Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 27

oooooooo Beilage zur Gleichheit

Inhaltsverzeichnis: Krähen. Gedicht von Niels Möller.- Kinder­verbrechen. Von J. Str.- Baby zahnt. Von Schwester Lydia Rueh­land.( Schluß.) Notizen. Für die Hausfrau. Die Sieger. Von Maxim Gorki  .

-

-

Krähen.

Feuilleton:

nur kurz darf uns der weiche Drosselsang im Hain   erquicken; Die kluge Eule fliegt nur aus zur Mittnachtstunde; Der Adler fliegt so tief nicht hin am Erdengrunde,- Don Bergeszinnen späht er stumm mit schweren Herrscherblicken. Doch schwarzer Krähen Schar beschmutzt das grüne Laub, Versammelt sich und krächzt der Welt die Ohren taub: ,, Seht, unser ist die Macht! Wir sind an 3ahl die meisten. Laßt andre lieblich singen: hören wird man nur die dreisten. Und wessen Klugheit kann mit unsrer wohl sich messen?-: Aus Stecken nur besteht der Wald, der 3weck des Lebens ist sich anzufressen." Niels Möller.

O O O

Kinderverbrechen.

" Ich sage Ihnen, Frau Meier, Ihr Bub stiehlt. Er hat meinem Franzl vor acht Tagen eine Geldbörse mit einer Mark weggenom­men. Heute hat man sie, leer natürlich, in seiner Schultasche ge= funden." Frau Meier wird es kalt vor Schreck. Ihr Sohn ein Dieb! Schon sieht sie ihn am höchsten Galgen hängen. Jns Zucht­haus wird er sicher einmal kommen. Daran zweifelt sie nicht.

Als der zehnjährige Sünder nach Hause kommt, läßt die Mutter ihrer Erregung freien Lauf. Zunächst macht sie ihm klar, was für ein verdorbenes Kind", was für ein Verbrecher" er ist. Dann prophezeit sie ihm, daß niemals etwas aus ihm werden wird", daß er Schande" über die ganze Familie bringen wird, und daß sie lieber im Grabe liegen möchte als das erleben". Schließlich stellt sie ihm für Abends die väterliche Strafe in Aussicht oder macht sich selbst an die Vollziehung des Strafgerichts.

Wieviele Mütter würden im gleichen Falle in gleicher Weise mit ihren Kindern verfahren! Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Art, das Vergehen des Kindes zu behandeln, geeignet ist, das Kind fünftig von ähnlichen Verfehlungen abzuhalten. Ganz abgesehen davon, daß die Aufregung und Strenge sehr oft gänzlich un­begründet sind. Nicht jedes stehlende Kind ist ein angehender Dieb, und manches ist sich des Unrechts, das es begeht, gar nicht bewußt. Zweifelsohne ist es aber in jedem Falle unzweckmäßig, das Ber­gehen des Kindes als Kriminalverbrechen zu behandeln. Es ist ja möglich, daß das Kind als Verbrecher betrachtet werden will. Be­einflußt von Kino und Schundliteratur kommt es sich vielleicht als Verbrecher besonders interessant vor. Die übertriebene Wichtig­keit, mit der die Eltern den" Fall" behandeln, gibt ihm dann die Bestätigung, daß es auf dem besten Wege zum Kinoheld ist. An­statt abgeschreckt zu werden von dieser Laufbahn wird es auf ihr nur weiter vorwärts getrieben. Wenn die Eltern dagegen den Diebstahl mehr als Lausbüberei und kindische Albernheit behan­deln, wenn sie ihre Empörung besonders wider die Gesin­nung richten, die sich in der Tat kundgibt( Mangel an Kamerad­schaftlichkeit, an Stolz und Selbstbeherrschung), so wird dem Kinde die Lust an derartigem Heldentum schon vergehen.

Vielleicht ist auch der letzte, dem Kinde selbst kaum bewußte An­trieb seines Handelns der Wunsch, den Eltern einen tüchtigen Schrecken einzujagen, ihnen zu zeigen, daß es mit ihrer Erzie= hungskunst nicht weit her ist. Dies wird besonders bei Kindern der Fall sein, die infolge übermäßiger Strenge der Eltern nervös geworden sind. Es ist deshalb immer gut, wenn die Eltern dem Kinde gegenüber die Fassung bewahren, wenn sie ihm zeigen, daß es, wenn es auch noch so schlimm" ist, ihnen nichts anhaben fann, daß die Folgen seiner Handlungen nur es selber treffen.

Manche Mütter werfen hier gewiß eine Frage auf. Werden nicht doch so viele Kinder, die nur aus Unbesonnenheit oder Hab­gier gestohlen haben, einen heilsamen Schrecken bekommen und sich bessern, wenn man ihnen ihr Vergehen und dessen mögliche

1916

Folgen in recht schwarzen Farben ausmalt, wenn man sie, wie der schöne Ausdruck lautet, tüchtig heruntermacht?" Bei weitem nicht immer. Mutige Kinder werden vielmehr durch eine derartige Behandlung in Troß geraten. Nun gerade," werden sie sich sagen, werden suchen, die schlechte Meinung, die man von ihnen hegt, auch weiterhin zu betätigen. Dieser Trotz wird verstärkt, wenn auch Fremde dem Kinde wegen seiner Tat mit Mißachtung be­gegnen, weil die Eltern so unvorsichtig waren, der lieben Nachbar­schaft zu erzählen, was für ein Kreuz sie mit dem Kinde haben". Weil ihr's so wolltet, bin ich so geworden," sagt in Gorkis   Nacht­asyl Waskja der Dieb, immer hieß es Wastja der Dieb, Waskja der Spitzbubenjunge! Gut, mir kann's recht sein, weil ihr's so wolltet, bin ich ein Dieb geworden. Nur ihnen zum Possen bin ich's vielleicht geworden, weil nie jemand darauf kam, mich anders zu nennen als- Dieb."

Gewiß, zaghafte Kinder werden durch die übertriebene Vor­stellung, die man ihnen von ihrer Verfehlung beibringt, derart ein­geschüchtert und verängstigt, daß sie sich selbst als ganz verworfene Geschöpfe betrachten, veuig und unter Tränen Besserung geloben und dies Versprechen vielleicht auch halten. Zuweilen werden die Kinder in diesem Zustand der Zerknirschung in die Arme der Re­ligion flüchten, ist doch das Bewußtsein der eigenen Sündhaftig­keit diejenige Seelenverfassung, die den Menschen am empfäng­lichsten für religiöse Stimmungen macht. Aber auch wenn diese Folge nicht eintritt, wird die durch Einschüchterung erzielte Besse­rung" meist mit einer Einbuße an kindlichem Selbstbewußtsein und kindlicher Lebensfreudigkeit bezahlt. Proletarische Eltern, die ihre Kinder zu selbstbewußten, innerlich unabhängigen Menschen erziehen wollen, können von derartigen Erziehungserfolgen nicht befriedigt sein.

" So muß ich leben, daß ich mich selber achten kann," sagt Wastja der Dieb, als er sich entschließt, ein ehrlicher Mensch zu werden. Zu dieser Gesinnung sollten proletarische Eltern ihr Kind zu bringen suchen. Nicht an seine niederen Instinkte sollten sie sich wenden, an die Furcht vor Strafe, vor der Meinung der Leute und ähnliches, sondern sie müßten sein Ehrgefühl, seinen Stolz anrufen. Anstatt das Kind durch Mißtrauen niederzudrücken und zu verbittern, sollten sie es durch Vertrauen aufrichten. Der Dichter Gottfried Keller   zeigt uns in seinem Lebensroman Der grüne Heinrich  " das vorbildliche Verhalten einer Muter, deren Sohn Geld aus ihrer Kasse entwendet hat. Die Mutter sagt dem jugendlichen Missetäter:" So weiß ich nun nicht, was werden soll, wenn du dich nicht fest und für immer bessern willst." Damit legte sie das Kästchen wieder in den Schreibtisch und ließ den Schlüssel am gewohnten Ort stecken. Sieh," sagte sie, es ist mir unmöglich, das Geld vor dir zu verschließen. Ich lasse daher den Schlüssel stecken wie bisher, und muß es darauf ankommen lassen, ob du freiwillig dich zum Besseren wendest, denn sonst würde doch alles nichts helfen, und es wäre gleichgültig, ob wir beide ein bißchen früher oder später unglücklich würden." Diese Mutter be­weist ihrem Sohne, daß sie an ihn glaubt, trotzdem er sie be= trogen hat. Dadurch stärkt sie sein eigenes Selbstvertrauen; sie zerknirscht ihn weder, noch bedroht sie ihn, sie läßt ihn nur ihre große Liebe und ihren Kummer fühlen. Diese einfache Mutter ist flüger als viele gelehrte Leute, die meinen, ein Kind zu bessern, indem sie es unter strenge Polizeiaufsicht stellen. Die Erfahrung hat ja längst gelehrt, daß Kinder, die eine Zeitlang in überstrenger Zucht standen( Besserungsanstalten), ohne jeden inneren Halt sind, wenn sie ihre Bewegungsfreiheit wieder erlangen. Sie geraten dann erst recht auf die Abwege, vor denen man sie bewahren wollte. Wessen die anscheinend verdorbensten Kinder fähig sind, wenn man ihnen Vertrauen schenkt und Pflichten überträgt, kann folgendes Beispiel zeigen: Ich kannte einen neunjährigen Knaben, der ein Gewohnheitsdieb war. Er nahm Geld, wo er es finden konnte: aus dem Portemonnaie, das auf dem Tische lag, aus den Kleider­taschen usw. Der Knabe fing nichts mit dem Gelde an, verschleu­derte es, warf es weg. Ich vertraute ihm absichtlich öfters Geld an, hieß ihn Einkäufe für mich machen usw. Er hat mich nicht ein einziges Mal betrogen, vielmehr stets alles auf Heller und Pfen­nig abgeliefert.

Hebung des Selbstvertrauens, Übertragung von Pflichten, das mag ja in gewissen Fällen ganz nüßlich sein," so werden manche Mütter einwenden, aber bei unseren Kindern läßt sich mit dem