In den Wahlen für unfere Ideen werben, und das alles ist unmög­lich nur mit unserem Schulwissen zu bewältigen.

Mannigfaltig ist schon die Bildungsarbeit bei der Jugend, aber noch erfaßt sie nur ganz wenige von der großen Zahl der jungen Proletarier. Je mehr das erkennen, um so besser für uns und unsere Klaffe. Und daß die organisierte Jugend das erkannt hat, beweist das Leben, das in den Gruppen pulst. Das beweisen die vielen Kurse für Helfer, die Wochenendkurse, die Arbeitsgemein­schaften und die rührigen Bildungsausschüsse. Dem bildungs­hungrigen Menschen stehen noch viele Wege offen, ihm stehen die Bolkshochschulen zur Verfügung, er fann gute Büchereien und Lese­hallen benutzen, wenn er nur will. Doch die wichtigste und tief­schürfendste Arbeit an sich selbst tann man nur im stillen Kämmer­lein verrichten, wo man sich ungestört der geistigen Arbeit widmen fann. Wir wissen ja gar nicht, wie reich an freier Zeit wir find; das merken wir erst, wenn wir fie einmal nicht mehr haben. In ihren Werken erzählen uns unsere Vorfämpfer, wie sie nur die Nachtstunden zu ihrer Weiterbildung benuzen fonnten. August Bebel   lernte im Gefängnis fremde Sprachen. Und heute gibt es so viele junge Menschen, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wiffen, die es langweilig" finden und durch die Straßen trotten ohne jegliches Ziel. Tanzböden, Rummel und Kinos sind voll von ihnen, gar nicht zu denken an die vielen Kneipen. Diese jungen Menschen kommen für unsere Bildungsarbeit nur in den seltensten Fällen in Frage; ihr Leben ist oft so wunschlos, daß es schon schwierig ist, sie überhaupt für eine Organisation zu gewinnen. Es sind eben nur wenige, gemessen an der großen Maffe der Jugend, die von einem fernen Streben erfüllt sind. Und zu diesen wenigen noch einige neue Genoffen zu gewinnen, ist der Zweck dieser Worte. Letzten Endes ist dies auch das Ziel jeglicher Maffen­bildung, die geistig Regsamen zu sondern von den Trägen, zu friedenen", die sich durch nichts aus ihrer Gleichgültigkeit bringen laffen. Maffenbildung fann nur Anleitung, Einführung sein, die der Ergänzung und Bervollständigung durch die Literatur bedarf. Hier hört man oft den Einwand, daß die Materialbeschaffung zu schwierig, die Bücher zu teuer feien, und was dergleichen mehr ist. Ein Hinweis auf Büchereien und Lesehallen dürfte genügen, dem Beffimisten Mut zu machen. Auf dem Gebiete der Literatur be­gegnet man oft einer dogmatischen Ablehnung alles Nichtssoziali ftischen. Wie falsch ein solcher Standpunkt ist, braucht nicht erst auseinandergefeht zu werden; auf vielen Gebieten der Wissenschaft find wir auf die bürgerliche Literatur angewiesen, weil es feine andere gibt.

Ueber die Bedeutung der Kunst und der schöngeistigen Literatur für die Bildungsarbeit soll hier nicht gesprochen werden. Zusammen­faffend können wir sagen, daß, wer einmal begonnen hat, fich ernst lich mit den Problemen der Menschheitsentwicklung zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, sich nie/ mehr über Langeweile beklagen und geistig wachsen wird mit jedem Tag. Die werden die Klügften fein, die ihre Zeit zu nutzen wiffen für ihre Vervollkommnung und damit für den Aufstieg aller Menschen. Erwin Tenschert.

Referentenfahrten.

Plauderei von Heinz Barthel.

,, Das Ueberflüffigste in der ganzen SAJ. ist der Referent!" so ungefähr lautete in einer Versammlung von Jugendvertretern, Abteilungsvorsitzenden und sonstigen Größen der SAJ. der Aus­fpruch eines Prominenten unter unseren Genoffen. Vielleicht wollte er, nach dem Muster des fächsischen Geenigs", den Jugendgenoffen damit raten: Macht Eich Eiern Dreck alleene!" Na, mir wär's recht, da hätte ich doch meine Ruhe! Nämlich: immer, wenn ich einmal gemütlich zu Hause fitze und an gar nichts Böses denke, mahnt mich der ,, Borwärts" oder mein unerbittlicher Terminkalender, daß heute abend ,, was los" ist. Irgend in einem, meiner idyllischen am Potsdamer Plazz Ecke Aderstraße gelegenen Wohnung möglichst fernliegenden Jugendheim Berlins   erwartet mich eine Schar bildungshungriger und wiffensdurstiger Burschen und Mädel. Sie find so oft schon vom Referenten verfekt; soll ich sie auch versetzen? Nein, ich bin nicht so, ich bin fooo! Und so mach' ich mich also auf den Weg: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, das ist euer Referent, mein Kind!"

So habe ich euch ja nun so nach und nach ziemlich alle tennen gelernt. Und ihr mich auch. Ihr Köpenicker  , bei denen es immer Strippen regnet, ausgerechnet wenn ich rauskomme! Ihr Friedrichs­ hagener  , die ihr mich durchaus mittels eurer Schmalzgondel" in der Müggel erfaufen lassen wollt? Ihr Reinickendorfer  , die ihr wie Rinaldo Rinaldini in des Waldes tiefften Gründen haust! Ihr Tempelhofer im Kohlenfeller mit dem Zugang auf Schleichwegen! Ihr Mariendorfer, Stegltzer, Schöneberger, Niederschöntreptower oder wie ihr alle heißen und wo ihr alle stecken mögt, von euch im Innern Berlins   ganz zu schweigen. Berlin   ist ja so groß? Und erst bei Nacht

Wenn man euch nur immer gleich fände! Das ist manchmal gar nicht so leicht. Da hat man mich nach M. gelockt wie meinen haarigen Vorfahren mit einer Schrippe aus dem Urwald. Du fährst bis K. mit der Borortbahn und dann noch' n Ende mit der Elektri­Jchen!" fagt man mir Bescheid. Nun weiß ich's ganz genau. Der

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Schaffner fett mich auf Befragen an einem einfamen Gartentotal, das im Sommer ganz nett besucht sein mag, ab und faust mit seiner Lichtquelle davon. Ich stehe machtlos vis- à- vis. Aus dem geheimnis vollen Dunkel tritt einer auf mich zu. Wo wollen Sie denn mit die Aftenmappe hin!" fragt er mit bezug auf mein Weisheitsfutteral. Wo so?" frage ich beflommen. Na, ich warte uff einen, der uns heute flarmachen soll, ob der Mensch vom Affen abstammt!" Ich fage: Der bin ich!" und komme mir selber wie'n Affe vor. Na, er führt mich nun ganz nett durch' ne einfame Siedlungsgegend auch mirklich bis in ein Jugendheim, wo ich mit Jubel empfangen werbe. Ich muß sagen, ich hab' ihm nicht getraut, bis ich da war. Aber dann hab' ich diesem braven Führer im Stillen Abbitte geleistet: Du haft eine brave Pflicht erfüllt, lieber Jugendgenoffe!"

Manchmal ist's noch anders. Da lockt man mich nach L.! Es geht mir dort echt ,, berlinisch": Komme hin, mache uff, is zu! Keine Seele zu sehen! Draußen ist's falt, drinnen seh ich durchs Fenster ein Kanonenöfchen glühen. Wie ich mir endlich Eingang verschafte figt da einer im Dustern am Ofen und döst! Sind das d'e Knaben alle!" frage ich ihn. Die anderen würden wohl bald tommen, ver tröstet er mich. Na, und sie famen ja auch bald alle, in' ner guten halben Stunde. Nun sind wir versammelt zu löblichem Tun, und der Bortrag fann steigen, wenn einem bis dahin nicht die Lust ver gangen ist. Beffer ift's schon, wenn's einem aus dem Jugendheim bereits entgegen fingt und flingt. Da ist Leben, da ist Stimmung, da fäßt sich ein Dichterabend feiern, da läßt sich Berliner Hamor" verzapfen, da fällt ein soziales Thema auf fruchtbaren Boden. Das find die Abende, wo ihr, liebe Jugendgenossen, wie's auch ficher der bereits anfangs erwähnte Prominente meint, bereits das Haupt­fächliche getan habt, und der Referent ist dann nur sozusagen einer der eurigen und paßt ganz in den Rahmen eurer Beranstaltung hinein.

Kehrt man dann in später Stunde auf einsamer Fahrt zurück, so geschieht's in dem beglückenden Gefühl, mit der Jugend einen schweren Arbeitstag durch einen frohen Abend schön befchloffen zu haben. Bleibe ich einmal auf der Strecke, und es ist von solchen Abenden noch ein Klang in eurer Seele, dann weiß ich, daß sie nicht nußlos und überflüffig waren, diese Referentenfahrten.

Die Jugendgenosin.

Eigentlich ist das ja falsch; denn eingetragenes Mitglied der SAJ. ist Gerda noch nicht. Sonntag abends kommt sie mit den vielen anderen Mädel, die alle lieber tanzen und fingen, als daß fie fich mit irgendwelchen Problemen herumschlagen. Sie hat tohl rabenschwarzes Haar und trägt Ohrringe. Im allgemeinen ist fe ziemlich still. Ihre Sprache unterscheidet sich nicht von der der anderen Mädel, was in mir den Gedanken, daß fie vielleicht Ungarin fei, auslöfchte.

Nach einem Heimabend gingen wir gemeinschaftlich bis zum Markt, wo wir uns dann verabschiedeten. Wo wohnst du?", fragte ich Gerda, die mir auf dem Wege meine Klampfe getragen hatte. Im Schwarzen Grund". Na, ich habe sowieso noch was zur Bahn zu bringen, da begleite ich dich auch gleich nach Hause."

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Wir sprachen über den vergangenen Heimabend, über ein Mädel, das beleidigt gewesen sein soll, weil wir Jungen es beim Weggehen nicht beachtet hatten. Warum kommst du nicht auch sonst mal?" Ja, mein Bater fieht's nicht gern, wenn ich so oft weg bin." Run, da kann doch der Frih mal hin gehen und mit ihm reden, dann wird er's schon erlauben." Ach, das ist nicht nötig. Meine Schwefter fommt ja jezt aus der Schule, und wir gehen dann vielleicht ganz von hier fort." Was bist du denn eigentlich?" Ich fort." ,, Was bin im Gasthaus zum Mohren". Da mache ich immer fauber, und, wenn mal Kaffeekränzchen oder so' was ist, dann muß ich auch mit bedienen."

Wir waren allmählich zum Schwarzen Grund gekommen und gingen nun an den neuen Häusern, im allgemeinen Billen der reicheren Stadtbewohner, vorbei. An einer Ecke blieb Gerda stehen. ,, Dort steht der Wagen."" Was denn für ein Wagen? Ich sehe ja gar feinen." Noch ein'ge Schritte, dann sah ich ungefähr zehn Meter vom Wege auf einem alten Schutthaufen einen Möbelwagen, in dem Fenster angebracht waren. Da drin wohnen wir. Früher wohnten wir ja in der Stadt. Aber mein Vater fann sich mit meinem Ontel nicht vertragen, und da hat er den Wagen gekauft. Wir brauchen hier auch feine Steuern zu bezahlen. Es ist ganz schön drin. Wir haben zwei Zimmer. Im Sommer ist's ja noch schöner als jetzt im Winter." ,, Was ist denn dein Vater?" Mufitant. Meine Mutter hat das Spielen jetzt auch gelernt. Augenblicklich sind sie in Erfurt  und spielen da in den Wirtshäusern. Aber das Herumziehen gefällt meinem Vater nicht mehr. Er will jetzt mit uns' was einüben, dann gehen wir irgendwo hin und geben Vorführungen in den Wirt schaften."

,, Komm doch aud mal zu den anderen Heimabenden." Na, mal sehen." Gute Nacht." Hans Nußbaum.