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Beifall steigern sich auf's höchste, als die Sänger das gewünschte Minnelied zum Vortrag bringen. Der Meister selbst, mit dem Pergament in der Hand, begleitet hier nur, gleich den beiden anderen mer nach hinten postirten Kameraden, und der eigentliche Vortragende ist der blondgeloďte Jüngling im Mittelpunkt, der Sängerknabe( fingerlin, Singerlein genant), dessen sich ersterer nach Sängerbrauch bedient, um den Liebreiz und die Anmut, welche in seinen Liedern waltet, auch im Gesange zutage treten lassen zu können, was ihm als bejarten Mann, dem Weichheit und Zartheit der Stimme felen, unmöglich wäre. Zuerst erflingt's leise von den Lippen des jugendlichen Sängers von der Kümmernis seines Herzens, die Sehnsucht nach der Geliebten hebt die glockenreine Stimme, bis das Auffinden und der Besiz der Geliebten das Herz aufschwellt und sich in jubelnden Tönen seines Sanges fundgibt. Dabei blickt er, ganz in sein Lied versunken, das junge aufmerksame Gemal des Schloßherrn so schwärmerisch an, als sei diese selbst der Gegenstand seines Sehnens. Doch wird sich für ihn morgen oder übermorgen bei Einkehr auf der Burg eines andern Ritters genau dasselbe wiederholen, wenn er der Gebieterin gegenübertritt und ein Lied der Minne seines Meisters vorträgt. Denn lange dauert der Aufenthalt der kleinen Künstlergenossenschaft an ihrem heutigen Plaze nicht mer; es wird wol noch manch Lied gesungen, das den Sängern reichen Beifall und schließlich auch reale Belonung einbringt, wofür dann noch zum Schlusse der Meister ein Lied zum Lobe des Gastgebers und dessen Gemalin zum Besten gibt, aber dann ziehen sie weiter, um ihre Kunst anderwärts zu üben. Und so wird denn das Lied und Lob der Minne weitergetragen von Burg zu Burg, von Schloß zu Schloß von hunderten von Sängern, von denen uns heute wenigstens 140 als Dichter durch ihre nachgelassenen Werke bekant sind. Die vollständigste Sammlung derselben ist die Manessi'sche, vermutlich veranstaltet von dem züricher Ratsherrn Manesse im 14. Jarhundert, jezt in Paris befindlich. Diese fürt die Lieder von 140 Sängern an, unter denen sich Kaiser und Fürsten befinden. Die bedeutendsten Repräsentanten dieser ritterlichen Poesie waren Detmar von Airt, der Kürenberg , Friedrich von Hausen , Heinrich von Veldeke , Kaiser Heinrich VI., Heinrich v. Morungen, Hartmann von Aue , Reinmar der Alte , Walther von der Vogel weide , Wolfram von Eschenbach , der Tannhäuser, Ulrich von Lichtenstein , Heinrich von Breslau, Steinmar, Meister Hadlaub u. a. m. In der genanten Handschrift kommen erst die beiden Minnesänger der Hohen staufen , Heinrich VI. und Konradin , an die Könige schließt sich der hohe und der niedere Adel an und diesem folgen die bürgerlichen Sänger. Fast jedem Dichter ist ein Bild mitgegeben, das allerdings auf Porträtänlichkeit keinen Anspruch machen kann. Dargestellt sind bildlich Szenen aus dem ritterlichen Leben, Turnir und ernster Kampf, Belagerung, Mord, Ueberfall, Verwundung, Pflege, Jagd, Tanz, Musik und sonstige Unterhaltung; gemütliche Häuslichkeit, Umarmung, Entfürung und änliches, von denen der Dichter den Mittelpunkt abgibt. Heinrich von Veldeke sizt auf einem Rasenhügel, zu seinen Füßen blühende Blumen, um ihn sammeln sich die Vögel. Walther von der Vogelweide ist dargestellt auf einem Steine sizend, nachdenkend, wie er sich selbst schildert: ,, Ich saz ûf einem steine:
dô dahte ich bein mit beine, dar uf sezt ich den ellenbogen; ich hete in mine hand gesmogen daz kinne und ein min wange." Charakteristisch ist dies Citat für die Art des Dichters, seinen Hörern zu sagen, daß er über etwas nachgedacht habe. Und um Hörer handelte es sich bei den Schöpfungen der Minnelieder hauptsächlich, denn alle Lieder wurden gesungen, drangen mit ihrer Melodie in's Volt, und in der Regel war der Dichter zugleich Komponist. Leider sind die Melodien der Lieder neben dem Text derselben in der Aufzeichnung nicht enthalten, und somit büßen wir eigentlich diesen nicht unwesentlichen Teil der mitttelhochdeutschen Lyrik ein. Was das sagen will, wenn man bedenkt, daß doch die meisten Texte der Minnesänger erst durch die Musik, d. h. den Gesang, zur Geltung kamen, leuchtet ein. Oftmals wurden zwar von dem einzelnen Meister merere seiner Gedichte nach einer seiner Melodien gesungen, aber zumeist bedeutete ein neues Lied auch zugleich eine neue Melodie. Dieselbe Manigfaltigkeit, welche dadurch entstand, herrschte auch in Bezug auf die Form der Gedichte. Es war nämlich streng verpönt, daß ein Dichter die Reimform eines andern zu seinen Versen verwante, ja es gab sich sogar jeder einzelne die größte Mühe, seine eigene Strophenform nicht zu wiederholen. Das veranlaßte denn immer und immer die Erfindung neuer Formen und schuf eine Vielfältigkeit auf diesem Gebiete, wie sie die heutige Dichtung kaum fent, war wol aber auch die Veranlassung, daß der Dichter oft seine Aufgabe in diesen oberflächlichen Künsteleien suchte und den waren Wert echter Poesie total verkante und dieser mer Schaden wie Nuzen brachte. ( Schluß folgt.)
Aus allen Winkeln der Zeitfiferafur.
Zur Judenhat. Eine Reminiszenz. Auf das jüdische Kapital, welches die armen christlich- germanischen Deutschen in Wucherknechtschaft bringt, haben es die heutigen Judenhezer abgesehen. Sie haben in diesem würdigen Bestreben Vorgänger gehabt. Wir denken dabei nicht an das Mittelalter, wo man das jüdische Kapital" einfach wegnam und die Eigentümer totschlug, sondern an ein ganz modernes Vorkomm nis, das aber vergessen scheint. Gegen Ende der 50er Jare tauchte in Belgien der Plan auf ,,, das Kapital zu katolisiren", es aus den Händen der Juden und Protestanten in die von guten Katoliken zu bringen. Der Klerus ging lebhaft für die Sache ins Zeug, und zwar international. In Belgien , Desterreich, Frankreich , den Niederlanden wurden Aktiengesellschaften mit Kapitalien von zusammen über 500, in Worten fünfhundert Millionen Franks gegründet, und das Kapital, welches freilich nicht aus jüdischen und zumeist auch nicht aus protestantischen Händen kam, so gut ,, katolisirt", d. h. verallgemeinert, daß schließlich für die Aktionäre nichts übrigblieb. Der Held dieser antisemitischen" Bewegung wurde natürlich vielfacher Millionär, geriet jedoch leider mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt, und nent sich Langrand Dumonceau. Noch heut haben tausende an diesem kolossalen AntisemitenSchwindel zu fauen. lb.
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Zur Vertilgung des Rauches, der die Häuser und Kunstdenkmäler vieler Städte schwärzt, das augenlabende Grün mancher schönen Gegend verrußt und unsere Atmungsorgane belästigt und schädigt, fängt man hie und da an, Vorkerungen zu treffen. Seit längerer Zeit schon ließ man auf einem großen englischen Fabrikwerke aus mereren über der Esse angebrachten Rören über das Feuer Wasserdampf streichen, der die im Rauche entweichenden Kolenteilchen niederschlägt und zu völliger Verbrennung bringt. Da dieses Verfaren sich nur bei großen Feuerungsanlagen anbringen läßt, resp. bezalt macht, gibt William Siemens in London jezt eine andere Metode der Nauchverzerung an, wobei man von unten hinauf Koks mit Gas durchstreichen läßt und so eine rauchlose und sehr gut heizende Flamme erzeugt. Es ist hohe Zeit, daß endlich mit dem Kriege gegen den abscheulichen und schädlichen Rauch Ernst gemacht wird.
XZ.
Ein seltenes Glück begleitete den berümten Paläontologen und Botaniker Geh. Rat Professor Göppert aus Breslau vor kurzem auf einer Reise in Westdeutschland. Bei zufälligem Anhalten des ihn fürenden Eisenbanzuges bemerkt der Gelehrte zwei am Bahndamme stehende dunkle Steinblöcke, die durch Erdarbeiten zu Tage gebracht waren. Prof. Göppert ließ sich zwei von diesen Blöcken, im Gewicht von je 5 Cent nern, nach Breslau und einen nach Bonn zur Untersuchung schaffen, und fand bestätigt, was ihn sein Kennerblick sofort ahnen ließ, daß es sich um merere Exemplare einer bisher in der ganzen gelehrten Welt erst einmal gefundenen Versteinerung einer wissenschaftlich sogenanten Araucarites handelt.
Wissenschaftlicher Ratgeber.
XZ.
Berlin. F. J. Mit dem Hammer werden Sie ein so feines Mehl, als Sie es brauchen, allerdings nur mit großer Mühe herstellen können. Kaufen Sie eine por zellanene Reibschale, die Sie in jeder Handlung chemischer und physikalischer Instrumente erhalten können, und zerdrücken Sie den Kalf, indem Sie mit dem sogenanten Pistill, dem Reibkolben, in rotirender Bewegung die Stalkteilchen zerreiben. Sie arbeiten dabei am rascheſten, wenn Sie jedesmal nur eine kleine Quantität Kalt in die Schale nemen. Philadelphia . H. H. Was Sie schildern, ist unzweifelhaft eine elektrische Erschei nung, hervorgerufen wol durch die Reibung auf der Riemenscheibe. Möglich ist, daß die kupfernen Riemennieten dabei von Einfluß sind. Eine genaue Erklärung der Entstehung des Vorgangs läßt sich indes nur geben, wenn man im stande ist, alle Einzelheiten der Einrichtung jenes Maschinenteils und der Verhältnisse, welche aus seiner Bewegung entstehen, zu beobachten.
Redaktionskorrespondenz.
Leipzig . Paul F. Bei Ihrer anscheinend nicht unbedeutenden Vorbildung genügt zu Ihrer Vervollkommnung im mündlichen und schriftlichen Gedankenausbrud die fleißige Lektüre von Werken, die als Muster deutschen Stils bekant find, verbunden mit schriftlichen Aufsäzen, in denen sie den Inhalt oder einzelne Teile des jeweilig Gelesenen möglichst in dessen eigenem Stile wiederzugeben suchen.
x. Herr Ingenieur P. K. wird gebeten, uns seine jezige Adresse anzugeben. Dresden . J. F. H. Sch. Ihre Barabel" ist keineswegs zur Veröffentlichung in der ,, N. W. " reif, so gut Ihr Wille sein mag. Glauben Sie wirklich, daß Berse, wie die folgenden, auch nur mäßigen Anforderungen genügen?
,, Der kleine Emil von vier Jaren sollte beten, Bevor er an den Mittagstisch darf treten.
Wie Kinderlaunen aber sind:
Sie machen des Baters Wort und Willen oft zum Wind.
Bum Born gereizt, schwingt Bäterchen den Arm,
Gerbt Emils Häutchen one Erbarm," u. s. w.
Forst. H. W. Die Adresse des in der R.-E. einer der vorhergehenden Nrn. erwänten Freundes der ,, N. W. " in Warrenton lautet vollständig: Georg Bartholomäus, Warrenton, Ma. U. St. America.
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Carlyle.
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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Zum 100 järigen Geburtstage Chamisso's ( Schluß). Farende Sänger( mit Illustration). haz. Zur Bertilgung des Rauches. Ein seltenes Glüd. Wissenschaftlicher Ratgeber.
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Ein Lorbeerkranz. Das Ende eines Dichterlebens.
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Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Zur JudenRedaktionskorrespondenz.