im deutschen   Reiche gebraut wurden, kommen auf Baiern   allein 11 821 915; 3 396 292 auf Württemberg  , 1 155 450 auf Baden  , 982 695 auf Elsaß­Lothringen und 21 136 031 hektoliter auf den übrigen Teil des Reiches. Auf den Kopf der Bevölkerung ergab dies in Baiern 235, in Würtem­berg 192, in Baden   71, in Elsaß- Lothringen   54 und im übrigen Reiche 62 Liter. Von 1870-1876 stieg die Bierproduktion in Baiern   von 7 570 796 auf 12 347 153 Hektoliter. Erlangen   exportirte 1877 189 264, Nürnberg   187 267, Kulmbach   136 800 und München   50 400 Hektoliter. Das ,, Löwenbräu" in München   weist allein eine jährliche Produktion von 31 millionen Mark auf, die Brauerei zum Franziskanerkeller" in München   eine von 3 millionen und Tucher in Nürnberg   von zwei millionen Mark. Ganz in demselben Verhältnis steht auch der Hopfen­bau in Baiern   und viele andere mit der Bierbrauerei zusammenhängende Erwerbszweige.

Will man nun den materiellen Wohlstand als Vorbedingung für das Gedeihen der Kunst bezeichnen, so ist gewiß interessant, daß es im Baierlande der braune Saft" ist, welcher mit den Hauptanteil an diesem wichtigen Kulturfaktor hat, zumal sein dort üblicher hoher Konjum keineswegs jene Stimmung erzeugt, die zu erhabener Kunst­schöpfung befähigt. Sicher ist, daß dieser Umstand dem zum Grübeln hinneigenden Forscher Stoff genug zu tiefsinnigen Betrachtungen geben fönnte. Hier sollte nur auf den Kontrast hingewiesen werden, der sich in den Kulturerzeugnissen eines und desselben Landes offenbart und der sich auf der nürnberger Ausstellung in wunderbarer Weise widerspiegelt.

Betreten wir daher den Kunstpavillon, dessen reicher und schöner Inhalt für uns von größerem Interesse ist als die materiellen Erzeug­nisse. Schon im ersten Raum, in dessen Mitte auf hohem Postamente in überlebensgroßer Figur Chr. Rauch's Gipsmodell zu dem Stand­bild Albrecht Dürer's   für Nürnberg   aufgestellt ist, werden wir gewahr, daß es der in einzelnen Persönlichkeiten verkörperte Genius ist und war, der die schöne Blüte der Kunst hervorgezaubert und in dem sonst so urwüchsig erscheinenden baierischen Volksstamm einen Sinn für die Kunst erzeugt hat, wie er nicht überall angetroffen wird. Es war sicher ein glüdlicher Gedanke, den größten Bürger Nürnbergs   und einen der größten Künstler Deutschlands   hier aufzustellen, gleichsam als solle er den Besucher zum Rundgang in die Hallen einladen, wo die herrlichen Kunstschöpfungen derer aufgestellt sind, denen er ein leuchtendes Vor­bild war und immer noch ist. Und wenn man das milde, durch­geistigte Gesicht des Meisters wie seine gedankenvolle Stirn gewahrt, dann begreift man die Macht, welche das Reich des Schönen auf die Men­schen ausübt. Aber die Gestalten, welche sich rings an den drei Wand­ſeiten entlang um ihn gruppiren, ebenfalls Gipsmodelle: Peter Vischer  , Ghiberti  , Meister der Plastik in der italienischen und deutschen   Re­naissance, Schwanthaler, der größte Bildhauer Münchens   in neuerer Beit, die allegorischen Figuren der Industrie" und" Kunst", von lez­sie alle sind seiner würdig und zugleich nachahmens­werte Vorbilder für die Künstler unserer Tage. Bekanntlich ist in der Bildhauerkunst die Kunststadt" München  , Dresden   und Berlin   nicht ebenbürtig. Wenn man aber die gegenüber der Malerei wenig vertretene Stulptur aufmerksam betrachtet, so findet man doch viel des Schönen, von dem hier nur einiges Erwähnung finden mag. So ist eine lebensgroße Figur, Salutatio", von Prof. Röffner, durch ihre edlen Züge wie die anspruchslose natürliche Haltung trefflich. Ebenso einfach und schön ist ihre Gewandung. Der in Stein gearbeitete" Falfonier" von demselben ist gleichfalls ein ausgezeichnetes Wert. Das tote Material hat hier in bewunderungswürdiger Weise Leben gewonnen. Ebenso gehört auch seine Siegesgöttin" zu dem besten der neueren plastischen Gestaltung.

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Reizend ist dann das Mädchen mit einem Kinde spielend" von dem unlängst verstorbenen Münchener  , M. Wagmüller, in weißem War­mor. Ebenso schön, wenn nicht noch lebendiger modellirt, erscheint mir dann das badende Mädchen" von J. Pollak, gleichfalls in weißem Marmor. Eben im Begriff, das Hemd fallen zu lassen, taucht sie mit dem linken Fuß leis ins Wasser, und ist hierbei schon die ganze Hal­tung meisterhaft dargestellt, so ist das findliche Vergnügen auf dem jugendlichen naiven Antliz wundervoll wiedergegeben. Von demselben Künstler ist dann noch eine Bronzefigur, ein Polizeidiener", irgend eine Bekanntmachung des weisen Rats ausklingelnd, treffend dargestellt. Die Grandezza dieser sich ihrer so hohen Stellung in Staat und Ge­meinde mehr wie wohlbewußten Figur ist mit ebensoviel Lebenswahr heit wie Humor gegeben.

Zu diesem Genre gehören dann noch die vier Figürchen münchner Typen von R. Maison. Zuerst ein Schusterjunge, der in seiner ganzen Nichtsnuzigkeit und Unverfrorenheit pfeifend daherläuft und dem man 68 auf hat. Am rechten Arm den Frühstückskorb, aus dem die Schnapsflasche ahnungsvoll hervorschaut. Ein bedenkliches und tiefsinniges Gesicht macht der alte Hofbräuhausgast, welcher seinen Blick in den eben leer­gewordenen Maßkrug versenkt. Wer Gelegenheit hatte, die münchener findet in der dritten Figur eine dieser Spezies an der Jsar treffend Zeitungsverkäuferinnen von Angesicht zu Angesicht zu schauen, der wiedergegeben. So auch dann die Kellnerin, deren Gesichtszüge mir nur etwas rätselhaft erscheinen, denn sie machen den Eindruck als hätte die ,, Liest" eben gestern ihren ersten ,, Schaz" fennen gelernt, so ver­liebt nachdenklich schaut sie drein. Die junge Bacchantin", eine Marmorbüste von Louis Epp, ist ebenfalls ausdrucksvoll und lebendig. Das volle sinnliche Gesicht und

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der vielsagende Mund zeigen uns die in ihr schlummernden Begierden und so blicken auch die schwärmerischen Augen erwartungsvoll in die genußversprechende Zukunft.

Wundervolle edle Formen zeigt die zárt und anmutig ausgeführte ,, junge Quellennymphe" in weißem Marmor von Hirt, der sich mit großem Erfolg bei seiner Arbeit die Antike zum Vorbilde genommen.

Brachtvoll sind dann die zwei großen Erzfiguren vom Brunnen in Bamberg  , wie die des Albertus Magnus   von Fr. v. Müller und ver­schiedene Studienköpfe und Porträtbüsten von mehreren Künstlern. Der Page im Kostüm des 16. Jahrhunderts von Dennerlein ist vollends ein Meisterwerk.

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Eine hervorragende Rolle spielt in der Plastik Prof. H. Schwabe in Nürnberg  . Schon seine Terrakottabüste und seine trunkene Bacchantin im Kunstpavillon gehören mit zu dem schönsten und besten. Mehr noch fesseln den Besucher seine ausgezeichneten Amoretten im großen Aus­stellungsgebäude. Wem hätte auch nicht der lose Bursche Amor   einen Streich gespielt, jedem aber und unsere freundlichen Leserinnen und Leser werden dies wissen spielt er ihn in einer anderen Weise. All die Liebenswürdigkeit, welcher der kleine beflügelte Schlingel fähig ist, all der Schabernak, den er verübt, kommt in einer Anzahl Figuren köstlich zum Ausdruck. Ob er nun als streitbarer Held, bewaffnet mit Schwert und Schild, vorn auf dem Gürtel das Sinnbild seines Wirkens, das vom Pfeil durchbohrte Herz, oder als Schreiner, zwei Herzen zu­sammenleimend, oder als Schneider, ein zerrissenes flickend, auftritt, immer entzückt er durch den Eifer, welchen er dabei an den Tag legt. Nicht minder aber auch, wenn er sich sichtlich in Verlegenheit befindet. So mit einem Fuße im Fuchseisen, das in Rosen liegt, er selbst die Sternblume in der Hand; so auch mit dem entflammten Herzen, das ihn sichtbar überrascht. Amusirt der Schalk uns in der lange Nasen" machenden Figur, so da noch mehr, wo ihn die gerechte Strafe ereilt, indem er mit leerem Köcher und einem Korb auftreten muß. Die Situation ist für ihn bedenklich, so ein Unglück hätte er nicht erwartet, wie sein Gesicht besagt, und so krazt er sich denn auch höchst bedenklich hinter den Ohren. Auch unter dem verhältnismäßig großen Pantoffel ist er gelungen dargestellt. Unbequem ist ihm die Situation, er scheint sich jedoch garnicht so übel dabei zu befinden. Alle diesen Gegenstand be­hande nden Stücke einzeln aufzuführen, geht hier nicht an, dafür will ich die Leser nur darauf hinweisen, daß Photographien oder auch Kopien nach den Originalen Schwabes öfter in den Schaufenstern ausgestellt sind. Der phantasievolle Künstler bringt übrigens noch verschiedene sehr schöne Figuren, sei es nun Gretchen allein oder mit Faust in der Gartenszene, Studienköpfe in Terrakotta und verschiedene andere. Be­sonders mache ich hier noch auf seinen portalförmigen Aufbau für die Blei- und Farbstiftfabrik von Schwanhäuser aufmerksam, der sich im vordersten Raum der Industriehalle befindet und an dem sich sein lebens­frischer Humor wie seine Meisterschaft im Karakterisiren trefflich offenbart. An diesem mächtigen Dekorationsstück, dessen architektonische Hauptformen aus verschiedenartigem, imitirten Marmor gebildet sind, fallen unter seinem reichen braunen Bronzeschmuck vor allem die drei Figuren der nuteren Partie in die Augen. Das liebenswürdige prozige Gesicht der mitt­leren, die in den beiden Händen die Fabrikzeichen haltend, auf der Brust bis zum Bauch herunter mit den bereits eroberten 11 Preismedaillen geschmüdt ist, spricht die Gewißheit des hier zu erringenden Sieges in einer Weise aus, daß auch der Beschauer, bevor er noch den Inhalt des Ausstellungskastens in Augenschein genommen, davon überzeugt ist. Aber auch die beiden prächtigen Kinderfiguren, die keck modellirt, im Zeichnen begriffen, sind Meisterwerke im Genre und belehren uns als Gelegenheitsarbeiten eindringlich genug, welche Anregung eine Ausstel­lung für den wahren Künstler abgibt. Eine derartige Kunsttätigkeit hat aber nicht nur ihre große Bedeutung für die Ausstellung selbst, sondern namentlich für die Ausschmückung der menschlichen Wohnung, denn die Arbeiten Schwabes sind namentlich dafür bestimmt. Und nun denke man sich diese glücklich erfundenen und prachtvoll ausgeführten Sachen in Gips, Stearinmasse, Bronze 2c. ausgeführt an Stelle des oft noch Verwendung findenden Schunds im Zimmer aufgestellt- welche veredelnde Einwirkung muß da nicht auf den guten Geschmack erzielt werden! Das Genre hat ja eben das große Verdienst, unsere so be­deutendes leistende Kunst dem Volke verständlich, zugänglich zu machen und andererseits auch die Künstler in ihren historischen und idealistischen Leistungen auf das Studium und die Beachtung des wirklichen Lebens hinzuweisen. Und so trägt es denn hauptsächlich dazu bei, die Meister­werte eines Thorwaldsen, Hähnel, Schwanthaler, Cornelius, Kaulbach, und wie sie alle heißen, der Gesammtheit voll und ganz zum Eigen­tum zu machen.

Welchen Einfluß die Kunst ferner aber auch, wenn sich das gänz­lich bewahrheitete, auf die praktische Tätigkeit des Handwerks, auf die

Kunstgewerbe ausüben muß, das an den ausgestellten kunstgewerblichen Leistungen eingehend nachzuweisen, dazu fehlt leider hier der Raum, und so wollen wir nur noch die reich vertretenen Werke der Maleret in ihren vorzüglichsten Leistungen betrachten.

Fr. Nauert.

Mordwinenfrau.( Illustration s. Seite 645.) Hat der Zeichner geschmeichelt, oder hat ihm ein günstiger Stern ein besonders schönes Eremplar zugeführt? Die Mordwinen, deren weibliche Bevölkerung die hübsche Frauengestalt in malerischer Tracht mit den intelligenten und einnehmenden Gesichtszügen repräsentirt, gehören der hyperboreischen