Nr. 11

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Dynastischen und anderen untergeordneten Zweden mag es ja immerhin dienlich sein, wenn die Schule heute noch trampfhaft Heimat und Vaterland als das Höchste für den braven Bürger durch unmündige Kinder in Wort und Lied verherrlichen läßt und glühen­den Patriotismus in die Köpfe zu rammen fucht!.

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Jeder Krieg aber muß heute schon als atavistische Erscheinung am Volksleben aufgefaßt werden.... Haben wir Lehrer als Kultur­arbeiter nicht um so mehr die ernsteste Pflicht, allen Kriegsgelüften im Volke entgegenzutreten?- Unsere Macht ist groß!! Sie ist biel größer als wir meinen und unendlich größer als andere glauben.... Redet zum Beispiel am Sedantag vom Segen des Frie­dens anstatt von dem des Krieges, ein Segen, den es nie gegeben hat und nie geben wird. Es ist der verhängnisvollste Irrtum, wenn man glaubt, daß durch einen Krieg jemals ein Stück Kultur er­rungen worden sei. Die Wirkung des Krieges ist immer nur eine zerstörende und niemals eine aufbauende gewesen!

Weckt dagegen, wo es angeht, Verständnis für fremde völkische Eigenart. Lehrt die Kinder konsequent auch über die Grenzen des Reiches hinwegsehen. Gar manche fremde Sitte und Einrichtung tönnte für unser Volk vorbildlich werden.

Tragt diese Gedanken auch vor allem schon ins Volk hinein. Wir Lehrer kommen von allen Ständen am meisten und tiefsten mit den weitesten Kreisen in Berührung. Klärt auf über die entsetz­lichen Wirkungen des Krieges und bekämpft auf das entschiedenste den Gedanken, daß überhaupt eine Nation in ihrer Ehre durch eine andere könnte beleidigt werden.

Kränkung der nationalen Ehre!"- Eine gar zu lockende Fahne, um die Einsichtslosen zu sammeln. Darf sich etwa ein einzelner in seiner Ehre gekränkt fühlen, wenn ihm im Gedränge jemand auf den Fuß tritt? Nur ein veralkoholisierter Student mag einem solchen Mißgeschick mit einer Duellforderung entgegentreten!

Und im Völkerleben ist's wirklich nicht anders.... Unsere Auf­gabe muß es sein, unermüdlich in dem Volke die Illusionen über die Notwendigkeit und Heiligkeit des Krieges zu zerstören... und die Friedensbewegungen zu propagieren.

Ein Bolt, das den Krieg verabscheut, wird auch die Macht haben, Krieg zu verhindern.

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Notizen.

Ein Dokument edler Menschlichkeit in der Zeit nationa listischer Völkerverhehung ist der Brief, den eine Französin an die Mutter eines deutschen Soldaten in Offenburg   gerichtet hat. Es lautet in getreuer Übersetzung:

Sehr geehrte Frau!

N......, 9. Dezember 1915.

will ich

Eine Französin mit mitfühlendem Herzen sendet Ihnen dieses Briefehen. Persönlich bin ich Ihnen unbekannt, aber im Herzen find wir Schwestern. Von Ihrem Sohne, dem. Ihnen erzählen; es ist Ihr Sohn, aber er ist auch der meine, mein Kriegssohn. Er kam oft zum Ausruhen nach N.... in mein Haus, während er in 2.. . lag. Ich habe ihn in mein Herz ge= schlossen, sowohl wegen seiner Jugend, als wegen seines taftvollen Benehmens und hauptsächlich wegen der Großmut, die er bezeigte. Er besuchte mich gern, denn er fand bei mir die Stille und Ruhe für Körper und Geist, die so notwendig und wohltuend sind nach einem so harten und schredlichen Leben, wie es das in den Schügengräben ist. Während der guten Stunden, die er in N.... verbrachte, pflegte ich ihn. Ich tat alles, um ihm sein Soldatenlos möglichst zu erleichtern. Ich habe alles getan, um zu versuchen, Sie bei ihm zu ersetzen, um ihm eine zweite Mutter zu sein. Ich hoffte, das Regi­ment Nr.... würde bis zum Ende des Krieges in unserer Gegend bleiben. Mein Wunsch war eitel. Ein höherer Befehl rief das Re­giment in eine andere Gegend und mon petit...."( mein Kleiner) mußte weiterziehen. Er war nicht undankbar für meine Fürsorge. Er wollte die Gegend nicht verlassen, ohne noch einmal zu kommen und von seiner Pflegemutter Abschied zu nehmen; aber zu seinem großen Bedauern konnte er mich nicht sehen. Das tam daher, weil der Herr General bei mir wohnte, er spät nachts kam und alles im Hause zur Ruhe gegangen war. Ich fühle das Be­dauern nach, das Ihr Sohn darüber empfand.

Da das Leben der Soldaten jeden Augenblick gefährdet ist, bitte ich Gott   inständig, ihn zu beschützen. Mit Ihnen, verehrte Frau, bereinige ich die heißen Bitten, daß unser lieber....... uns wie­der zurückgegeben werden möge. Hoffen wir, daß unsere demütigen aber inständigen Bitten den beschirmen, an den ich denke und von dem ich hoffe, daß mir das Glück gegönnt werde, ihn in besseren Tagen wiederzusehen. Er war so glüdselig, als er seinerzeit in Ur­laub zu Ihnen reisen durfte. Ich sah ihn abreisen. Er hat mir fest

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versprochen, nach dem Kriege wiederzukehren, und daß Sie, ver­ehrte Frau, und seine Familienangehörigen ihn begleiten würden. Durch Sie, verehrte Frau, kann ich vielleicht erfahren, wie es ihm geht, obwohl die Korrespondenz schwierig ist. Sagen Sie ihm in einem Ihrer Briefe, daß seine Mutter Josephine ihm einen mütterlichen Gruß sendet, und daß sie den Himmel bittet, daß ihm fein Unheil zustoße. Wollen Sie Herrn....... auch sagen, daß, als er einige Tage in E.... einquartiert war, dies bei Freunden bon mir war. Er war dort sehr gut aufgehoben.

Madame, nehmen Sie und Ihre liebe Familie den Ausdruck meiner aufrichtigen Hochverehrung entgegen und die besten Wünsche für Ihr Wohlergehen! Josephine Dubus. Frauenstudium in Baden  . An den drei badischen Hochschulen Heidelberg  , Freiburg   und Karlsruhe  ( Polytechnikum) betrug im Sommersemester 1914 die Zahl der Studentinnen: 266+ 316+ 4 586. Der Einfluß des Krieges kommt in den Zahlen der beiden dem Kriegsausbruch nachfolgenden Semester zum Ausdrud: Wintersemester Sommerfemester

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Heidelberg Freiburg Karlsruhe

9

1914/15

1915

222

252

151

154

3

415

Busammen 376

Da vor Kriegsausbruch die Zahl der Reichsausländer unter den weiblichen Studierenden unbedeutend( 4+ 9+ 0) war, fommen für den Rückgang zumeist nur deutsche Studentinnen in Betracht. Nach den Fakultäten der beiden Universitäten geordnet, hatte die Freiburger   medizinische Abteilung den größten Besuch weiblicher Hörer; nach den drei Semestern gezählt: 134­77-78; demselben Studium widmeten sich in Heidelberg  104-101-116 Frauen. Das philosophische Fach hatte unter der weiblichen Studentenschaft in Heidelberg   117-92 -102 Vertreterinnen, in Freiburg   deren 106-42-41 in den drei betrachteten Semestern. In der naturwissenschaft­lich- mathematischen Fakultät hatten beide Universitäten etwa die gleiche Zahl der weiblichen Hörerschaft aufzuweisen, als Höchstzahl 49( 35), als Mindestzahl 23( 22). Dem juristischen Studium hatten sich in Freiburg   27-10-13, in Heidelberg   7- 4-5 Hörerinnen zugewendet; Theologinnen zählte die evangelische Universität am   Neckar nur 3-2-0. Von den weib­lichen Besuchern des Polytechnikums( 4 3-9) widmeten sich im Sommersemester 1915 dem Studium der Chemie 5, der Architektur 1, der allgemeinen technischen Wissenschaft 3 Studentinnen. Der allgemeine Besuch der drei Hochschulen stellt sich ziffermäßig also dar, wobei die Zahlen der Kriegsteilnehmer ein­geflammert sind: Sommerfemefter Wintersemester Sommersemester 1914/15 2028( 1297)

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1915

1914  

Heidelberg  Freiburg

2668

.

.

°

3178

.

.

2237( 1526)

2135( 1427) 2203( 1736)  

Karlsruhe

1067

849( 592)

782( 580)

Die Zahl der Reichsausländer insgesamt nahm an den drei Hochschulen ab: 843-180-174. An der polytechnischen Hoch­schule teilten sich in die Besuchsziffer 1067 vor Kriegsausbruch die Reichsausländer, Badener und die Angehörigen anderer   deutscher Bundesstaaten zu etwa gleichen Dritteln in die Vertretung. Vom Ausland waren vor Kriegsausbruch vertreten:   Rußland mit 422, Österreich-   Ungarn mit 85,   Schweiz mit 73,   Bulgarien mit 70, England und   Amerika mit je 35,   Frankreich mit 4, Norvegen mit 27,   Serbien mit 22,   Asien mit 12 Jmmatrikulationen. Wäh­rend des Krieges behielten noch   Österreich,   Schweiz und   Bulgarien nennenswerte Vertretungen.

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Sum Nachdenken.

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mg.

" Wie jeder Klaffendünkel ein Zeichen von Unbildung, das heißt der mangelnden Tätigkeit ist, über sich hinaus ins Allgemeine zu blicken, die eigene Person und den eigenen Lebenskreis ins Licht des großen Kulturzusammenhangs zu rüden so ist auch der na­tionale Dünkel, wie feierlich und patriotisch er sich oft drapieren mag, nichts Besseres ein Gewächs der Eitelkeit und der Un­wissenheit. Kein einzelnes Volk hat den Geist gepachtet, kein einzel­nes Volk die Sittlichkeit oder die Kunst oder die Liebe; und wenn wir das Eigene besser verstehen, weil wir selbst in ihm wurzeln und es also unserer Denk- und Fühlweise am meisten entspricht, so öffnet eben Bildung unsere Augen auch für das Fremdartige und läßt uns unter den hundert- und tausendfachen Masken und Ver­Kleidungen der Kultur das eine Menschenantlik schauen." Friedrich Jodi( Was heißt Bildung.)

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