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andern Ende des Gebäus der im Stil romanisirende Glockenturm und die leider ebenfalls nicht sichtbare mächtige Kuppel mit der Laterne be­frönt, gleichsam als wollte sie die Unbesiegbarkeit des antiken Geistes hoch in den Lüften verkündigen. Aber noch mehr als das Aeußere zeigt uns das Innere des Doms diesen Geist des Altertums, und es ist deshalb nicht minder schön. Die mächtig- schönen, die Gewölbe tra­genden Bögen, sowie selbst die Art ihrer Dekoration atmen diesen Geist. Und prachtvoll dekorirt ist das Innere des Doms. Da ist fast kein Fleckchen, das nicht vom Maler oder Bildhauer auf das schönste und graziöseste geschmückt wäre, von den mit Sternen übersäeten Deckenge wölben bis auf den Fußboden begegnen unsere Augen Werken geschaffen von Künstlerhand. Dabei stralen Säulen und Pfeiler von den schwarzen und weißen Marmorschichten. Eines der größten Meisterwerke ist jedoch die von Nicola Pisano   ausgefürte Kanzel. Auf schwarzen Marmor­säulen ruhend, zeigt sie an den Füllungen und Friesen der Treppe reichen Ornamentenschmuck; aber das schönste bilden doch die Reliefs an der Kanzel selbst. Es sind Stoffe aus der Bibel und zwar aus dem Neuen Testament  : die Anbetung der drei Könige aus Morgenland und die Kreuzigung darstellend. So wenig aber auf die Architektur des Doms selbst der Geist der christlichen Askese voll und ganz Einfluß gewinnen fonte, so wenig auch auf die Art der Behandlung des Reliefs Pisanos. Kraft, Gesundheit, Mark steckt in den Figuren des Künstlers, von dem Lübke sagt: ,, Denn wenn auch die Lebensfülle und Selbsther­lichkeit seiner Gestalten zu weit von der christlichen Hingabe und Demut entfernt ist, als daß nicht zwischen Inhalt und Auffassung eine tiefe Kluft bestehen sollte; wenn auch die folgende Epoche gegen diese unbe­dingte Verherlichung der Antife eine naturgemäße Reaktion beginnen mußte, so ist doch seit Nicola Pisano   der Geist der Antike das unver­äußerliche Erbteil der italienischen Kunst geblieben." Dieses Urteil kann sich der Meister wenn er es nötig hätte gefallen lassen. Er be­gann sein Werk mit Hilfe seines berühmten Sones Giovanni und einigen Gehilfen 1266. Auch der ebenso berühmte Meister und Freund des Erbauers der florentiner Domkuppel, Bruneleschis, Donatello   schuf für die Katedrale von Siena   ein Werk, einen bronzenen Johannes den Täufer  . Ferner ist das 1311 vollendete große Altarbild von Duccio  eine Zierde dieses Gebäudes, und endlich schuf der von 1454-1513 lebende Maler Pinturicchio 10 große Wandgemälde al Fresco   dafür, auf denen er das Leben Pius II.  ( der berühmte Aeneas Sylvius Picco­ Tomini  ) darstellte. Abgesehen von anderen Werken enthält dann der Dom noch den Altar der Familie Piccolomini, der von fünf Statuen von der Hand Michelangelos geschmüdt ist. Das angefürte mag genügen, um unsern Lesern ein Bild von dem Reichtum zu geben, den das von uns im Bilde vorgefürte Bauwerk birgt. Jedenfalls hatten wir recht, wenn wir eingangs dieses Monument als einen beredten Zeugen früherer Herlichkeit bezeichneten. Denn Werke wie dieses sezen allerdings bedeu­tenden Wolstand voraus und zwar an materiellen Gütern wie an Gemüt. Und wenn auch im Laufe der Zeiten, wärend deren fleißige und ge­schickte Hände an der Errichtung dieses Werkes tätig waren, so mancher im schönen Italien   sich um sein leibliches Dasein bemühen mußte, so ist demgegenüber zu bemerken, daß dies auch anderswo der Fall war, daß aber hier wenigstens der Mammon der von der Glücksgöttin be­günstigten Menschenkinder zu Nuz und Frommen der Mit- und Nach­welt verwant wurde. Das war aber nicht überall der Fall.

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Aus allen Winkeln der Beitliteratur.

nrt.

Nachteile der künstlichen Ernärung der Kinder. Auf Grund des Studiums aller über diesen Gegenstand erschienenen Veröffent­lichungen und vieler eigener Aufzeichnungen, nach sehr gründlicher Durcharbeitung aller Angaben über Sterblichkeit der verschiedenen Alters­klassen in den deutschen   Städten und im Ausland ergab sich für Dr. Hoppe in Braunschweig   hinsichtlich der Nachteile der künstlichen Ernärung der Kinder folgendes Resultat, welches er in einem neuerlich im Druck er­schienenen Vortrage niedergelegt hat. Die künstliche Ernärung der Kinder im ersten Lebensjare hatte einen Mehrverlust von 20% sämtlicher Toten zur Folge; es ergab sich demnach, daß infolge des Nichtstillens die Kindersterblichkeit in Deutschland   seit 30 Jaren von 18% auf 52% gestiegen ist. Dr. Hoppe sagt geradezu: Die künstliche Ernärung ist nachteiliger als Krieg und Pestilenz, sie ist eine systematische Henkers­metode." Als Mittel zur Bekämpfung stellt er zuerst richtigere wirt­schaftliche Ausbildung der Frau hin, bessere Ernärung, bessere Ein­richtung der Lebensweise, Kochschulen, Verbesserung der Schlafräume, Beseitigung der Ueberbürdung der Kinder mit Schul- und andrer Ar­beit 2c.

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-r.

Die Fliegen als Luftreiniger. Der Engländer Emerson, Che­mifer, fing sich eines Tages eine fette Fliege und klebte sie auf eine er fand Glasplatte seines vierhundertmal vergrößernden Mikroskops

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sie ganz mit Ungeziefer bedeckt. Andere Exemplare zeigten dasselbe. Eines Tages sah er zwei Fliegen mit ihrem Rüssel sehr geschäftig ein Blatt Papier   betupfen, trozdem das Papier ganz sauber erschien. Er untersuchte es und fand viel Ungeziefer darauf. Hierauf reinigte er dieses Papier vollständig und schwang es in der Luft, worin das Papier gelegen hatte, längere Zeit hin und her. Da zeigte sich unter dem Mikroskop, daß das Papier ganz voll wurde von Ungeziefer. Jezt hatte er die Gewißheit, daß dieses lebendige Gewimmel auf dem Papier, nie an den Fliegen, Erzeugnis der unreinen, durch Speisen und Ge­tränke dunsterfüllten Luft sei, und er schloß daraus, daß deshalb die Fliegen gern so hastig hin- und herfliegen in solcher Luft, nämlich damit sich ihr Körper mit diesen mikroskopischen Tierchen bedecke, die sie dann gemächlich von sich abstreifen und verzehren. Weitere Beo­bachtung bestätigt diese Anname; er fand an schmuzigen, übelriechenden Orten die meisten Fliegen und die fettesten, wärend solche in reiner, gut ventilirter Luft sich aufhaltende magerer waren. Hiernach tragen wol die Fliegen bei zur Vertilgung der Ansteckungsstoffe, sind aber auch zur Uebertragung geeignet. Was ist nun besser, die Fliegen leben zu lassen oder sie zu vertilgen? Das richtige ist wol, durch Ventilation der Räume zu sorgen, daß die Fliegen womöglich garnichts finden, die wenigen, die sich dann zeigen, aber leben zu lassen, weil sie dann, hungrig, zur Vertilgung solcher Körper sich anstrengen, infolgedessen zur Uebertragung der Ansteckungsstoffe keine Zeit bleibt.

Redaktionskorrespondenz.

-r.

Berlin  . H. S. Man braucht allerdings nicht erst ,, irgendetwas zu baden", um die Güte des Mehles fennen zu lernen. Wenden Sie folgendes einfache Ber­faren an: schütten Sie von jeder Mehlsorte, die Sie prüfen wollen, 20 Gramm in eine Porzellantasse, gießen Sie darauf je 10 Gramm reines Wasser und vermengen Sie beides gründlich zu einem Teige. Je fefter der Teig, desto besser das Mehl.

Koblenz  . Lehrerin S. Wir haben Ihre Anfrage nicht etwa unberücksichtigt bei­seite geworfen, sind vielmehr eben dabei, die von Ihnen genanten Geschichten der Pädagogik und Lehrbücher der Erziehungslehre, nebst noch einigen anderen, die unsres Wissens erwänenswert sind, soweit sie uns nicht bereits bekant sind, einer kritischen Durchsicht zu unterziehen, um Ihnen dann mit der gewünschten Empfelung dienen zu können.

Hildesheim  . Drechsler T. R. Unsere wissenschaftlichen Ratgeber erteilen denen, welche sich auf nichts weiter berufen können, als daß sie ,, früher einmal" Abonnenten der ,, Neuen Welt" gewesen sind, feinerlei Auskunft. Weisen Sie sich als gegenwärtiger Abonnent aus, so soll Ihnen Antwort zuteil werden.

2..... Mühlenbesizer Sch. So gern wir glauben, daß es sich mit den Schikanen, die Ihr Schreiben schildert, so verhält, wie Sie sagen, und so wenig wir Ihre Kredit würdigkeit bezweifeln, ebensowenig sind wir in der Lage, Ihnen leihweise ein Kapital bon 12000 Mart, gleichviel auf welche Hypotek, zu verschaffen. Sie werden begreifen, daß die Hülfsbedürftigkeit nicht dünn genug gesät ist, um uns zu ermöglichen, ganz aus unserm Befantenkreise herauszutreten, im Fall, daß wir überhaupt in der Lage sind, unseren Nebenmenschen finanziell zuhülfe zu kommen.

Hamburg  . Schiffszimmerer T. Die Sonderzeitrechnung der ersten fran zösischen Republit batirte vom 23. September 1792, als dem Gründungstage der Republik   und der Zeit der Herbst- Tag und Nachtgleiche, ist aber erst am 5. Oftober 1793 in Gesezestraft getreten und bis zum 31. Dezember 1805 darin verblieben. Monate hatte diese Zeitrechnung soviel als die noch übliche; die Namen derselben lauten: Vende miaire( Weinmonat, dauernd vom 23. Sept. bis 22. Oktober), Brumaire( Nebelmonat, vom 23. Oft. bis zum 21. Nov.), Frimaire( Reifmonat( vom 21. Nov. bis zum 20. Dez.), Nivose( Schneemonat, vom 21. Dez. bis zum 19. Jan.), Bluvioje( Regenmonat, vom 20. Jan. bis zum 18. Febr.), Bentose( Windmonat, vom 19. Febr. bis 20. März), Germinal( Keimmonat, vom 21. März bis 19. April), Floréal( Blütenmonat, vom 20. April bis 19. Mai), Prairial( Wiesenmonat, vom 20. Mai bis 18. Juni), Messidor ( Erntemonat, vom 18. Juni bis 18. Juli), Thermidor( Hizemonat, vom 19. Juli bis 18. Aug.) und der Fructidor( Fruchtmonat, vom 19. August bis zum 17. September). Der 18., 19., 20., 21. und 22. September waren järlich wiederkehrende Schalttage, denen sich in jedem vierten Jare ein sechster Schalttag anschloß. Die dreißig Tage jedes Monats begannen, wie unsre Tage, um Mitternacht, zerfielen aber nur in je 10 Stunden von 100 Minuten zu 100 Sekunden. Statt der Wochen hatte der republikanische Kalender zehntägige Abschnitte, Dekaden"; die Tage hießen Primidi, Duodi, Tridi, Quartidi, Quintidi, Sertidi, Septidi, Octidi, Nonidi und Detadi.

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Karlsruhe  . Stud. u. Schnadahüpfeln dürfte die ,, N. W." im allgemeinen überhaupt nicht brauchen können, am allerwenigsten aber solche, die­bem eignen Geiste des Schnadahüpfels zum Trozden Bapst ganz ernsthaft als man sollte es taum für möglich halten! als Freiheitshelden feiern. Studiren Sie die Geschichte des Bapittums, Herr Studio, mit offenen Augen und offenem Stopfe, so werden Sie andere Schnadahüpfel machen lernen.

Freiburg  . Frau P. Nistkästen fertigen Sie aus altem Holz, das Sie mit Baumrinde übernageln. Für Staare, Wendehälse, Bachstelzen u. dgl. müſſen dieselben 12-15 Zoll hoch, Boll im Lichten weit sein, und das Flugloch muß einen Durchmesser von 2 Boll haben. Aufgehangen werden dieselben an hohen Bäumen in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß. Das Flugloch darf nie nach der Wetterseite zu gehen, am besten nach Sonnenaufgang. Die Nifttäten für ölenbrüter, diese schlimmen Insektenfeinde, brauchen nur 12 Zoll hoch, 41 Zoll weit zu sein, bei 14 zölligem Flug­loch und 10 bis 20 Fuß Höhe über dem Erdboden. Die Kästen für Rotschwänzchen können das Flugloch ganz entbehren, müssen dafür aber ein schräg darüberstehendes, nach Osten zu ein wenig offenes Dach haben. Die leztgenanten Bögel haben, grade wie die Staare, ihre Nester am liebsten an nicht zu sehr von Laub verdeckten Bläzen; bie Staare leben auch gern in Gesellschaft, sodaß man mehrere Ninkästen( Mesten) nahe ans einander aufhängen kann. Alle andern Vögel wonen gern parweis vereinigt, nur die

Meisen ziehen möglichst verborgene Wonungen allen andern vor.

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Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Geschichten und Bilder aus Graubünden  , von Dr. Max Vogler( Schluß). Das Opfer einer geistlichen Intrigue. Eine Historie aus der Zeit der Herenprozesse, von J. H. Aus Deutschlands  schlimster Blut- und Eisenzeit. Historische Novelle von Carl Cassau. Chiosottische Fischer( mit Illustration). ( mit Illustration).- Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Nachteile der künstlichen Ernärung der Kinder. Die Fliegen als Luftreiniger.

Redaktionskorrespondenz.

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Die Katedrale in Siena  

Verantwortlicher Redakteur: Dr. Max Vogler in Gohlis  - Leipzig  ( Möckernsche Straße 30d).- Expedition: Färberstr. 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig  .