68

Feuilleton

Brand.

Ein dramatisches Gedicht von Henrik Josen. ( Aus dem dritten Akt.)

Der Vogt.... Ich mag gern etwas Poesie. Das tun im Grund wir alle, die Wir hier daheim; wiewohl verhalten; Im Leben darf sie niemals walten, Nur von Glock' sieben bis Glock' zehn Des Abends, wenn wir müßig gehn, Und man, vom Tagwerk müd und matt, Ein Aufschwungsbad vonnöten hat. Was uns an Ihrem Treiben irrt, Das ist: Sie woll'n stirb oder gib! So'n wie mäh'n auf einen Hieb. Sie trachten, wie die Dinge scheinen, Idee und Leben zu vereinen,

-

Sie woll'n den Täter mit dem Beter So innig in ein Joch geschirrt, Daß eins draus wird, wie aus Salpeter, Karbon und Schwefel Pulver wird. Brand. Erraten.

Der Vogt.

Doch in dieser Weise Bewirtschaftet man größere Streise. Die werden Ihrem Wunsch genügen, Uns ziemt nur, Moor und Meer zu pflügen. Brand. Pflügt mir zuvörderst Euer leer' Geprahl von Ruhm hinab ins Meer! Ein Zwerg wächst darum um fein Haar, Weil Goliath sein Urahn war. Der Bogt. Große Erinnerungen stärken. Brand. Ja, treiben sie zu neuen Werken.

-

Doch Ihr schuft jenes Säfulum Zu Eures Stumpfsinns Faulbett um. Der Vogt. Mein erstes bleibt mein letztes Wort; Am besten wär's, Sie zögen fort. Hier wird Ihr Wirken nur versanden, Ihr Weltanschauen nicht verstanden. Das Trösten auf ein besser Morgen,

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Den Aufschwung, der von Frist zu Frist Geplagtem Volt vonnöten ist, Werd' unverdrossen ich besorgen. In meiner ganzen Laufbahn spricht Gar viel von wohlerfüllter Pflicht; Ich hab' des Voltes Zahl verdoppelt, Verdreifacht schier, zudem zugleich Bald den, bald jenen Nahrungszweig An diesen Fjordstrich gekoppelt. Mit trogender Natur im Kampf Sind fortgerückt wir wie mit Dampf, Und Wege ziehn sich, Brücken streben Brand. Doch nicht vom Glauben hin zum Leben. Der Bogt. Vom Fjord bis hoch zum Gletscher schnee.

Brand. Nicht zwischen Handlung und Idee. Der Vogt. Erst Urbarmachung, Spann' um

Spann',

Erst Fortkunst zwischen Mann und Mann, Darüber war ein Urteil nur,

Eh' Ihr Geist in die Leute fuhr. Des Grubenlichts gewohnten Schein Verquickten Sie mit Nordlichtsflammen; Wen läßt solch Zwielicht da noch scheiden, Was recht, was unschuldig Leiden? Jedwed Verhältnis rann zusammen; Und die vereinigt siegen sollten, Stehn in zwei Haufen nun zerscholten. Brand.... Sollt' ich nach Ihrem Ratschlag handeln,

Die törichten Bauern.

Zwei Schwänke aus alter 3elt.

Ich müßt' mein innerst Wesen wandeln. Doch das just gilt's: Sich selbst zu leben, An sein Werk ganz sich hinzugeben; Und dies, mein Wert, ich führ's hinaus, Daß es soll leuchten um mein Haus! Das Volk, das Euer Führertrott Einschläferte, wach' auf zu Gott  ! In Eures Engsinns Zwinger   schwur Es ab bald letzte Bergnatur; Aus Eurer Kleinheit Hungerfur Hervorgeht jeder stier und stur; Ihr sogt ihm aus sein bestes Blut, Ihr grubt ihm' s Mark aus seinem Mut;

Unter den Bauern zu Dunkelsbach im Schwarzwald   gärte es schon seit langem, denn die Herren von Rüdestolz trieben es mit Zins und Fronden und Leuteschinden gar arg, also daß den Bauern kaum das nackte Leben blieb. Da kamen sie seit Monden zur Nachtzeit zu­sammen und schmiedeten in Fleiß und Geduld ein mächtiges Schwert, lang und breit und stahlhart wie das Schwert des großen Karl in der Gruft zu Aachen  ; dabei sangen sie truzige Lieder von der Frei­heit aller Christenmenschen und verschworen sich, die Tyrannen zu verjagen und Wald und Weide wieder wie in Urväterzeit zur ge­meinen Mark zu schlagen. Und solch einen großen Mut gab ihnen der Gedanke an ihr Schwert, daß sie seither dem Junker in mancher­lei Art zu trozen wagten, ja, auch durchblicken ließen, wie es nicht geraten sei, wenn der Herr die Zügel zu straff anziehe. Als der Ritter mun merkte, wie es mit den Bauern stand, fuhr ihm ein ge­waltiger Schreck durch die Glieder, und er sann und plante manche Tag und Nächte und schickte seine Leute aus, das Schwert zu suchen und zu zerbrechen. Aber das gelang ihnen nicht. Da ward dem Junker bang im Herzen, und er dachte:" Wie, wenn die Bauern rings im Lande gemeinsame Sache machen? Ich bin zwar ein ge­waltiger Degen, aber viele Hunde sind des Hasen Tod. Ich will sie schrecken mit meinen edlen Nachbarn, den Herren von Eisenfaust und vom Raubstein." Und so geschah es. über kurzem lagen sich die Herren Nachbarn in den Haaren. Sofort schickte der Junker Boten an seine Leute und ließ ihnen sagen, der Feind sei da und bedrohe alles Land mit Mord und Brand. Da holten die Bauern ihr Schwert hervor, zogen in hellen Haufen vors Schloß und riefen: Herr nimm's! Im Herzen aber hofften sie, der Junker werde nach dem Siege den Wald herausgeben und die Fronden erlassen.

Nun weiß man nicht, wie die Sache eigentlich ausgegangen ist. Die einen erzählen, als man den Bauern nach dem großen Schlagen das Schwert herausgab, sei es in viele Stücke zerbrochen gewesen,

-00­

Ihr pochtet mürbe jedes Herz,

Und sollte stehn wie gossen Erz;

Nr. 17

Doch noch wie lang sein Groll auch schwieg- Kann's Euren Ohren donnern: Strieg! Der Vogt. Krieg? Brand.

Der Vogt.

Krieg!

Gut; fangen Sie nur an!

Sie fallen als der erste Mann.

Brand. Einst wird gewaltig offenbar,

Daß Unterliegen Siegen war!

Der Vogt. Brand! Brand! Sie stehn an einer Wende;

Wenn Sie der Einsatz nur nicht reut! Brand. Ich wag' ihn.

Der Vogt. Nimmt's ein schlimmes Ende;, So ward Ihr Lebenstag vergeud't. Sie haben, was das Herz begehrt; Erbgut wird Ihnen aufgedrängt; Ein Kind macht Ihnen' s Leben wert, Ein leb' Gemahl; das Glück, es hängt Vor Ihnen wie die reife Beere! Brand. Und wenn ich dennoch diesem Glück, Wie Sie's verstehn, den Rücken fehre? Falls ich es muß? Der Vogt. Bergeben Stück Entroll'n Sie der Fernabwelt hier Ihr volkskriegwedendes Panier! Ziehn Sie zum Süden, zu Gestaden, Wo kühne Köpfe mehr in Gnaden; Dort sammeln Sie die Starkgemuten Und lassen die Gemeinde bluten; Hier opfern wir nicht Blut,

nur Schweiß, Im Kampf um Brot mit Stein und Eis. Brand. Hier bleib' ich doch. Hier ist mein Herd.

-

Und wo mein Herd ist, liegt mein Schwert. Der Vogt. Sie wissen, was sie als Nichtsieger Verlieren und nie mehr erreichen! Brand. Mich selbst verlör' ich, wollt' ich weichen. Der Vogt. Brand, fruchtlos kämpft ein ein­samer Krieger. Brand. Die Besten sollen mir Folgschaft leisten. Der Vogt( lächelt). Mag sein, doch mir die meisten.

-

und die Dunkelsbacher hätten ein halb Jahrhundert wieder daran zu schmieden gehabt. Andere meinen, der Junker habe das Schwert überhaupt nicht mehr herausgegeben. Alle Chronisten sind sich aber darin einig, daß der Junker feinen Augenblick daran dachte, auf Wald, Fronden und Zinsen zu verzichten. Die Bauern hatten ja kein Schwert mehr....

*

*

Auf der Alm am Schreckensgrat ging es gar wüst her. Der Toni war mit seinem Anhang hinaufgerückt, um den Sepp von dem Streifen Landes zu vertreiben, auf den er, wie er sich hoch und heilig ver­schwor, mehr Anrecht habe als der schuftige Sepp, der ihm nicht das geringste auf Gottes Erde gönne. Bald war eine tolle Rauferei im Gange, und das rote Blut troff nur so den beiden hizigen Burschen aus Nase und Stirn. Schließlich packten sich die beiden Gegner, und es gab einen regelrechten Ringkampf. Strach, ging's mit Berren und Schieben über den Zaun hinweg, der zum Schutz für unvorsichtig Mensch und Tier am Rande der Felsplatte errichtet war, wo's viele hundert Fuß jäh abwärts in die Tiefe ging. Halt," schrie der Martin vom Geiershof und wollte die Wütenden zurückhalten, seht ihr denn nicht, daß ihr ins Verderben rennt?" Nun wirst du aber eher zwei Liebende, denn zwei verbissene Gegner trennen. Ein Schuft, wer mich stört," schrien beide aus Leibeskräften, jezt, da ich ihn gleich am Boden habe! Jetzt heißt's durchhalten!" Und traten in der Wut, da sie sich mit den Fäusten gepackt hatten, mit den Füßen nach denen, die sie trennen wollten. So geschah denn, was kommen mußte. Plötz­lich verschwanden beide zum Entsetzen der Zuschauer in der Tiefe. Nach einer atemlosen Pause troch der Peter Dof, den sie alle im Dorf für nicht ganz richtig im Oberstübchen hielten, an den Rand des Abgrunds, spähte vorsichtig hinab, drehte dann sein rundes Voll­mondgesicht den anderen zu und rief freudestrahlend: Der Toni hat gefiegt, der liegt oben!" Friz Elsner.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Betfin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.g. in Stuttgart  .