Schemaiismus unterrichtet werden müssen, wenn alle auf ihreRechnung kommen sollein Freilich wird die Berücksichtigung oder gardie Pflege der individuellen Anlage stets das erstrebenswerte Ziel derErziehung sein, ein Ideal, das mit ödem Schematismus nichts mehrzu tun hat. Das kann aber nicht die Schule, dos kann erst" dasLeben selbst: es sei denn, daß die Schulen so vielfältig wären, sobunt in ihrer Mannigfaltigkeit wie das Leben.Die richtige Prognose schon auf der Schule stellen, das könnennur wenige auserwählte Pädagogen, die eine innerliche Menschen-kenntnis besitzen: diese Prognose ist noch viel schwieriger zu stellenals diesenige, die den guten Arzt charakterisiert. Entsetzlich abex. müßte es sein, wenn wir nur Durchschnittsmenschen heranzubildenund Zu beurteilen hätten: dann freilich wäre die Prognose desMenschen keine Kunst mehr. Wenn die R a s s e n h y g i e n e, dieheute ein wichtiger Zweig am Baume der biologischen Wisienschastenund ihrer praktische» Berwertung geworden ist, nur die Aufzucht vonDurchschnitsmenschen erstrebt, ähnlich wie der Viehzüchter allesAbnorme verschmäht, das Pathologische sorgsam zu umgehen sucht,dann würde» ihre Ergebnisse keine choherzucht des Menschen bedeuten, keinen Fortschritt, sondern da« Gegenteil: eine unerfreulicheund ungeistge Gleichzucht.Hat schon Fritz Lenz w seinem Aursatz über die Erblichkeit dergeistigen Begabung auf die große Bedeutung hingewiesen, die füralle Arten der geistigen Begabung einer sogenannten„psychopathischenKonstitution" zukommt, so tritt das noch viel mehr zutage in den„Psychopathologischen Dokumenten", die de? Psychiater Karl B i r n-b a u m als„Selbstbekenntnisse und Fremdzeugnlsse aus dem seelischenGrenzlande" gesammelt hat(Julius Springer, Berlin), nicht zumGebrauch für Aerzte oder Irrenärzte oder einen anderen Spezial-beruf, sondern für alle, die den weitgehenden Beziehungen desPathologischen im Schossen der Menschen nachzugehen geneigt sind.„Genie und Irrsinn" hieß die schlagwortartige Formel, auf dieLombroso schon vor vielen Iahren die Zusammenhänge zwischen der-vorragender Gciftestötiakeit und krankhaften oder absonderlichenSeelenzuständen zurückführen zu können glaubte. Ist diese For-mulierung auch zweifellos übertieben und sogar irreführend, wenn essich um eigentliche Gehirndefekte und paralytische Geistesstörungenhandelt, die unersetzbares Gut der Gehirnmasse zerstört haben, soläßt sich keineswegs das häufige Zufammentrefsen krankhafterSeelenzustände, bald vori'chergehender, bald mehr dauernder Art, beieinem großen Teil hervorragender und geistig produktiver Menschenleugnen. Kankheit ist eben nicht immer gleichzusetzen mit Minder-Wertigkeit, sondern bedeutet in diesm Sinne nur Abweichungvon der Norm, Andersartigkeit, die durchaus nicht immerMinderwertigkeit, sondern oft sogar Ueberwertigkeit in sich birgt.Für die Darlegung dieser Verhältnisse bringen die„Psvchopatho-logischen Dokumente" ein reiches Material, das Birnbaum aus allenZweigen des Kulwrschaffens. aiis alter und neuer Zeit zusammen-getragen hat, soweit es aus Briefen oder anderen Aufzeichnungen zurBeurteilung der psnchopath-Äogifchen Persönlichkeit möglich war.Wir lernen den Hystero-Cpileptiker Mohammed als Stifter einerWeltreliaion kennen, die Epileptiker Flaubert, van Gogh, Dostojewski,mir erfahren von vorzeitigen Geistesstörungen bei dem berühmtenPhysiker und Chemiker Foradan, von der Altcrsverblödung einesImmanuel Kant, von den fexualpfnchifchen Abirrnnoen eines Plate»und Oskar Wilde. Am verbreiteisten sind aber wohl die Wahnvor-stevungen, die auf Grundlage jener als„Paranoia" bezeichnetenGeistesstörung entstehen, nicht selten auch zu Sinnestäuschungenführen, außerordentlich häufig aber das Schaffen exaltierter, voneiner großen Idee erfüllter Men'chen begleiten. Gerade hier ist derUeberganq vom Normalen zum Pathologischen so fließend, daß mannieist nicht entscheiden kann, wo der Normal, nstmch aufhört und derkrankhoste Zug des Seeleulebens beginnt. Rouffeaus Berfolgungs-mahn, Goethes visionäre Vorstellungen. Strindbergs balluzinatorifcheWahnerfcheinunqen, des überlegenen Schopenhauer Händelsucht undübertriebener Argwohn werden hier genannt.So geht der Einschlag des Pathologischen durch alle Schöpfungendieser Großen. Und n>an hat zuweilen das Gesühl: Eigentlich ist de?arme Normale zu bedauern, der gar nichts Krankhaftes an ssch hat!Man wird auf jede geistreiche Formulierung verzichten miisscu. Daseine erscheint aber gewiß: Die unendliche Manniom'tmWt d-'sLebens läßt sich nicht erhalten, wenn man bestimmte Anlagen, diedem einen pathologisch erscheinen, dem anderen nicht, daraus«nt-fernt, solange man nicht die vererbungsbiologischen Gesetze genaubeherrscht.Shakespeare und öie Sauernkriege.Bon M. Beer.Der größte Dramatiker Englands und der Neuzeit, WilliamShakespeare(geb. 1S64, gest. 1616), war antidemokratisch und anti-kommunistisch. Seine Schauspiele sind der Spiegel der geistigenRichtung der oberen Gesellschastsschichten. für die er schrieb. Inseinem Drama Heinrich VI.(zweiter Teil) hinterließ er uns die An-sichten der höheren Klassen über die Bauernaufstände. Das Dramaist für uns wichtig, da es Jack Eade, den Führer des Bauernauf-stände» vom Jahre 1150, zum Kommuuisten und Diktator stempelt.Daß es ihn safirisiert und lächerlich zu machen sucht, daß es demVolke Unwissenheit, Wissensfeindschaft und Genußsucht nachsagt, ver-steht sich bei dem ganzen Charakter Shakespeares von selbst. Diearbeiiende Bevölkerimg hat seit Aristovbane? bis auf nnlere Zeitwenige Drainatkier gesunden, die Sozialökonomie verstanden hätten.Bislang schrieben sie für Hofleute, Adelige und reiche Bourgeois. Auchein Genie wie Shakespeare ist keine Ausnahme.Auf den kricgstüchtigen und auf See- und Handclsmocht ge-richteten König Eduard III. folgte fein Enkel Richard II., unterdessen Regierung der erste Bauernaufstand ausbrach: ihm folgtenHeinrich IV.(1399— 1413) aus dem Hause Lancaster, dann Hein«rich V.(1413— 1422), der die antifraiizösische, maritime und Handels-fördernde Politik Eduards III. erfolgreich betrieb, einen großen Siegbei Azincourt(1415) über die Franzosen erfocht, die Nvnnandie eroberte, was den Patriotismus und Nationalismus der Engländerwieder entflammte: schließlich Heinrich VI.(1422— 1461), der denzweiten Bauernkrieg(1459) erlebte und die französischen Eroberun-gen verlor: das Ende seiner Regierungszeit war der Beginn desKrieges der Rosen(der Häuser Lancaster und Park), der vcm Jahre1495 bis 1485 dauerte, mit der Vernichtung des allen, feudalen,mittelalterlichen Adels endete und einen neuen, Handel- und ge-werbetreibenden Adel an seine Stelle treten ließ.Die Trilogie„K ö n i g H e i n r i ch der Sechste" schildert dieHauptbegebenheiteu dieser Regierung: im zweiten Teile wird derzweite Bauernaufstand und der Beginn des Konflikts der HäuserLancaster und Park geschildert. Im Akt 2, Szene 2 hören wir dieKlagen des arbeitenden Volkes und von dessen Hoffnungen auf JackCode. Die Rebellen Georg Beois und John Bevis hatte» ein Zwie-gsspräch über den sich vorbereitenden Aufftand, und Georg sagt:,F>ans Code der Tuchmacher denkt das Gemeinwesen aufzustutzenund es zu wenden und ihm die Wolle von neuem zu krausen." Dasheißt: die alte Gesellschaft zu stürzen und eine neue auszubauen.Hierauf antwortet John:„Das tut not, denn dos alte Gemeinwesenist bis auf den Faden abgetrogen. Es gab kein fröhliche« Englandmehr, seit die Edelleute aufgekommen sind." Georg:„O, die elendenZeiten! Tugend wird an Handwerksleuten nicht geachtet." Wirsehen dann die verschiedenen Berufe auftreten: die Gerber, Weber,Metzger, schließlich tritt Code auf und entwickelt kurz sein Programm:„Das ganze Königreich sollen alle gemeinschaftlich haben." Ehokespearemacht sich dann lustig über die materiellen Wünsche des Rebellen:billiges Brot, billiges Bier, freie Liebe usw. und läßt Code aus-rufen:„Und ihr, des Volkes Freunde, folgt mir nach! Es ist fürdie Freiheit, zeigkeuch nun als Männer! Kein Lord, kein Edelmannsoll übrig bleiben, schont nur, die in zerrissenen Schuhen gehen:denn das sind wackre Arbeitsleute, die, wenn sie dürsten, alle zu unsüberträten." Hierauf bemerkt einer seiner Genossen namen» Märten:„Sie find schon in Ordnung und marschieren auf uns zu." Code:„Wir werden erst recht in Ordnung sein, wenn wir außer allerOrdnung sind." Märten rät dann, alle Gefängnisse auszubrechenund die Gefangenen zu befreien. Unmittelbar vor den» Kampfe mitden Adeligen läßt Shakespeare den Rebellenführer Code zum Dik-tator werden. Märten fordert Code auf, die Diktatur zu übernehmen,worauf letzterer sagt:„Ich habe es bedacht, es soll so sein. Ver-brennt olle Urkunden des Königreiches, mein Mund soll das Paria-ment von England sein. Und hinfüro soll alles in Gemeinschaft sein."(Akt 4, Szene 7). Der zweite Bauernaufstand wurde niedergc-schlagen und Jack Code auf der Flucht erstochen. Beigetragen zurNiederlage hat abermals das kindische Vertrauen der Bauern zumKönig, vielleicht auch das nationale Gefühl— wenigsten» läßtShakespeare den Lord Clifford auftreten, der zu den Bauer» sprichtund sie— an ihr nationales Gefiihl appellierend— von Code abwendig macht. Lord Clifford sagt ihnen:-„Ist Cade denn her Sohn Heinrichs des Fünften,Daß ihr so ausruft, ihr wollt mit ihm geh»?Führet er euch wohl in Frankreichs Herz, und machtDen Kleinsten v»n euch zum Graf oder Herzog?...Welch eine Schmach, wenn während ihr zankt,Die feigen Franzosen, die ihr jüngst besiegt,Die See durchkreuzen und besiegen euch?...Eh' laßt zehntausend niedre Cades verderben,Als ihr euch beugt vor eines Franzosen Gnade.Nach Frankreich! Nach Frankreich! Bringt Verlornes ein!"Nationalismus und Kriegsruhm als Mittel gegen die Revolution! Und mit Schmerz klagt Cade. wie„der Name Heinrichs desFünften die Bauern zu hunderterlei Unheil fortreißt»nd sie Ke-wegt, mich in der Not zu verlassen"(Akt 4, Szene 9).So rangen schon zu Anfang der neuen Zeit Kommunismus undRevolutton, nationales Gefühl und Kriegsruym miteinander. UndShakespeare, der nationale Patriot, macht noch in seiner letztenDichtung, dem Zauber-Lustsviel„Sturm", de» Versuch, den Zu-kmistsstaat zu satirisieren. Sein« Satire besteht jedoch nur darin,daß er Kommunismus mit Schlarafs«ntum verwechselt. Man meint,einen modernen SozKllistentöter zu hören. Dem„ehrlichen, altenRat des Königs von Neapel", dem Staatsmann Gonzalo, legtShakespeare folaende gutmütige Satire auf den Zukunftsstoat inden Mund:„Mein Gemeinwesen soll das Gegenteil(der gegen-wältigen Ordnung) sein. Ich würde keine Art von Handel erlauben,keinen Nomen eines Amt»<d. h. keinen Titel): Gelehrtheit soll mannicht kennen: Reichtum, Dienst, Armut gäb'» nicht: von Vertrag undErbschaft, Einzäunung, Landmark, Feld- und Weinbau nicht»: auchkein Gebrauch von Kor», Wein, Oel, Metall: kein Handwerk, alleMänner müßig, und die Weiber auch: doch völlig rein und schuldlos.Gemeinsam allen sollte die Natur Frucht bringen ohne Müh' undSchweiß. Berrat, Betrug, Schwert, Epeer. Geschütz, Nctwendiokeit