getödtet oder in ihren furchtbaren Ringen erdrückt hat, bevor sie fich zur Verzehrung desselben anschicke, dasselbe zuvor in einem weiten Umkreis von mindestens einer Viertelmeile Durchmesser umkrieche, um sich zu überzeugen, ob nicht eine Armee von Treiber Ameisen im Anzuge sei, und daß sie, wenn dieses der Fall sei, fortschleiche und ihre Beute den Ameisen überlasse. Dringt die Treiber- Ameise, welche ihren Namen davon erhalten hat, daß sie Alles vor sich hertreibt, in ein Haus ein, so tödtet sie das Vieh in den Ställen und die Hühner auf ihren Stiegen in einer ein­zigen Nacht. Freilich vertilgt sie auch alles im Hause enthaltene Ungeziefer, wie Ratten, Mäuse, Schlangen, Eidechsen, Schaben, Wanzen, Spinnen u. s. w.; daher die menschlichen Bewohner eines Hauses dasselbe bei Annäherung der Treiber- Amcise in der Regel zu verlassen pflegen und erst wieder zurückkehren, wenn der Zug vorüber ist. Kleine Gewässer soll der Zug durch Bil­dung einer lebendigen Brücke, wobei sich Ameise an Ameise hängt, überschreiten. Auch in Südamerika   lebt eine solche Wander- oder Fouragier Ameise( zu der Gattung Eciton gehörig) mit ganz ähnlichen Gewohnheiten.

Eine andere außereuropäische Art ist die sog. Sonnen schirm Ameise( Oecodoma cephalotes), welche man ebenfalls in ungeheuren, dicht gedrängten Kolonnen dahinmarschiren sieht, indem jedes einzelne Thier zwischen seinen Kiefern ein kreisrundes Blattstück von der Größe eines Silbergroschens grade in die Höhe hält. Sie benutzen diese Blattstücke aber nicht, wie man geglaubt hat, als Sonnenschirme, sondern um ihre kuppelförmigen Wohnungen damit zu bedecken oder zu bedachen. Diese Woh­nungen haben oft nicht weniger als vierzig Fuß im Durchmesser, ,, während ihre außerordentlich komplizirten unterirdischen Bauten über 200 Fuß im Durchmesser erreichen."( Peters, Ueber Woh nen und Wandern der Thiere, 1867.)

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Ueberhaupt ist der Wohnungsbau der Ameisen ebenso ver­schieden und richtet sich ebenso nach den Umständen, wie ihr Wegebau. Auch hat jede einzelne Art wieder ihre besondere Manier des Bauens. Einige errichten Häuser mit Stockwerken, andere ziehen es vor, unterirdische Minen und Gänge auszu­höhlen. Einige bauen in hohle Bäume, während wieder andere platte Steine aufsuchen, um unter deren Schutze ihr Nest anzu­legen. Huber beobachtete auch in einem sog. Vivarium den genaueren Vorgang des Bauens bei der braunen Ameise( formica brunnea) und say, wie einige Thiere kleine Erdklöße zusammen­fneteten, während andere auf dem feuchten Boden flache Gruben machten, deren Ränder das Fundament für die neuen Wände bildeten. Auf dieses Fundament wurden die Bausteine oder die kleinen, zusammengekneteten Erdklöße aufgesetzt, festgedrückt und mit Hülfe der Kiefern und Vorderfüße geebnet und geglättet. Die Decke, der schwierigste Theil der Arbeit, wurde ebenfalls mit Leichtigkeit ausgeführt, obgleich dieselbe zuweilen einen Durch­messer von zwei Zoll, eine für so kleine Thiere ungeheure Größe, hatte. Zu dem Ende klebten sie die kleinen Backsteine zuerst an die Zimmerecken und oben an die Wände in einer Reihe. So­bald diese trocken und fest geworden ist, bringen sie die zweite und so die folgenden Reihen an, bis die Decke fertig ist. Behufs der nothwendigen Reparaturen und Ergänzungen halten sie in den untersten Etagen oder Kellern, zu denen die austrocknende Wirkung der Sonne nicht hinabbringen kann, und wo es nicht an der nothwendigen Feuchtigkeit fehlt, hinreichenden Lehm oder feuchte Erde vorräthig.( Peters, a. a. D.)

Nach Düpont sollen manche Stämme in einiger Entfernung von ihren Wohnungen sogar eigne Kirchhöfe besitzen, wohin die Todten von den überlebenden Mitbürgern gebracht und dort be­stattet werden. Ist diese Beobachtung richtig, so erheben sich diese kleinen Thiere durch ihre Sorge für die Todten über bei­nahe die gesammte übrige Thierwelt, welche eine solche Sorge nicht kennt, und sogar über einige der niedersten Menschenstämme, welche ihre Todten unbeerdigt liegen lassen.

Die Arbeiten der Ameisen werden in der Regel am Tage ausgeführt, während die Nacht, wie bei fast allen lebenden Wesen, der Ruhe gewidmet ist. Doch gibt es auch solche, welche im Mondschein arbeiten. An sehr heißen Tagen arbeiten sie nur

Morgens und Abends und halten während der Mittagszeit Siesta oder Ruhepause, machen es also genau so wie die Menschen auch an heißen Tagen oder in feuchten Ländern. Der Franzose Lespès hat dieses namentlich von einer an den Ufern des Mittelmeers lebenden Myrmica- Art, der Atta barbara, beobachtet; auch sah er sie im Mondschein arbeiten.

Bei der Arbeit selbst halten die klugen Thiere streng jenes wichtige Arbeitsprinzip ein, welches auch im menschlichen Leben nach und nach so hoch ausgebildet worden ist- das Prinzip der Arbeitstheilung nämlich. Einige beschäftigen sich nur mit Aufgraben der Erde, andere schleppen Erde oder sonstiges Bau­material herbei, andere bauen, andere halten Wache, andere wieder beschäftigen sich mit der Sorge für Eier, Larven, Puppen oder Königinnen.

Ganz dieselbe Arbeitstheilung wird auch bei dem wichtigen Geschäft des Einsammels der Vorräthe für den Winter beobachtet. Diese Vorräthe bestehen zumeist aus Samenkörnern, welche bald da, bald dort aufgesucht werden. Der Engländer Moggridge, welcher die förnersammelnden Ameisen an den Ufern des Mittel­ ländischen   Meeres genau beobachtet und ein sehr interessantes Buch darüber geschrieben hat( Harvesting Ants, 1873), fand in ihren Vorrathskammern nicht weniger als dreißig verschiedene Samenkörner- Gattungen. Er sah auch, wie einzelne Ameisen an den Stengeln der samentragenden Aehren emporfletterten und die Samen herabschüttelten, während andere, unten wartende, die herabgefallenen Körner auflasen und nach den Vorrathskammern trugen. Sie tragen dieselben nur bis zum Eingang des Nestes, wo wieder andere Gefährten warten und die Körner in das Innere schleppen. Ja, die Arbeitstheilung bei dieser Beschäfti­gung geht so weit, daß die Ameisen, wenn die Entfernung vom Neste groß ist, unterwegs förmliche Depots oder Niederlagen der Vorräthe unter großen Blättern, Steinen oder an sonst geeigneten Plätzen anlegen, und nun einzelne Abtheilungen von Depot zu Depot cirkuliren lassen.

Diese Gewohnheit der Ameisen, Körner zu sammeln, war schon dem alten griechischen Fabeldichter Aesop   bekannt; und er, wie Andere, betrachteten es als ein Aufspeichern von Nahrungs­Vorräthen für den Winter, bis Huber darauf aufmerksam machte, daß erstens die Mundtheile der Ameisen zum Verspeisen harter Körner ungeeignet seien, und daß zweitens die Ameisen im Winter in eine Art von Winterschlaf verfielen, der die Vorräthe als un­nütz erscheinen lasse.

Beides ist richtig; und doch war der daraus gezogene Schluß unrichtig. Zuerst findet der Winterschlaf der Ameisen nur in nördlichen Gegenden statt, und hier sammeln auch die Ameisen keine Körner- Vorräthe, außer daß sie Körner gelegentlich, so wie andere Gegenstände, vom Boden aufraffen und zum Neste schleppen. Dagegen lebt die eigentliche körnersammelnde Ameise( eine schwarze Myrmica- Art mit großem Kopf), welche vorzugsweise Getreide­förner liebt, nur im Süden, namentlich an den Ufern des Mittel­meeres, wo kein Winterschlaf stattfindet. Zweitens verzehren die Ameisen die Körner nicht im harten Zustande, sondern sie lassen dieselben erst im Innern ihrer warmen und feuchten Wohnungen feimen, wodurch sich das in den Körnern enthaltene Stärkemehl bekanntlich in Zuckerstoff und Gummi umsetzt, und wobei ein kleiner, zarter Keim hervorwächst. Zugleich zerspringt die harte Schale, das ganze Korn schwillt auf und wird weich. Damit ist das Korn in einen Zustand versetzt, wie ihn die Ameise braucht und wünscht; sie verzehrt die weichen Theile, namentlich den von ihr so sehr geliebten Zuckerstoff, und läßt die Schale oder Hülse in Form der sog. Kleie liegen. Daß dieses so ist, haben so­wohl Lespès als Moggridge konstatirt, welche beide kleine Haufen von Hülsen oder von herausgeschaffter Kleie, sog. Abfall­haufen, vor den Nestern liegend fanden. Jedesmal fand Lespès, daß wenigstens der kleine, herausgewachsene Keim verzehrt war, welchen also die Thiere am meisten zu lieben scheinen.

Dieser ganze Prozeß ist derselbe, welchen bekanntlich die Bier­brauer bei dem sog. Malzen des Getreides vorzunehmen pflegen, so daß also nicht bezweifelt werden kann, daß die Ameisen mit einem der wichtigsten Vorgänge menschlicher Kunstthätigkeit und