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Für unsere Mütter und Hausfrauen

" Ja, ich will, hol mich der Teufel, meinen Taglohn haben!" er Härte Sofie.

Das versteht sich," versezte Hans Nielsen  , den haben doch die andern auf ihre Weise auch bekommen."

" Nein, das gilt bei mir nicht; ich will bar ausgezahlt sein," betonte Sofie mit starkem Kopfnicen.

" Pfui Teufel, großschnäuziger Prok!"

Nr. 2

" Was hast du gesagt?" Hans Nielsen   pflanzte seinen braun­roten Bart dicht vor ihn hin, warf sich aber dann kurz auf seinem Absatz herum und ging, steif wie eine Bildsäule, in sein Schlaf­zimmer.

Gleich darauf kehrte er zurüd und schmiß mit einer verächt­

Na, wer hat denn auch was anders gesagt?" beschwichtigte lichen Handbewegung vier Behnkronenscheine dem Straßenräumer Niels. Bist du zufrieden mit 75 Dre?"

Nein, Gott   bewahre!" sagte Sofie." Wenn ich nicht meine Krone dafür haben soll, daß ich den ganzen langen Tag daliegen und mich schinden und auf der Erde herumrutschen tu, so rühr' ich mich überhaupt nicht aus dem Haus; das hab' ich schon oft zum Jens gesagt; da bleib' ich daheim bei meiner Weberei; da weiß man doch, woran man ist, und siht wenigstens trocken."

" Du bist aber schon bald grad so teuer wie ein Mannsbild," bersetzte Nielsen, indem er mit einem Seufzer das Kronenstüd hervorzog. Die andern blickten mit langen Hälsen nach, wie es über den Tisch seinen Weg zu Sofie nahm.

Nun war die Reihe an den alten Ywer gekommen.

Außer seinem bißchen Taglöhnerarbeit versah er auch noch die eines Wegräumers, der, von der Gemeinde angestellt, für eine oder zwei Mart* des Tags mit der schweren Schaufel die meilen langen Wege im ärgsten Rot und Schlamm abging, um die aus­gefahrenen Geleise mit Schotter auszufüllen.

Das hätte, schien es dem alten Ywer, am Ende nicht so viel zu sagen gehabt, wenn man nur die paar armseligen Schillinge auch gleich bekommen hätte, nachdem sie verdient worden, aber zumeist mußte er zwei bis dreimal vergebens rennen, bevor es dem ge­bieterischen Herrn Gemeindevorsteher gefiel, mit dem Geld heraus­aurüden.

Na, Ywer, du hast jetzt zugeschaut, wie die Sofie mir zugesetzt hat, soll man vielleicht auch von dir ausgebeutelt werden?"

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" Nein, nein, gewiß nicht, Hans Nielsen  ," sagte ywer, die roten Augen trocknend. Von wegen dem einen Tag, da red' ich gar nicht weiter. Aber du wirst wohl wissen, daß ich schon etlichemal bei dir gewesen bin wegen dem Weggeld ich hab' es ja schon die ganzen letzten drei Monate nicht gekriegt und wir haben bald schon keinen Bissen Brot mehr daheim; auch fürs Schwein hätt' ich gern ein paar Körner Mais gekauft, und auf Borg, da gibt ja niemand etwas her. Wenn du mir vielleicht nur zehn Kronen derweil geben möchtest, so könnt' das andere für später stehen bleiben."

" Kommst du schon wieder mit deiner ewigen Quengelei wegen dem Weggeld," versette Hans Nielsen  . Das sind doch Gemeinde­sachen; und was hat der Quart mit meinen Erdäpfeln zu tun? Ich hab's dir doch schon gesagt, dafür muß immer Vorsorge ge­troffen sein, daß Geld da ist für die laufenden Ausgaben'; und das geht wahrhaftig nicht an, die Gemeindekasse auszuleeren, daß sie dann blank ist bei, unvorhergesehenen Fällen'. Da gibt's mehr als einen, der viel länger warten muß als du. Ihr kleinen Leute, ihr glaubt, die Administration, die geht wie' s Haar aus der But­ter, aber das ist wahrhaftig nicht nur so, die Gemeinde aufrecht zu halten. Ihr habt keine Steuer und braucht nicht herhalten, aber ganz was anderes ist's, wenn man dasteht und die Verantwortung trägt."

Bei diesen Worten recte Hans Nielsen   seinen Bauch über den Tisch zu dem armen Wegräumer vor, steckte die Daumen in die Armlöcher der Weste und trommelte heftig mit den langen Fingern auf seinen Brustkasten.

Doch nun kochte der Born in Pers Brust, und unversehens fuhr ein heißer Strahl Hans Nielsen   ins Gesicht.

" Das ist doch bei Gott   das Erbärmlichste, was mir mein Leb­tag noch vorgekommen ist! Eine reiche Bauerngemeinde, und will einem armen Teufel von Straßenräumer seinen elenden Taglohn nicht auszahlen, sondern läßt ihn den langen Weg ein übers andre­mal rennen, trotzdem ihm die paar Schilling so leicht gezahlt wer­den könnten, als man sich ein Haar wegzupft. Das begreif' ich nicht, daß Ihr Euch nicht in den Hals hinein schämt; denn das ist doch so lumpig, daß jeder rechtschaffene Mensch sich umdrehu und Euch anspuden muß! Ihr verdient, beim Henker, daß man Euch in die Zeitung fett."

Hans Nielsen   war feuerrot geworden.

" Hör' du, mein Lieber, mir scheint, du vergißt, wo du bist und wer du bist. Vorderhand bist du noch nicht drin im Gemeinderat; dazu wird's vielleicht noch eine Weile brauchen. Wir pflegen vor­derhand keine so Grünen zu nehmen. Und jetzt möchte ich dir raten, dir ein wenig eine Bremse anzulegen. Denn hier bin ich Herr im Haus, du Gemeindejunge!"

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Eine dänische Mart gleich 35 deutsche Pfennige.

vor die Nase.

" Sei so gut und quittier'!"

Nein, Hans Nielsen  , wenn es so in einem Born ist, daß du mir ste geben tust, da mag ich sie heut gar nicht haben, gar keine Red," beteuerte der alte Ywer," da schau ich lieber, daß ich mich noch eine Weile so behelf."

Hans Nielsen   sagte kein Wort weiter, sondern begann die Quit­tung auszufertigen. Sez da deinen Namen her," sagte er, gebie­terisch auf das Papier deutend.

" Nein, wie ich sag', Hans Nielsen  ..."

" Willst du sie haben oder willst du sie nicht haben?" Ohne weitere Einwendungen zu wagen, umfaßte der alte wer den Federstiel wie eine Leimstange und schrieb.

Schweigend und umständlich und unter vielen scheuen Seiten­bliden nach dem Vorsteher hin legte der Straßenräumer die Scheine zusammen und ließ fie in den schlotterigen Beutel ver. schwinden.

Nun war nur noch Line übrig. Während der letzten bewegten Szenen hatte sie gehustet, daß ihr die Rippen krachten. Woher sollte sie nach dem, was hier vorgegangen war, den Mut nehmen, mit ihrer Bitte herauszurüden? Und andererseits hatte sie es Anders so fest versprochen, sie vorzubringen, daß sie sich daran wagen mußte.

Na, jetzt hat also ein jedes, was ihm zukommt!" bemerkte Hans Nielsen   und machte Miene, die Stube zu verlassen. " Vergißt du nicht die Line da?" sagte nun Sofie. Sie hat doc auch ihren Strich Acer   durchgegraben."

" Na ja, kann sein, daß<-?"

Nein, dafür, da will ich gewiß nichts verlangen. Aber um was anders tät ich dich recht inständig bitten, Hans Nielsen  ." " Hab' mir's gedacht," entgegnete dieser.

" Ich trau mich gar nicht damit heraus. Es ist meist wegen dem Anders. Er ist ja arg zugerichtet, der Arme, und es wird wohl noch viel Zeit hingehen, bevor er wieder was verdienen kann. Jetzt ist's schon die neunte Woche; es ist recht streng für uns, ja gewiß! Daß er auch nicht einen Funken Hilfe von keiner Seite hat haben können, wo ihm doch die Hand zerquetscht worden ist, das wil einem gar nicht eingehn."

" Ja, solche Sachen gehen nach dem Gesek!" warf Han Nielsen ein.

Das tun sie freilich wohl," gab Line zu und hustete herzzer reißend. Aber schon vierzehn Tage haben wir keinen Löffel Bu speise im Haus gehabt, und hätt' man nicht die Kuh, man müß hin werden. Eine ganze Familie aber, die kann doch nicht allein von der Kuhmilch leben; und der Bäcker will jetzt auch nichts mehi auf Borg geben. Und der Anders fällt gradzu ab, daß es ein Jammer ist mit anzusehen, er, der doch inwendig nicht krank ist Ich will nicht von mir und den Kindern reden; denn die eine, die in die Schule geht, hat schon nicht so viel wie ein Lot Fleisch auf den Knochen. Ach, Jeses, wie es uns schlecht geht hinten und vorn Ja, solang er seine Hand hat brauchen können, der Anders, do mar's ganz was andres; denn das ist wahrlich nicht seine Art. müßig zu fizen. Aber was soll so ein Unglücklicher anfangen? Die paar Kronen, die ich verdien, ich armes, krankes Mensch, die langen nicht weit. Und da hab' ich dich also bitten wollen, Hans Nielsen  , ob du uns nicht ein Klein wenig Hilfe könntest zukommen lassen in der harten Zeit, damit man nicht geradezu drin ersäuft." Line hielt einen Augenblick inne und schaute zu dem Gemeinde­vorsteher auf, indes ihre Tränen auf die Kanten ihres ausge­fransten Kopftuchs niederrannen.

" Ja, Hilfe, was meinst du denn?" warf der Vorsteher ein, wollt ihr jetzt vielleicht Unterstützung von der Gemeinde?"

" Nein, nein, Hans Nielsen  , das will der Anders in keiner er­denklichen Art; nein, davon will er nichts wissen, das hat er mir oft genug gesagt, eh ich fortgegangen bin, daß ich die nicht und nicht anrufen darf. Aber die freie Armentasse ich weiß freilich wohl, es gibt so viele, die sie brauchen, die gibt's ja jederzeit. Gott  besser's aber könnt nicht doch noch was mehr für uns abfallen, wenn es noch so wenig wär, jetzt, wo es so schwer für uns aus­schaut?" ( Schluß folgt.) Verantwortlich für die Redaktion: In Bertretung Hanna Buchheim in Stuttgart  . Druck und Berlag von J. H. W. Dieß Nachf. G.m.b.g. in Stuttgart  .

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