Nr. 3

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Gesellschaft berechnet, daß der neue Spiritusbrenner in der Stunde ein Zwölftelliter Brennstoff verbraucht, was bei einem Preis von 60 Pf. für das Liter Spiritus 5 Pf. ausmachen würde. Will man jedoch die gleich starke Helligkeit haben, so muß man offenbar mit einer öfteren Erneuerung des Dochtes rechnen, der etwa 25 Pf. foftet. Jedoch das ist nicht die Hauptsache. Entscheidend wird der Preis des Spiritus sein. Gerade wenn die Beleuchtungsfrage zur Notfrage wird, liegt die Gefahr nahe, daß einzelne die Lage zur Erzielung besonders fetter Profite ausnußen. Das Wort Wucher­preise" ist auf allen Lippen. Sicherlich würde die reiche Kartoffel­ernte die Möglichkeit bieten, Brennspiritus zu billigen Preisen zu bertreiben. Aber welche Hausfrau fann glauben, daß diese Möglich­feit im Interesse des arbeitenden Volkes ausgenutzt wird, nachdem heute nicht einmal die Speisekartoffeln wohlfeil geworden sind, die doch den Unbemittelten häufig Brot, Fleisch und Fett ersehen müssen. Und die Reichsregierung hat nicht preisregelnd eingegrif­fen. Sogar ein Blatt wie die Soziale Pragis", das gutgesinnt bis zum Tüpfelchen über dem i ist, erklärt in der Frage: Die Regie­rung spricht in rosenroter Zuversicht von einer etwaigen Ermäßi­gung der Spirituspreise, während doch die bitteren Erfahrungen des ersten Kriegsjahres im entgegengefeßten Sinne sprechen, falls nicht die Behörde sich zum Eingriff in das Preisgetriebe ent­schließt!" Allein jogar den günstigsten Fall angenommen, daß der Brennspiritus ausreichend und zu erschwinglichen Preisen zu haben sein wird, bleibt eine Tatsache bestehen. Wie bei der Petroleum­Tampe, so erfordert auch bei der Spiritusglühlampe das Richten, Pußen und Sauberhalten viel Zeit, Mühe und Aufmerksamkeit, ja es scheint befonders umständlich zu sein. Zeit ist heute für viele Hausmütter Geld, Geld in der buchstäblichsten Bedeutung des Wor­tes, denn sie müssen erwerben.

Die Zeiten liegen zum Glück hinter uns, wo die Petroleum- oder Spiritusglühlichtlampe den höchsten Fortschritt fünstlicher Beleuch tung darstellte. Wissenschaft und Technik im Bunde haben uns Licht geschaffen, das an Leuchtkraft und Billigkeit Petroleum   und Spi­ritus übertrifft und obendrein Arbeit und Zeit spart. Wir haben Gas und Elektrizität. Wie hell ist es dort, wo sie zur Beleuchtung bienen, und wie freut man sich, daß es kein Einfüllen von Brenn­stoff, kein Dochtputzen usw. gibt. Am größten sind ja die Vorzüge des elektrischen Lichtes. Da bedarf es nicht einmal mehr des An­ftedens mit einem Streichhola, eine leichte Handbewegung genügt. Die Gefahr fällt fort, daß jüngere Kinder in einem unbewachten Augenblick Anzünden" spielen, sich an der Petroleumlampe ver­brennen, Gas ausströmen lassen, vielleicht einen furchtbaren Un­glüdsfall heraufbeschwören. Wie beruhigend ist dieser Gedanke für die Mutter, die bei der Haus- oder Verdienstarbeit die Kleinen so oft ohne Aufsicht lassen muß.

Von allen praktischen Vorteilen des elektrischen Lichtes abgesehen, spricht in der gegenwärtigen Zeit noch eine Erwägung dafür. Die Erzeugung von Gas und seine Herstellungskosten sind an die För­derung und den Preis der Kohle gebunden. Die Folgen davon liegen auf der Hand, wenn die Kohle knapp und teuer ist. Die Teuerung ist aber bereits da. Die Kohlenförderung ist für den Arbeitstag und den Kopf der beschäftigten Arbeiter während des Krieges durchaus nicht so beträchtlich gesunken, wie es von Leuten behauptet worden ist, die ihren Vorteil von hohen Kohlenpreisen haben. Die Arbeits­kräfte sind nicht außerordentlich verteuert worden. Die Kohlen­preise aber sind riesig gestiegen. Die Verrechnungspreise im Ge­schäftsverkehr zwischen Kohlensyndikat und Bechenfirmen standen am 1. September 1915 nicht weniger als 15 bis 25 Prozent über benen von 1913/14. Der Groß- wie der Zwischenhandel ist rührend einmütig darin, die Kohlenpreise durch Kriegszuschläge" ganz be­denklich rücksichtslos in die Höhe zu treiben. Und die verbündeten großen Bergwerksgesellschaften haben das Heft in den Händen und können nach Belieben schalten und walten und künstliche Knappheit nebst Teuerungspreisen schaffen. Ein Beispiel für ihre Macht. In Berlin   macht sich Koksnot" geltend. Warum? Weil angeblich die städtischen Gasanstalten versagten, nicht genug Koks liefern tonn­ten. Der Grund dieses Versagens" liegt aber nicht an den Gaswer­len, sondern an den großen Bergwerksgesellschaften, die wohl den Berliner   Großhandel, nicht aber die städtischen Gasanstalten mit genügend Kohlen versorgen wollen. Eigens um diese dafür zu stra­fen, daß sie in Friedenszeiten die Interessen der städtischen Bevöl Berung gewahrt und neben deutscher Kohle auch die billige und ver­Billigende englische Kohle verwendet haben. Wie die Frankfurter Beitung" vom 29. September mitteilt, strafen die Bergwerksgesell­fchaften auch andere städtische Gaswerte in der gleichen Weise. Die Bevölkerung hängt also mit Heizung und Beleuchtung von ben Brutal eigennützigen Treibereien fleiner Alüngel ab. ( Schluß folgt.)

Die Mutter als Erzieherin.

-

11

Befehlen und Gehorchen.* Auch wir können den Gehorsam in der Kindererziehung nicht entbehren. Erwarten wir doch auch von dem Erwachsenen, daß er sich dem Willen der Gesamtheit füge, Diszi­plin übe. Aber für uns ist der Gehorsam, die Unterwerfung nicht Zweck der Erziehung wie in der Volksschule und im Heer- sondern nur Mittel zum Zweck. Und wir verlangen nicht blin= den Gehorsam, der ohne Grundangabe sich schlechthin unter­wirft, sondern freien Gehorsam, der durch Einsicht in die. Gründe hervorgerufen wird.

Sowie es der Fassungskraft der Kinder einigermaßen entspricht, dann erkläre man ihnen, weshalb man etwas von ihnen verlangt. Indem man sich selbst zwingt, eine solche Begründung zu geben, hat man die beste Kontrolle dafür, ob das Verbot wirklich notwen­dig war. So wird die Mutter etwa sagen:" Komm, gib mir das Buch, ich will's wieder an seinen Platz legen. Der Vater hat das Buch sehr lieb, und er wäre sehr traurig, wenn du es ihm schmuhig machtest oder zerrissest." Man höre auch die kindlichen Einwände ruhig und freundlich an und widerlege sie dann sachlich. A ber man vermeide es, seine Verbote durch Begrün­dungen zu unterstüßen, die nicht in der Sach e selbst liegen, etwa durch Versprechungen oder Drohungen. Im vorliegenden Falle wird die Mutter also nicht sagen: Bege das Buch hin, dann bekommst du ein Stück Zucker"; auch nicht: Wenn du's nicht hergibst, dann sage ich es dem Vater, und der haut dich dann tüchtig."

Vor allem soll man nicht mit erdichteten Folgen drohen, zum Beispiel sonst kommt der Schußmann!" oder" der schwarze Mann wird dich holen"; oder, was im Grunde auf dasselbe herauskommit: Der liebe Gott sieht's und wird dich strafen." Diese Schut­mannsmoral ist sehr wenig dauerhaft. Was man nur aus Furcht vor dem Schuhmann nicht tut, das tut man dann getrost, wenn man sicher weiß, daß keiner in der Nähe ist. Und wenn der Schulglaube an den lieben Gott, der sich um alle Kleinigkeiten fümmert und früher oder später straft, im Leben dann verloren geht, ist auch die Moral, die nur auf der Furcht vor der Strafe Gottes beruhte, mit verloren gegangen.

Man suche die Gründe für seine Verbote also ba, wo sie wirklich zu finden sind, nämlich in so= zialen Momenten. Wenn mein Kind in öffentlichen Anlagen Blumen pflücken will, dann sage ich ihm nicht: Tue das nicht. Wenn's ein Schuhmann sieht, wirst du bestraft." Sondern ich sage ihm: Denk mal, wenn all die vielen Leute, die hier spazieren gehen, Blumen abreißen wollten, dann wäre bald kein einziges Blümchen mehr vorhanden, über das wir uns freuen könnten." überall, wo das Kind in die Rechte anderer eingreifen, zum Bei­spiel seinem Bruder ein Spielzeug wegnehmen oder ein Tier quälen will, wird man es veranlassen, sich in die Gefühle des Ge­schädigten hineinzuversehen, nach der schlichten, hausbackenen Weis­heit:" Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Das Verbot, irgendwelche Gegenstände mutwillig zu verderben, wird man begründen mit einem Hinweis auf die Ar­beit, die in dem betreffenden Gegenstand verkörpert ist. Unsere Kin­der sollen Achtung vor der menschlichen Arbeit haben und sollen beizeiten lernen, daß das Eigentumsrecht nur ein Gebrauchsrecht, nicht ein Mißbrauchs- und Zerstörungsrecht verleiht. Eine solche sozial begründete Moral ist nicht der Gefahr ausgesetzt, im Leben draußen in die Brüche zu gehen, wie die religiös verankerte Moral.

Feuilleton

Beim Gemeindevorsteher.**

( Schluß.)

Die freie Armenkasse war jedoch Hans Nielsens Augapfel. Es war bei diesem sonderbaren Administrationstalent zur figen Jdee geworden, daß die Mittel dieser Kasse vor allem und zuvörderst dazu da wären, aufbewahrt zu werden. Er setzte seinen Stolz darein, den anderen Gemeinderäten gegenüber damit prahlen zu können, wie viele Gelder noch darin lägen und welche geringe

* Aus Sozialistische Erziehung im Hause" von Käte Dunder. Seft VII der Sozialdemokratischen Frauenbibliothek. Verlag Vor­wärts, Berlin  .

** Die einzige berechtigte Übersetzung des Romans Die Kinder des Borns" von Jeppe Aakjaer   aus dem Dänisch- Jütländischen stammte von Erich Holm.