden auf den Baum beziehungsweise auf den in ihm wohnenden Geist übertragen. Manchmal nimmt auch der Bittsteller einen Lappen von den schon am Baume hängenden mit sich, um durch beständiges Tragen desselben gleichsam der Kraft des Baumheiligen teilhaftig zu werden. Bei dieser Deutung fann uns unwillkürlich einfallen, was in der Apostelgeschichte geschrieben steht:„ Gott tat besondere Wunder durch die Hand Pauli, so daß man den Kranken Hüllen und Tücher von seinem Leibe auflegte; und die Krankheiten wichen dann von ihnen und die bösen Geister flohen."- Von einem anderen Baume in Arabien , der ganz und gar mit Tuchfeßen behängt ist, erzählte eine dort wohnende Bäuerin, daß man zu dem Heiligen des Baumes bete und nach Erhörung des Gebets diese Lappen zum Danke an die Baumzweige binde. Andere Bäume eines heiligen Haines stehen im Geruche, daß sie den Kranken, der sich in ihrem Schatten niederlege, von seinem Leiden befreien. Oft werden an ihnen nicht Zeugstücke, sondern Fleischbissen aufgehängt, gleichsam als Nahrung für die in den Zweigen wohnenden Geister. Eine Eiche im nördlichen Syrien trägt geradezu den Namen eines Heiligen oder Weli, man verbrennt vor ihr Weihrauch und betet sie an, genau wie einen Gott oder einen Heiligen selbst.
Diese Sitte, an die Zweige bestimmter Bäume Tuchlappen und ähnliches zu binden, findet sich nun nicht nur auf syrisch- arabischem Gebiet, sondern auch in anderen Gegenden Asiens und in anderen Erdteilen. Eine Bewohnerin der russischen Ostseeprovinzen erzählte mir vor einigen Jahren, daß in abgelegenen ländlichen Gegenden ihrer Heimat bei Krankheiten des Viehs die Bauern besondere Bäume in der Nähe ihrer Ortschaft mit bunten Zeugstücken, farbigen Bändern und Blumenkränzen zu behängen pflegten, in der Erwartung, daß die bösen Geister", die den Viehschaden veran laßten, sich dann versöhnen ließen. Auch in Nordafrika ist es Sitte, daß die Passanten einzelstehende Bäume mit Fetzen von ihren Gewändern oder auch nur mit einzelnen, aus dem Kleide gezogenen Fäden schmücken; sie glauben, damit ihre eigenen Leiden, Sorgen und Gebrechen auf den Baum zu übertragen. In der ägyptischen Wüste mangelt es zwar stellenweise gänzlich an Bäumen; troydem läßt sich hier die gleiche Gepflogenheit, nur in etwas veränderter Gestalt, wiederfinden. Die Vorüberziehenden haben dort in aufgetürmte Steinhaufen Stangen gesteckt und an diesen ihre Lappen und Fezzen aufgeknüpft, wie anderwärts an die Zweige von Bäumen. Von den Bewohnern der Insel Borneo heißt es:" Ost stehen an Kreuzungen Bäume, die mit unzähligen Lumpen behängt sind. Jeder Vorübergehende reißt ein Stück von seiner Kleidung ab und befestigt es an dem Baume. Den Ursprung dieses Gebrauchs haben die Leute längst vergessen, sie würden aber für ihre Gesundheit fürchten, wenn sie ihn einmal vernachlässigten."
Charles Darwin erzählt in seinen Reiseberichten auch aus Batagonien im südlichen Amerika folgende hierher gehörende Beobach tung:„ Nahe bei Patagones sahe ich den berühmten Baum, den die Indianer als den Altar des Gualitfchu( das ist ein böser Geist) bezeichnen und verehren. Er liegt auf einem erhöhten Teil der Ebene und ist daher auf große Entfernung hin sichtbar. Wenn ein wandernder Indianerstamm ihn zuerst erblickt, so beweist er seine Verehrung durch lautes Geschrei. Der Baum selbst ist niedrig und dornig und hat viele Aste. Er steht ganz allein. Da es Winter war, so hatte er keine Blätter, aber an ihrer Statt war er bedeckt mit den verschiedensten Gaben: man hatte Zigarren, Brot, Fleisch und auch Tuchstücke an zahllosen Fäden an ihm aufgehängt. Die Armen, die nichts Besseres zu geben hatten, zogen nur einen Faden aus ihrem Kittel und befestigten ihn an diesem Baume. Um das Bild vollständig zu machen, war der Baum noch von den ge= bleichten Knochen der Pferde umgeben, die in seiner Nähe, ihm zum Opfer, geschlachtet worden waren."
Elterngemeinschaften.
Sechs Jahre lebt das Kind in Ungebundenheit. Die Wohnstube, das Haus, die Straße mit ihren Winkeln und Plätzen sind seine Welt. Beim Spielen und Umbertollen lernt es unermüdlich, und seine durstigen Sinne saugen alles in sich ein, was die Welt ihm