Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 20

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Beilage zur Gleichheit

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Inhaltsverzeichnis: Krieg. Gedicht von J. G. Fischer. Meso­ potamien  . Bon Gg. E. Graf.( Schluß.) Weltkrieg und Arbeiter­dichter. Freunde beim Feind.- Feuilleton: Luch Stone.( Forts.)

Krieg.

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Auf den ihr nie begierig seid,

So off ihr ihn berieft,

Hier bin ich und das Herzeleid,

Ihr habt es unverbrieft.

Euch, die so lang den trägen Schrift Der bloßen Zeit" verdammt, Das Ungeheure bring ich mit, Und Schrecken ist mein Amt.

Der Flutensturm und Wetterschlag

Bin ich vorm Sichelfest,

Der Tummelplatz und Erntetag Des Hungers und der Pest.

Und in zwei Hälften blutigrof 3erspalt ich euch die Welt, Darauf den Flammenstrahl der Tod Dem Tod entgegenhält.

Bis, auf des Vaters Rumpf gestemmt, Der vorn im Treffen sank,

Die Söhne dort ihr Blut verschwemmt, Das ihre Erde trank.

Bis hier ein blihend Siegermal

Die Feldstandarte kränzt,

Und mit dem legten Abendstrahl

Die Sterbenden beglänzt.

Des Todes Aug' ist eingenickt,

Vorbei die jüngste Schlacht,

Der Geist der Menschheit aber blickt Kopfschüttelnd in die Nacht.

Mesopotamien  .

Bon Gg. Engelbert Graf.

J. G. Fischer.

( Schluß.)

Man hat für den Niedergang Mesopotamiens   bald die lotter­hafte türkische Verwaltung, die die Kanäle vernachlässigte, bald eine Klimaveränderung verantwortlich gemacht, die den früheren Wasserreichtum ungünstig beeinflußte. Beides mag mitschuldig sein. Aber die Grundursache liegt tiefer, liegt in der Ausschal­tung Mesopotamiens   als Durchgangsgebiet für den asiatischen Handel und als Produktionsgebiet für Europa  , und diese Ausschal­tung dauerte etwa vom fünfzehnten bis ins neunzehnte Jahrhun­dert. Dadurch wurden die alten Handelszentren bankrott, und ihnen folgte der Ackerbau nach, der nun nicht mehr lohnend war. Die Kosten für die Wasserbauten rentierten sich nicht mehr, das Ganze verfiel, und die Ackerbaukultur entwickelte sich zum Noma­dismus mit allen seinen wenig erfreulichen Begleiterscheinungen zurück. Vielleicht, daß dann das Nomadentum wieder sein Teil zu einer Klimaberschlechterung beitrug, indem es nicht allein die Flüsse verwildern ließ, sondern auch auf den Hochebenen und in den Gebirgen den Wald ausrottete. Besonders der Kleinvieh züch­tende Nomade ist ein viel größerer Feind des Waldes als der Acker­bauer; er brennt den Wald nieder, um ausgedehntes Weideland zu erhalten, und seine Herden lassen den jungen Baumwuchs nicht wieder hoch kommen. So hat das Nomadentum auch zur vermin­derten Wasserführung der Flüsse in Mesopotamien   beigetragen und vielerorts bewirkt, daß das Wasser nicht mehr von dem Wald­boden aufgespeichert werden konnte, sondern schnell und reißend abströmte und infolgedessen die fruchtbare Schwemmerde der

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Ebene weithin mit unfruchtbaren Geröll- und Kiesmassen über­deckt hat.

Auch hier verkündet nun der moderne Kapitalismus   sein Evan­gelium der Erlösung aus der Nacht der Unkultur und Verwahr­losung. Sämtliche europäische Großstaaten reißen sich um die Ehre und um die Mühe, Mesopotamien   zu neuer Blüte zu erwecken. Natürlich nicht aus Liebe zu dem Lande, sonst würden sie sich ja um seinetwillen nicht in den Haaren liegen, Mesopotamien   soll erschlossen", das heißt der kapitalistischen   Ausbeutung zugänglich gemacht werden. Nicht mit Unrecht vermutet man hier ein reiches Produktionsgebiet, das Ägypten   bei weitem übertreffen könnte. Mineralschäße sind zwar in einem Schwemmland wie Mesopota­ mien   kaum zu erhoffen, Petroleum ausgenommen. Und Petroleum  birgt der Boden sicherlich in ungeheuren Mengen. Was bis jetzt im mittleren Tigristal nach der persischen Grenze zu erbohrt wor­den ist, läßt darauf schließen. Allerdings wird wohl dieses Petro­leum mehr zur Industrialisierung des Landes selbst verwandt werden und vielleicht noch auf dem indischen Markt mit dem Pe­troleum von Java und Sumatra   konkurrieren, für Mitteleuropa  fommt es wegen des überlangen Transportwegs kaum in Betracht. Von größerer Bedeutung dürfte es sein, wenn die Kanalprojekte zur Wirklichkeit werden und dem Land die verlorene Fruchtbarkeit wiedergeben würden. Nur daß man auch da nicht allzu überspannte Hoffnungen hegen darf. Es gab Leute, die die ertragfähige Fläche im Euphrat  - und Tigrisgebiet auf 24 Millionen Hektar schätzten. Das ist mindestens um das Zwanzigfache zu hoch gegriffen. Der Engländer Willcocks, dessen Bewässerungspläne für Mesopotamien  vor einigen Jahren so großes Aufsehen erregten und auch von der türkischen Regierung zunächst aufgegriffen wurden, rechnete im Gebiet des alten Babyloniens mit einer Fläche von 1 133 000 Hef= tar, die der Kultur zugänglich gemacht werden könnten. Die Kosten für die Bewässerung, Entwässerung und Melioration würden sich bei diesem Projekt auf etwa 21 Millionen Pfund Sterling, also rund eine halbe Milliarde Mark stellen. Nach Ausführung des Blanes   sollte der Wert des Landes etwa 60 Millionen Pfund, also etwa 1 Milliarde Mark betragen. Die zu erwartende Erntemenge schätzte Willcods auf 1 Million Tonnen Weizen und 1 Million Doppelzentner Baumwolle jährlich.

Diese Berechnungen fußen auf den Erfahrungen, die man unter ähnlichen Verhältnissen in Indien   und Ägypten   gemacht hatte. Die. Ausführung der Arbeiten wurde Willcocks übertragen; durch Dämme sollte das Euphratwasser aufgestaut und durch Kanäle in die Felder geleitet werden. Den Tigris wollte man von Rut cl Amara aus wieder dem Euphrat   zuleiten und die Sümpfe im Winkel zwischen beiden Flüssen trodenlegen. Die Arbeiten wurden auch 1912 in Angriff genommen, aber der in der Nähe der Ruinen von Alt- Babylonien begonnene Damm wurde weggespült. Dies und andere mehr politische Gründe führten zu Streitigkeiten zwi­schen Willcocks und der türkischen Regierung, die schließlich den ganzen Plan aufgab, nachdem schon recht beträchtliche Summen dafür aufgewendet waren. Damit ist dieses recht großzügig ange­legte Projekt vorläufig gescheitert. Ob es überdies, auf einmal durchgeführt, fich bewährt hätte, muß bezweifelt werden in Anbe­tracht der dünnen und nomadisierenden Bevölkerung. Ein allmäh­licher Ausbau der Bewässerungsanlagen entsprechend der allmäh­lichen Bevölkerungszunahme dürfte von erheblich größerem Nugen ſein.

Diese Bevölkerungszunahme wird sicher eintreten, wenn Meso­ potamien   in irgend einer Form an den Weltverkehr angeschlossen sein wird. Von der See aus ist das Land weniger zugänglich, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Zwar wäre der Schatt el Arab mit einer wirklichen Tiefe von 15 bis 18 Metern selbst für die größten Seedampfer schiffbar, aber er ist für sie fast unzugänglich, da quer vor seiner Mündung eine breite Schlickbarre liegt, die nur bei hohem Wasserstand und bei Flut passiert werden kann. Zu­dem ist das Deltagebiet für die Besiedlung sehr ungünstig. Der Euphrat   ist wegen seines wechselnden Wasserstandes für Dampfer nicht zu benutzen, auf dem Tigris   verkehrten unmittelbar vor Aus­bruch des Krieges elf Dampfer, davon waren acht türkische, drei englische.

Eine große Rolle spielen die Eisenbahnprojekte. Von ihnen be­fitzt die nunmehr ihrer Vollendung entgegengehende Bagdadbahn für das Land selbst unzweifelhaft die größte Bedeutung. Sowohl