Ein einsamer Fußgänger hatte ebenfalls den Schrei gehört; auch ihm war, wie ein Phantom für einen Augenblick die Gestalt bemerkbar geworden, die in der Mitte der Straße sich den heran­stürmenden Pferden entgegenwarf. Auch er hatte einen Aus­ruf des Schreckens nicht unterdrücken können und er hatte seine Schritte beschleunigt, um den Schauplah dieses Ereignisses zu erreichen.

Zugleich ward die Thür der Schenke aufgerissen, der Wirth und seine Gäste liefen herzu.

Was gibt's, was ist geschehen?" riefen sie alle wie aus einem Munde. Ah, der Fleischer Fruhwirth mit seinem Zeug, der Saferloter! Hast wieder ein Unglück angestellt?" Hierauf das Mädchen bemerkend, drängten sie sich an sie heran, sie befragend, ob ihr was geschehen sei.

Marie schüttelte verneinend den Kopf. Sie vermochte nicht, zu sprechen, ihr Herz pochte in furchtbaren Schlägen, ihr Körper zitterte, ihre Glieder waren wie gelähmt. Sie wies mit den Augen auf die Gestalt am Boden.

Die Männer beugten sich zu derselben herab. Als sie den Schuster erkannten, brachen sie in ein rohes Gelächter aus.

Der wär' also bald wieder unter die Räder gekommen? Hahaha, das besoffene Schwein."

Das thut ihm nichts und wenn's ihm alle Rippen zerbrochen hätt."

,, Und wenn's ihm die Kutteln zerquetscht hätt', der flickt sich alles mit Branntwein wieder zusammen.

,, Der hat schon so' was öfter durchgemacht, der Pechmichel." So riefen sie durcheinander.

Er blutet," sagte Marie; ihre Stimme war völlig erloschen. Geh aus dem Licht," rief der eine jetzt einem andern zu, ,, stell' dich nicht grade vor die Thür, damit wir sie doch ein bissel sehen können, damit wir doch wissen, ob sie jung oder alt ist."

Die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich jetzt dem Mädchen zu, auf welches einen Augenblick lang der schwache Schein aus dem Innern der Stube fiel.

,, Hübsch, hübsch, sehr hübsch, bei meiner Seel'!" rief der erste, ein verlumpter, übelaussehender Mensch von etwa vierzig Jahren. Die übrigen waren derselben Meinung.

,, Na, zittern Sie nur nicht," bemerkte der Wirth ,,, der Kerl ist's nicht werth, aber was wollten Sie denn mit ihm?"

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Ein junger, stämmiger Bursche, der ihr auch ins Gesicht ge­sehen, stupfte den Wirth.

Was sie mit ihm wollte? Dumme Frage, sie hat ihm das Leben gerettet," sagte er.

Der Fleischer verließ auf einen Moment die Pferde und kam herbei.

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,, Der helle Wahnsinn war's, das sag' ich," rief er noch immer erbost. Meine Pferde sind im schnellsten Lauf und sie stellt sich vor sie hin wie ein Barrièrestock. So' was verdient eigentlich" er trat ihr ganz nahe und fah ihr ins Gesicht,- Jesus Maria Die Fräulein Joseph!" rief er, einen Schritt zurücktretend. Marie! Ist's möglich, sind Sie's wirklich? Nein, so was! Ein Fräulein aus so einem Haus, und grad' vor meine Pferde, und wegen so einem Kerl! Aber Fräulein Marie- Sie haben's nur meiner festen Hand zu verdanken, daß Sie noch leben. Aber wer hätt sich das gedacht, wie kommen Sie auch nur daher und allein?!"

,, Ich hatte mich bei einem Besuch verspätet und wollte rasch nachhause," stammelte Marie, die die Nothwendigkeit fühlte, dem Manne eine Erklärung zu geben.

,, Und im Finstern ist sie halt über den Pechmichel gestolpert," lachte der Wirth ,,, und das war halt für sie ein Bech." Er lachte noch lauter über seinen Wiz.

,, Einerlei, brav war's doch," erklärte der Stämmige ,,, und muthig obendrein!"

" Ja, das war's!" riefen alle übrigen.

Meister Fruhwirth schüttelte den Kopf. Brav ja, zugegeben, aber unvorsichtig, und so eine Fräul'n, wie die Fräul'n Marie, die hat's nicht nothwendig, sich wegen so einem Saufaus da aus­zusehen, und die Sträng' sind mir auch bei der G'schicht' zer­rissen." Er sah wieder nach den Pferden.

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,, Und der Meister Fruhwirth hätt's auch nicht nöthig, wie der leibhaftige Teufel selber zu kutschiren," schalt der Stämmige, der für Marie Partei nahm. Es gehört sich garnicht, mit dem Gespann so durch den Ort zu rasen, aber meiner Seel', die Fräul'n hat höllisch Courage gezeigt, und allen Respekt davor." Er schaute sie sehr verliebt an und fuhr fort: Aber ich meine, Sie sollten ein bissel hereinkommen und sich stärken," er wies nach der Schenkstube ,,, ich mein', das könnt Ihnen gut thun, Sie sind ja eh' ganz hin."

Der Wirth wiederholte die Einladung. I freilich, Sie müssen herein, Fräulein, Sie werden mir doch die Ehre erweisen. Den Bechmichel werft's   in die Scheune!" befahl er zweien seiner Haus­leute, die den Unglücklichen aufgehoben und nun forttrugen.

Jetzt wagte sich der Vierzigjährige auch mit einer Galanterie hervor:

,, Da nennen's ihn den Pechmichel," grinste er ,,, ich sag' er ist ein Glückskerl, so ein hübsches Fräulein thut sich da vor ihn hinwerfen, unsereinem geschieht so was nicht, und ich war doch schon oft genug besoffen." Er fuhr ihr mit der Hand gegen das Gesicht, als wollte er ihr Kinn erfassen. ( Fortsetzung folgt.)

Ein Musterinstitut für volksthümliche Naturkunde; der botanische Garten zu Breslau  .

Von Rothberg- Lindener.

In der That ist diese Besorgniß nicht ungegründet, da grade in den Kreisen der ländlichen Bevölkerung, bei der man wegen der häufigeren Berührung soviel Kenntniß dieser Gewächse voraus sezen sollte, um die eßbaren von den schädlichen zu unterscheiden, alljährlich eine ganze Anzahl Vergiftungsfälle eintreten. Indemi also durch diese Ausstellung auch dem weiblichen Theil der Be­völkerung, der ja meist den Lebensmitteleinkauf besorgt, Gelegen­heit geboten wird, seine Pilzkunde auf eine sichere Grundlage zu bringen, ist damit zugleich ein höchlich anzuerkennendes Beispiel geliefert, daß auch streng wissenschaftliche Universitätsinstitute in zuvorkommendster Weise in weiterer Linie dem allgemeinen Besten Sienen können, ohne ihrer Würde etwas zu vergeben.

Vor diesen großen Gewächshäusern erstreckt sich ein weiter Raum, mannichfach abgetheilt, mit nur wenigen und meist kleinen Bäumchen besetzt und daher der Sonne zugänglicher, der in mehreren tausend Arten die perennirenden, d. H. in unserm Klima im Freien ausdauernden, allfrühjährlich frisch treibenden Gewächse enthält. Von diesen eingeschlossen ist eine Abtheilung, unmittel­bar vor dem Palmenhause, der charakteristischen Darstellung der chinesischen und japanischen Flora, in mehr als 500 Arten, ge­widmet. Sie ist sowohl durch ihren zu jeder Jahreszeit reichen Blüthenschmuck, als auch vom Nüglichkeitsstandpunkt aus an­ziehend. Daneben findet im Schuße von Nußbäumen amerikani­scher( Hickory) und kaukasischer Herkunft noch eine sehr bemer­

( Schluß.)

kenswerthe Sammlung erotischer Nadelbäume Aufstellung, von deren überhaupt vorhandenen etwa 400 Arten hier gegen 250 vertreten sind. Da sehen wir die barocken Gestalten der Arau­farien, die historischen Cedern vom Libanon, sowie solche vom Atlas und vom Himalaya  ; wir finden ferner den Dammara­harzbaum von Neuseeland   und die, lange Zeit für den höchsten Baum der Welt gehaltne, kalifornische Sequoia( Wellingtonia gigantea) in einzelnen für unsere Verhältnisse ansehnlichen Erem­plaren.

Einige benachbarte weitere große Abtheilungen des Gartens sind angefüllt mit einjährigen Pflanzen, von denen die offizinell, ökonomisch und technisch wichtigen( wie die Hauptgetreidearten und Gemüsepflanzen der Erde  ) zu bequemerer Betrachtung den Hauptwegen zunächst untergebracht sind, und bei denen wieder in genauer Etikettirung über Herkunft und Verwendung Auskunft gegeben wird.

Es schließen sich daran, von Bäumen geschützt, Gruppen mit zahlreichen Pflanzen wärmerer Zonen der nördlichen, vorwiegend jedoch der südlichen Halbinsel. So sind Madera und die Kana­rischen Inseln in ihren Charakterpflanzen dargestellt. Eiskräuter, Pelargonien, malvenartige und Haidekräuter vertreten die Flora vom Kap. Am umfangreichsten aber ist hier die australische Vegetation vertreten; Neuseeland   durch seine, baumartigen Schachtel­halmen ähnelnden, schattenlosen Kasuarinen, das Festland durch