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Orten die Sonntagsglocken, auf allen Straßen und Pfaden, zwischen den grünen Hecken wird es lebendig von Kirchengängern im Feiertagspus und manches hübsche Kind bricht noch schnell im Garten ein paar Blumen, um sie vor die Brust oder in den Gürtel zu stecken.

Justus von Liebig  ( siehe Seite 352), einer der größten Chemiker, dessen unermüdlicher Arbeitskraft die Chemie allseitige und großartige theoretische Förderung verdankt. Insbesondere machte er sich verdient durch die Anwendung der Chemie zur Beantwortung physiologischer Fragen, zur Erklärung der Vorgänge im Pflanzen und Thierförper. Die Resultate seiner Untersuchungen über die Ernährung der Pflanzen führten eine neue Epoche für die gesammte Landwirthschaft herauf. Die Physiologie der Thierkörper erweiterte er durch Untersuchungen über die Entstehung der Körpergebilde aus den Bestandtheilen der Nahrungsmittel, und über den Antheil, welchen dieselben an den ver­schiedenen Lebensfunktionen, z. B. an der Athmung, haben. Von seinen zahlreichen und durchweg belangreichen Werken verdienen das im Jahre 1840 zu Braunschweig   erschienene:" Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie", ferner das 1842 herausgegebene: " Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie" und die Thierchemie" besondere Erwähnung. Diesen schließen sich die in praktischer Beziehung zu außergewöhnlicher Wir­fung gelangten Chemischen Briefe" ebenbürtig an. Liebig   wunde am 15. Mai 1803 in Darmstadt   geboren, bezog 1819 die Universität, ward auf Humboldt's Veranlassung bereits im Alter von 21 Jahren außerordentlicher, und zwei Jahre später ordentlicher Professor an der Universität Gießen. Im Jahre 1845 verlieh ihm der Großherzog von Hessen- Darmstadt den erblichen Freiherrntitel. Im Jahre 1854 ging er als Professor der Chemie und Konservator des Chemischen Labora toriums an die Universität München  , in welcher Stellung er bis zu seinem im Jahre 1873 erfolgten Tode verblieb. Xz.

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Der häusliche Zwift.( Siehe Seite 353.) Die Ehen werden im Himmel geschlossen," sagt ein frommes Sprüchwort, das besonders unsere Frau Basen gerne anwenden, wenn sie gegen die Civilehe losziehen wollen, die trotz des Reichstags und seiner Weisheit gar des Teufels sein soll. Sie haben den Segen der Kirche verschmäht, Frau Meisterin!" würde der Herr Pfarrer der grimmigen Ehehälfte auf unserm Bilde hier vorbeien, käme sie auf den naiven Gedanken, ihm wegen ihres neulichen Zwistes ihr Herz auszuschütten, wenn er sie ge­legentlich auf dem Kirchhofe trifft, wo sie ihrer Eltern Gräber pflegt. " Der häusliche Zwist zieht ein, wo der Friede des Herrn feine Stätte fand," würde er fortfahren, bis so zufällig unser Meister Nagel dazu fäme, um sein weltliches Amen ohne weitere Umstände dazu zu setzen. Und daß er darin was los hat, davon kann uns unser Bild erzählen.

Das muß aber auch eine wichtige Sache sein, ob der sie sich er­zürnten, wo würde Meister Nagel sonst im Aufbrausen seiner Pfeife und dem Stuhl eine so sonderbare Lage angewiesen und sich mit ge­freuzten Armen, grimmigen Angesichts, in ganze Kehrwende zu seinen sonstigen Lieblingen gestellt haben? Ja, wir wissen's ganz genau, die Nagel'schen Eheleute leben sonst gut zusammen und führen eine rechte Hauswirthschaft. Das kleine Geschäft nährt seinen Mann, denn er ist in Krähwinkel der einzige Schmied, geschickt nnd fleißig, weshalb auch Mittags auf dem Tische die gefüllte Schüssel nicht fehlt. Einen gesunden Buben hat er auch im Hause, und wie wir sehen, schlägt bei dem Jungen die Kost gut an, von der für den behäbigen Pinsch manch

Es wandert sich gut in dem kalten Nebel mit sonnigen Bildern in der Brust. Und der Nebel gewährt den Vortheil, daß uns das Steigen durch den rieselnden Tannenwald zu den Hirschhörnern auf dem Königsberge feinen Schweißtropfen tostet. ( Fortsetzung folgt.)

leidlicher Bissen unter den Tisch fällt. Aber was müssen denn die Leute mit einander ausgelöffelt haben, daß sie heute eine gar so wunder­liche Andacht halten und den wohlbereiteten Inhalt der dampfenden Schüssel unberührt stehen lassen? Die Klatschschwestern von Krähwinkel wüßten aus diesem Bilde ein recht rührendes Trauerspiel herauszulesen, wenn sie es durch die Thürspalte besehen hätten, und wir wollen uns deshalb nur beeilen, unserm Leser anzuvertrauen, was denn eigentlich schuld an dem ganzen Trödel war.

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Da kommt der Meister Nagel am legten Montag mit gutem Appetit und vortrefflicher Stimmung zum Mittagessen. Das Essen ist auf­getragen, und zwei wohlgefüllte Halbe" stehen auf dem Tisch, wie es in Bayern   so Brauch ist. Die Meisterin mit dem kleinen Jackert" ( Jakob) sigt zur Seite ihres Mannes obenan. Doch der Junge ist bei Blaumontagsstimmung, er hat etwas eigensinnigen Kopf und die Zähne machen ihm auch zu schaffen. Meister Nagel hat den Buben sehr lieb und er darf selten bei Tische sehlen. Er soll schon frühzeitig Ordnung und Folgsamkeit lernen, und darum flopft ihn Meister Nagel so zeitweilig auf die Fingerchen, wenn er nach allen Tellern greift. Jackerl parirt, wenn er guter Stimmung ist, und es geht dann Alles glatt ab, aber hat er seinen bösen Tag, dann ist's aus mit ihm, wenn man ihn nur scharf anredet, und das weiß Niemand besser als seine Frau Mutter, die deshalb gewöhnlich den Schuggeist spielt. Heute aber hat sie sich umsonst bemüht, denn kaum hat Jackerl ihren Löffel ergriffen und damit einige Brocken auf den Tisch geschüttet, als Meister Nagel ihn streng in die Scheere nimmt. Der kleine Troßkopf protestirt, der Vater aber wendet das Recht des Stärkeren" an, troßdem seine Frau die Partie des Kleinen nimmt, der ein Zetermordio zur Tafel anstimmt. Da eins, zwei, drei! Meister Nagel hat die Geduld verloren und setzt den erschreckten Jackerl mit den drei Klappsen auf den Stubenboden. Dort stimmt das Bürschchen erst recht sein Solo an. Und was dann noch passirte? Nun, unser Bild läßt ver­muthen, daß die Frau Mutter nach dieser Katastrophe nicht gleich so stumm und schmollend am Tische saß. Sie ist ein Gegner der Prügel­strafe, hauptsächlich wenn Meister Nagel den Vollstrecker spielt, denn er ist hißig und faum ist es bei ihr heraus, als unser Meister mit Stuhl und Pfeife sein Amen ruft. Jackert ist nicht im entferntesten damit beruhigt, und auch der Pinsch scheint im Zweifel darüber nach­zudenken, welcher Partei er Recht geben soll. Tas aber können wir versichern, daß die schweigende Stimmung ter Eltern den Jackerl füg­lich auf den guten Einfall gebracht hat, den Alten beim Schurzleder zu packen und ihm, auf die Schüssel zeigend, zuzurufen: Da, da Supp', Supp'!" so daß Meister Nagel gar rasch zur Besinnung fam. Der kleine Störenfried hat also Alles wieder gutgemacht, denn er ist zwar eigensinnig, aber versöhnlich, was er von seinem Vater haben soll. Der häusliche Zwist aber, den unser Bild zeigt, ist nur ein Schattenstrich in dem lichten und bescheidenen Leben dieser Menschen, die nicht unter dem Segen der Kirche, aber in voller und wahrer Liebe sich ihren Chestand schufen, und die schließlich auch diese Mahlzeit, wie später noch manche ernstere, ohne Kirchensegen treu und ausdauernd, civiliter*) mit einander bewältigt haben. Aesop  .

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*) Heißt wörtlich: bürgerlich,

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in diesem Falle: bürgerlich getraut.

Mit nächster Nummer beschließt die ,, Neue Welt" das dritte Quartal, und wir können unsern Lesern die Mittheilung machen, daß sich das Blatt seine bisherigen Freunde bewahrt und ganz befriedigende neue Erfolge errungen hat. Wohl wissen wir, daß dazu die Freunde unsrer Sache ein Wesentliches beigetragen haben, und rechnen deshalb auch ferner auf deren kräftigste Unterstüßung, zumal in der jetzigen geschäftslosen Zeit die Liebe und Hingebung zu unsrer Sache allein die gewonnenen Leser erhalten, neue zu den bisherigen 17,500 uns zuführen kann. Wir selbst werden nach Kräften dahin wirken, daß unser Blatt die Aufgabe, welche es sich gesteckt hat: ein Bahnbrecher zu sein für das Wahre, Gute und Schöne, immer besser erfülle. Sicherlich wird es so dem vereinten Streben gelingen, im Laufe der Zeit aus dem bescheidenen Anfang wahrhaft Großes zu schaffen.

Sorge also Jeder, daß wir noch im Laufe dieses Jahres ein gut Stück vorwärts fommen! Hunderttausend Leser für die Neue Welt"!- das muß unser Aller Ziel sein. Also an's Werk!

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