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Für meine Geduld und Philosophie ward es denn doch zuviel! Ich versetzte ihm mit meiner Harpune einen Schlag in's Genick, wobei ich, ohne es zu wollen, ihm ein Ohr durchbohrte. Brüllend vor Schreck und Schmerz stürzte er blutend zu Boden. Meine Uebereilung that mir leid, und da ich den rachsüchtigen und wilden Charakter der Bre tagner tannte, so fürchtete ich die Folgen meiner Handlung. Mir blieb nicht viel Zeit zum Ueberlegen, denn plößlich erhob sich der Mann auf die Kniee und gab einen lauten, schrillen Pfiff durch die Finger, der aus geringer Entfernung beantwortet wurde. Zu meinem Schrecken sah ich eine Anzahl mit ihren kurzen Sicheln zum Haidekrautschneiden bewaffneter Männer auf mich zu eilen. Was war zu thun? Sicherer Tod oder schreckliche Verstümmelung erwartete mich, wenn ich blieb, wo ich war, und ich wußte, daß in einem Laufe nach der Pfarrei diese gelentigen Bretagner mich überholen würden. Konnte ich das andere Ufer des etwa dreißig Meter breiten, nicht tiefen und mit Felsstücken erfüllten Flusses erreichen und kamen die Leute mir auf diesem Wege nicht nach, so war der Lauf nach der Pfarrei bedeutend abgekürzt. Ich sprang in's Wasser und benutzte den Rest meiner Angelruthe als Stüße. Kaum hatte ich, gefchunden und zerstoßen, das erste größere Felsstück erreicht, als meine Verfolger am Ufer angekommen waren. Aber sie folgten mir nicht nach, sondern begannen, mich mit Steinen zu bombardiren. Ich setzte meinen gefährlichen Weg durch den Fluß fort und gelangte endlich, der Erschöpfung nahe, an das andere Ufer. Ich eilte nach der Pfarrei und erzählte dem Priester mein Abenteuer. Er bedauerte mich, gab mir aber den freundschaftlichen Rath, wenigstens für einige Zeit nicht nach Knockynolly zu kommen, da der verwun dete Mann oder seine Freunde sonst sicherlich an mir Rache nehmen

würden.

So nahm mein Fischfang im besten und lieblichsten Theile des Flusses Quimper   ein plößliches und unangenehmes Ende, denn ich war völlig überzeugt, daß die Voraussage meines priesterlichen Freundes sich erfüllen würde, wenn ich in das Dorf zurückkehrte.

Ich hatte in der Bretagne   noch Gelegenheit, dem Fange eines ge­wissen kleinen Fisches beizuwohnen, der fast täglich eine delikate Beigabe zu meinem Frühstück gebildet hatte, in frischem Zustande, über Holz­asche geröstet und mit frischer Butter und feinen Küchenkräutern servirt. Dieses vorzügliche Beigericht, das in eingemachtem Zustande be­kannt und geschäßt ist bei dem Hinterwäldler von Kanada  , bei den Goldgräbern in Australien   und Kalifornien  , im wildesten Busch, bei dem Gourmand in Paris   und überall sonst, ist bei weitem schmackhafter, wenn in frischem Zustande genossen. Es bildet einen Haupterport­artikel Frankreichs  , und ohne Zweifel finden nebenbei vielerlei andere fleine Weißfische ihren Weg in die Zinnbüchsen, welche die Signatur Sardines à l'huile tragen.

Diese kleinen Fischchen werden in ungeheuren Mengen längs der ganzen Küste der Bretagne  , nördlich bis Brest  , gefangen. Weiter nörd­lich kommen sie nicht vor. Die Fangart ist wie bei der Pilchard*)= Fischerei in Cornwall  , nur sind bei den Sardinen die Neze größer und die Maschen enger. Die Neße sind bis sechs Meter tief und bis zwei­hundert Meter lang. Boote und Neße sind gewöhnlich Eigenthum von Privatleuten, welche dieselben an die Fischer ausleihen gegen die Ent­richtung eines bestimmten Gewinnantheils, entweder in Sardinen oder in Geld.

Wenn bei klarem Wetter und bei ruhiger See die ungeheuren Schaaren Sardinen in die verschiedenen Buchten der Küste kommen, wobei das Wasser an der Oberfläche wie Silber glänzt, so gibt es kein belebteres Bild, als die Flotten von Böten in allen Richtungen über die Wellen schießen und die Schnelligkeit und Geschicklichkeit zu sehen, mit welcher die enormen Neze gehandhabt werden. Alles dies sah ich in höchster Vollkommenheit und vielfältiger Abwechslung in der Bai von Concarneau, einem kleinen Städtchen nicht weit von Quimperle. Das Einlegen in die Zinnbüchsen geschieht hauptsächlich in Nantes   und

Lorient  .

Das Fischen mit dem Cormoran habe ich in China   fast täglich beobachtet. Der Cormoran ist ein großer, zur Familie der Pelikane gehöriger Vogel, dessen Gelehrigkeit und Folgsamkeit ganz außerordentlich ist. Wenn man es nicht selbst gesehen hat, so ist es fast unglaublich, wie nahe die Handlungen dieser Vögel an die Handlungen mit Vernunft begabter Wesen streifen.

Ein kleines Boot erscheint, das von einem Manne gerudert wird, und auf dessen Rändern in gleichen Entfernungen eine Anzahl Cormorans in verschiedenen Größen und Farben hocken. Um den unteren Theil des Halses hat jeder Vogel ein Band, das ihn hindert, einen größeren Gegenstand zu verschlucken. Der Mann hat ein leichtes Stäbchen in der Hand, mit welchem er denjenigen Vogel berührt, dessen Dienste gewünscht werden. Auf dieses Zeichen stürzt sich der Vogel schlankweg in's Wasser, während die andern ruhig sizen bleiben. Manchmal dauert es ziemlich lange, bevor das Thier mit oder ohne Fisch im Schnabel wieder an die Oberfläche kommt. Im ersten Falle nimmt ihm der Bootsmann den Fang ruhig ab und wirft ihn in eine im Boote be­findliches Gefäß. Der Cormoran nimmt dann seinen alten Platz auf dem Bootsrande wieder ein; ein anderer thut dann den Dienst, und so geht es reiheum, bis alle daran gewesen sind, oder bis der Fischer genug Fische hat, oder bis die Thiere zu müde und nicht mehr dienst­fähig sind.

*) Eine kleine Sardellenart.

Vorrichtungen zum Fischefangen sind in China   ebenso mannich­faltig und sinnreich wie in Europa  , sodaß es überraschend erscheinen muß, daß in den dortigen ruhigen Gewässern auch nur noch ein Fisch vorhanden ist. Aber ungeheure Mengen junger Fische ersezen fort und fort den Abgang der alten. Niemals habe ich einen Chinesen angeln sehen, der Chinamann zieht das Fischen im großen vor.

Lucifer( Bild Seite 316)*). Eine der schönsten Bildsäulen, welche die geräumigen Pläze Mailands   schmücken, ist der Lucifer des jungen Bildhauers Constantino Corti, ein wahres Meisterstück der an erhabenen Erzeugnissen reichhaltigen italienischen Skulptur. Nur ein Genie ist im Stande, die Verkörperung der dämonischen Schönheit eines gefallenen Engels wiederzugeben. Auf dieser Stirne dämmert noch der Abglanz jener Blize, die einst das Haupt als Aureole umstrahlten. Zwischen den kühngeschwungenen Brauen lagert der peinigende Zweifel, der ihn zum Aufruhr gegen das Bestehende getrieben. Das ist nicht der gewöhnliche, böse Geist, das Prototyp der Häßlichkeit, der heim­tückische Schrecken der Zagen, nicht der, Geist der Finsterniß, wie ihn die alten Dichter dachten, wie ihn Dante   in der, Divina Comedia  geschildert, der dumpf auf derselben Stelle tauert, wohin ihn Gottes Zorn aus Himmels Höhen gestürzt, apathisch und kalt, daß ihm die Zähren auf der Wange frieren. Dieser, verneinende Geist ist die per­sonifizirte Thatkraft, die nie erlahmt, troß dem Mangel jeglichen Er­folges; es ist die Eitelkeit, die, von Selbstüberhebung gestachelt, Jehova vom Wolfenthron verdrängen wollte, um ihn selbst zu usurpiren. Der trozige Blick des geflügelten Titanen bedroht den Himmel, dessen Macht er unterlegen. Die Haltung der elastischen und doch kraftstroßenden Glieder verräth das apollinische Ebenmaß, wie sie nur das klassische Zeitalter kannte.

*) Wir lassen hier den Text der warschauer illustrirten Wochenschrift ,, Klosy  " in der Uebersetzung unsers Mitarbeiters Dr. Traufil folgen.

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Tell( Bild Seite 317). Wenn auch die Tellsage vor der histori­schen Kritik nicht auf Wahrheit Anspruch erheben kann, so hat sie den­noch für den Schweizer   einen unendlichen Werth, sie ist ein Stück von ihm, von seinem ganzen Wesen und Sein, und wir begreifen, daß er so innig daran hängt, daß er einem Tellleugner bitter und hart begegnen kann. Aber vollends müssen wir ihr einen hohen Werth zugestehen, was ihren allgemein menschlichen, für alle Zeiten dauernden und stich­haltigen inneren Gehalt anlangt. Die dichterische Wahrheit in der­selben wird für Freiheit und Recht allzeit Menschenherzen begeistern. Unser heutiges, von Kaulbach gezeichnetes Bild führt uns eine Szene aus diesem historischen Drama vor, welche sich schon bei Tschudi findet und die Schiller in seinem Tell", gleich im Anfang, in das Gold seiner Poesie gefaßt hat. Baumgarten, der den Burgvogt von Alzellen, welcher seinem Weib Treubruch an ihrem Gatten anmuthete, erschlagen hat, stürzt auf die Szene, verfolgt von den Landreitern des erschlagenen habsburgischen Statthalters Wolfenschießen  . Er bittet den Fährmann inbrünstig, ihn über den See zu setzen; doch ein entsetzliches Unwetter ist im Anzuge und der Schiffer erklärt das Unternehmen für ein wahn­wißiges Beginnen, welches mit Tod und Untergang enden müsse. Jmmer bänger und schwüler wird die Situation, die Verfolger müssen immer näher kommen, die Angst des Verfolgten, das Mitleid der rathlosen Umstehenden äußern sich immer lauter, zugleich aber auch wird immer klarer, daß es unmöglich ist, sich dem See anzuvertrauen. Da schreitet als Helfer in der höchsten Noth Tell von dem Berge herab. Diesen Moment hat der Künstler erfaßt. Im Vordergrunde der kniefällig um Hilfe flehende Baumgarten, am Strande des wildwogenden Sees Ruodi, der Schiffer, der, auf die stärkere Gewalt der Elemente verweisend, die Unmöglichkeit, etwas zu thun, betheuert; links der ältere Hirt, der den Fährmann zu bestimmen sucht, doch die Fahrt für den Unglück­lichen zu wagen. Hinter dem älteren weist ein jüngerer Hirt hinauf nach der Höhe, von der Tell herabkommt und sucht ihn, den schon vielfach Bewährten, zur Hülfeleistung zu bestimmen. Angst und Furcht in den Zügen Baumgartens, Mitleid und Trauer des Schiffers, der keine Möglichkeit der Rettung sieht, überredende Freundlichkeit bei dem alten und freudige Hoffnung des jungen Hirten sind vorzüglich zur Anschauung gebracht. Und Tell, fest und stark einherschreitend, ein auf sich selbst ruhender, selbstvertrauender Mann, wird uns so geschildert von dem Maler, daß wir glauben, er wird helfen, er wird das Aeußerste wagen. Und die Tellsage erzählt, daß er es auch gethan.

Kerztlicher Briefkasten.*)

wt.

Königsberg  . C. H. Sie leiden am Bandwurm, und verweisen wir Sie auf das im Briefkasten von Nr. 23 Gesagte.

Berlin  . F. G. Was wir von dem sogenannten homöopathischen Gesundheitskaffee halten? Mit der Homöopathie hat derselbe absolut nichts zu thun, denn er besteht zum großen Theil aus geröstetem Zucker­

*) Die große Menge der um ärztliche Belehrung nachsuchenden Briefe macht es uns unmöglich, jeben einzelnen derselben fernerhin im Briefkasten beantworten zu lassen. Es wird bies fortan nur hinsichtlich solcher Briefe geschehen, deren öffentliche Beantwortung von allgemeinem Interesse ist. Schreiben, welche in rein persönlichem Interesse ärztlichen Rath verlangen, werden von Hrn. Dr. Resau privatim beantwortet werden, falls der Schreiber seine genaue Adresse angegeben hat. Red. d. ,, N. W.  "