posten arretirt und auf die Wache geführt zu werden, um sich dort glatt rasiren und eventuell auch des Hambacher- Huts be­rauben zu lassen. Darum scheiterten auch, ob dieses verwegenen Unternehmens, alle meine Versuche, das Gespräch wieder auf die Anwesenheit des Herrn Mollitor zu bringen, denn neben der Schnauzbartheldenhaftig und Grausenhaftigkeit war jetzt allen der fürchterliche Demagogenwolf zum zahmsten Häslein zusammen geschrumpft. Man sagte sich gute Nacht, um sich des nächsten Tages mit den ersten Sprossen des Schnurrbarts wiederzusehen. Als ich nun allein nach Hause gewandelt, meinen Gedanken Audienz gegeben, empfand ich recht bitter, daß der schelmische Wein gerade mir an diesem Abend den boshaftesten Schabernack gespielt, daß er mich direkt in den Katzenjammer gestoßen, ohne mich vorher durch seine üblichen göttlichen Berauschungsfüßig teiten entschädigt zu haben. Doch nein! es war nicht die Unter lassungssünde des immer lustigen Sorgenbrechers, sondern die reinste Furcht vor den Fangzähnen des Demagogenwolfs, die mich so nüchtern gehalten und mir dennoch das Herz, so schwer und den Kopf so schwül gemacht, ja die sich noch, mich um den Schlaf betrügend, in großer Zudringlichkeit in's Bett mit mir legte. Und dieser seelezwetende ,, Sater" wollte mich sobald nicht verlassen, denn jemehr ich die Frage der so schnellen Wieder­ankunft Mollitors untersuchte, desto sicherer erschien mir sein Besuch als mir geltend, da ich sonst in der Stadt keinen ge­nügend Kompromittirten zu entdecken vermochte. Allerdings hatte mich jüngst dieser Spezialkommissarius aller Anklage enthoben und auf freien Fuß gesetzt; allein ich hatte ein zu böses, oder richtiger bezeichnet, ein zu gutes Gewissen, d. h. das Bewußtsein, weit über die hohe obrigkeitliche Bewilligung und die gesetzliche Erlaubniß hinaus das allgemeine Wohl erstrebt zu haben, und zwar in Fällen, die bis dahin noch keiner gerichtlichen Unter­suchung gewürdigt waren. Die bisherigen gerichtlichen Schritte

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gegen mich hatten nur meiner als hochverrätherisch bezeichneten Rede auf dem Hambacher Fest   gegolten, und wenn ich mich auch ob diesen Falles jeder weitern Verfolgung enthoben betrachten durfte, so mußte ich mir unter bewandten Umständen um so mehr eine Reihe von Fragen vorlegen. Ich fragte mich also: ist's vielleicht den Gerechtigkeitswächtern zu Ohren gekommen, daß der Professor K. von Dürkheim, der eben Baden, Hessen  , Nassau, Frankfurt  , Franken und Württemberg   zur Anknüpfung aller revo­Lutionären Fäden, behufs gemeinsamen Losschlagens bereiste, mich vor Kurzem besucht hat? Oder ist etwas darüber laut geworden, daß der Kaufmann X. aus Wunsiedel  , der zum gleichen Zwecke in Süddeutschland   die Runde machte, sich auf einem längern einsamen Spaziergange mit mir verständigt hat? Oder ob es wohl schon verrathen wurde, daß ich erst vor acht Tagen mit einigen Freunden von Frankenthal   und Worms   mit v. Izstein und dem Advokaten Morgenstern in Mannheim   in derselben Angelegenheit eine geheime Besprechung gehabt? Oder haben vielleicht die königlichen und bundestäglichen Polizeispürnasen von meinen revo­lutionären Vereinbarungen mit der geschäftsführenden Burschen­ schaft  ( damals in Erlangen  ) Lunte gerochen? Oder hat die Staatsanwaltschaft nachträglich Indizien über die Befreiung Jakob Venedey's   aus dem Frankenthaler   Kantonsgefängniß erspürt? Oder sind gar inzwischen dem scharfsinnigen Untersuchungskommissär die Augen aufgegangen, daß ich ihn mit meiner Dummheit" und Unbedeutsamkeit" bei den ersten Verhören schelmisch hinter's Licht geführt und er nun um so grimmiger auf mich losgehen werde? Meine Besorgniß über den letzten Punkt war um so größer, als ich ja seither unvorsichtig genug gewesen war, mir durch weitere öffentliche Handlungen, besonders meine Aufsätze im Westboten", eine höhere Bedeutung zu geben, als sie Herr Mollitor nach seiner ersten Bekanntschaft mit mir vermuthen konnte. ( Fortsetzung folgt.)

Danton  .

Episode aus dem Jahre 1792. Frei nach dem Französischen von D... P...

Es gibt wohl kaum eine andere Epoche in der Weltgeschichte, die so reich an dramatischen Begebenheiten ist als die französische  Revolution, und die Episode, welche wir hier, nach den Mitthei­lungen eines Augenzeugen, wiederzuerzählen versuchen, ist vielleicht feine der uninteressantesten jenes großen historischen Dramas.

Man schrieb den 9. August des Jahres 1792. Ludwig der Sechzehnte war ein Gefangener in seinem eigenen Palaste und kaum dem Namen nach noch Herrscher; das Volk diktirte seine Gesetze in den Klubs und die Revolution eilte mit Riesenschritten vorwärts. Die gesetzgebende Versammlung, der das Riesenwerk über den Kopf zu wachsen begann, sing an, sich zu fürchten; sie versuchte, dem reißenden Strom Dämme entgegenzusetzen und bemühte sich vergebens, eine Bewegung zu beschränken, die sie nicht zu beherrschen vermochte. Die Absetzung des Königs wurde in den Volksversammlungen beschlossen und in den Sitzungen des gesetzgebenden Körpers verweigert; die Emigranten besaßen außer ihrer wenig gefährlichen Armee bei Koblenz   noch eine zweite, geheime in Paris  , deren Waffe der Verrath war. Unsere( die französischen  ) Soldaten wichen, unsere Generale schwankten un­entschlossen, kurz, der Augenblick war gekommen, wo die entschei­bende Schlacht zwischen dem Königthume und dem Volke begann, in welcher der Besiegte sich nicht wieder erheben sollte.

Ganz Paris   war in zwei Lager getheilt, der König hatte Verbündete in der Nationalgarde, das Bolt besaß Freunde unter Volk ber Leibgarde des Königs; von einem Ende der Hauptstadt zum andern grollte das Gewitter des Aufruhrs in dumpfen Schlägen und die Marseillaise  " ertönte wie sein hundertfältig wiederhallen

der Donner.

Es war zehn Uhr Abends; in allen Straßen wurde der Rappel geschlagen und aus allen Häusern eilten bewaffnete Männer ihren Sektionen zu. Es herrschte eine allgemeine Auf­

regung unter diesen auf- und abwogenden Massen; Leute, die sich niemals gesehen hatten, begrüßten sich wie alte Bekannte, drückten sich die Hände und riefen einander zu: Auf baldiges Wiedersehen!" Hier versöhnten sich zwei geschworne Feinde unter der Fahne ihrer Sektion; dort trennten sich zwei, noch gestern innig verbundene Freunde als unverföhnliche Gegner.

Vor Allem war es die Straße St. Honoré, in der sich die Menge immer dichter zusammendrängte; es bildeten sich erregte Gruppen, in deren Mitte volksthümliche Redner die Begeisterung anfeuerten, aber bald vereinigten sich all diese vereinzelten Gruppen und verschmolzen zu einem dichten Kreise; alle Redner schwiegen, um einem Manne zuzuhören, der, die Flinte in der Hand, auf die Stufen eines Palastes gestiegen war, den man jetzt vergeblich suchen würde, denn der Zorn des Volkes hat dort gehaust und hat nur Trümmer übrig gelassen, auf denen sich eine ärmliche Hütte erhebt.

Jener Mann, welcher die allgemeine Aufmerksamkeit fesselte, war eine hünenhafte Erscheinung, mit reichem, wallendem Haar, das wie die Mähne eines Löwen über seine Schultern hing, und mit blizenden Augen. Seine Stimme, die geschaffen schien, um das Getöse des Aufruhrs zu beherrschen, war stark und männlich, wie die Stimme des Volkes; seine Gedanken waren von einer großartigen Logik des Augenblids, wie die Gedanken des Volkes; sein Urtheil schnell, logisch, brutal und freimüthig, wie das Urtheil des Volkes. Dieser Mann war eine vollkommen begabte Orga= nisation; er besaß sowohl Beredtsamkeit, um zu überzeugen, als physische Kraft, um zu bezwingen; er führte zwei allmächtige Waffen: das Wort gegen die schönrednerischen Stüßen der Aristo­fratie, und eine Keule gegen ihre Meuchelmörder. Seine hohe Stirne war tief gefurcht, wie die Stirne des Volks durch die Geißel der Tyrannen; sein Antlig trug das Gepräge der Kraft