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nach der Anzahl der Sklaven, nach der Arbeit, die auf die Pflanzen verwandt werden konnte. Da die Sklavenarbeit und Plantagenwirtschaft den Boden verwüstet und rasch aussaugt, so verließ der Eflavenhalter öfter seine ausgenuzten Felder und vertauschte dieselben mit neuem Besiz, natürlich sein einziges wertvolles Eigentum, seine Sflaven, mit sich nehmend. Das große Einkommen, welches die Plantagenbesizer durch ihre Sklaven erzielten, bewirkte, daß die Produktion eine riesige Höhe erreichte. Während die amerikanische Ernte im Jahre 1834 sich auf 1254 328 Ballen à 460 Pfund belief, betrug sie 1859 4 669 770 Ballen, wovon 3 021 403 Ballen zum Preise von nahezu 160 millionen Tollars ausgeführt wurden.
Der Preis der Baumwolle betrug im Jahre 1790 durchschnittlich 30-40 Cents pro Pfund. Infolge der stark vermehrten Produktion war derselbe im Jahre 1800 schon auf 17-19 Cents gesunken; und im Jahre 1850 festete sie nur noch 72-82 Cents. Im Jahre 1859 war der Wert der amerikanischen Baumwollenausfuhr etwa 760 millionen Dollars, worin die Arbeit von 3 millionen Sklaven enthalten war. Der Wert der Sklaven in den Vereinigten Staaten wurde 1790 auf 10 millionen Dollar geschäzt; im Jahre 1820 auf 1200 millionen und zur Zeit des Ausbruches des Secessionskrieges auf die ungeheure Summe von 4000 millionen Dollars.
Durch diesen Krieg wurde die Sklavenfrage gelöst. Die südlichen Baumwollenpflanzer wollten die ihnen nötigen Indu striegegenstände zollfrei einführen, während der Norden für seine Industrie einen starken Schuzzoll aufrecht hielt. Hierzu kam das Interesse des Südens, seine Herrschaft weiter auszudehnen; - so entstand der Krieg, der den Baumwollenbau Amerikas vorläufig vernichtete.
Etwa/ aller Baumwolle, welche damals überhaupt produzirt wurde, wuchs in den Vereinigten Staaten , und 5 dieses wichtigen Materials, welches überhaupt in den Handel kam, wurde von dort bezogen. Was Wunder, daß das so außer ordentlich interessirte England mit ängstlichen Blicken die Entwicklung der Dinge jenseits des Meeres beobachtete. Welche Wichtigkeit der amerikanische Vaumwollenbau zu jener Zeit für England hatte, zeigt ein Artikel des ,, London Economist" vom Jahre 1860, welchem wir Folgendes entnehmen:„ Jede soziale oder physische Konvulsion in den Vereinigten Staaten würde England erschüttern vom Kap Landsend bis nach John Greats. Das Leben von nahezu zwei millionen unserer Landsleute wird durch die Baunnvollenerute Amerikas bedingt; ihr Schicksal, man fann es ohne Uebertreibung sagen, hängt an einem baumwollenen Faden. Sollte irgend ein Mißgeschick über das Land der Baum wolle hereinbrechen, so würde ein Tausend von den Schiffen unserer Kauffartteiflotte müßig in den Häfen verrosten; zehntausend Fabriken müßten ihre summenden Webstühle still stellen und zwei Millionen Menschen würden aufs Pflaster gesezt."
Wenn auch die englischen Fabrikanten im Jahre 1862, als das oben angedeutete Mißgeschick über Amerika und dadurch über England hereingebrochen war, auf eine Denkschrift das Motto sezten: Cotton knows no politiks, Baumwolle fennt keine Politit, 10 hatte doch dieses selbe Fabrikantentum durch ihr Organ - die englische Regierung gezeigt, das für sie allerdings die Baumwolle eine treibende Kraft in der Politik war. Meinte doch ein Korrespondent der ,, Times" zur Zeit des lezten Opiumfrieges mit China , es sei nötig, den Frieden so einzurichten, daß die Möglichkeit gegeben werde, den Chinesen die englischen Baumwollenwaaren in den Leib zu treiben." Und doch, der„ große" Apostel des Freihandels, Mr. Cobden, erklärte es für eine der wichtigsten Aufgaben der Civilisation, die 300 millionen Chinesen dahin zu bringen, daß jeder sich eine baumwollene Nachtmüze aus Manchester kaufe. Der amerikanische Krieg, das Ausbleiben der Baumwolle, die Verwüstung der Felder und die Umwälzung der Arbeits- und Lohnverhältnisse in den Südstaaten machten nun einen argen Strich durch dieses ,, in den Leib treiben". Je stärker bisher in England die Spindel zog und zupste, je größer wuchs der Wocken in Amerika ; je mehr das Gespinnst sich anhäufte, desto schneller verschlang
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es der mechanische Webstuhl. Das war jezt anders geworden. Der Stoff mangelte und die Arbeiter konnten nicht beschäftigt werden. Das Rohmaterial stieg von 5½ Pence auf 24 pro Pfund; die besten sogar auf 3 Schilling 4 Pence. Von 530 000 Arbeitern waren 1863 in den englischen Baumwollendistrikten 246 000 arbeitslos und 164 000 nur auf kurze Zeit beschäftigt. Und, was in den Augen des Fabrikanten noch schlimmer war, auch die Fabriken mußten„ hungern". Die Spinnund Webstühle rosteten ein und die Dampfmaschinen, obgleich sie nichts zu treiben hatten, mußten fortwährend mit kleinen Rationen von Wasser und Kohle gefüttert werden, wenn sie nicht verderben sollten. Die Arbeiter hungerten mit solcher Geduld, daß selbst Gladstone meinte, die ganze christliche Kirche habe kein so glänzendes Blatt aufzuweisen, als die christliche Ergebenheit der Baumwollenarbeiter in Lancashire . Daß man sie andernfalls hätte einsperren und zusammenschießen lassen, davon erwähnte Mr. Gladstone nichts und das Mitleid mit den hungernden Arbeitern war so groß, daß man auf der Ausstellung in London sogar einen kleinen künstlichen Kolibri zum Besten derselben zwitschern ließ. Verstärkt wurde die Arbeitslosigkeit noch dadurch, daß das Fabrikantentum aus Spekulation seine Fabriken schloß, um mit seinem Gelde auf dem Baum wollenmarkte zu spielen. Da infolge des Krieges aus Amerika feine Baumwolle cingeführt wurde, stieg der Preis der noch vorhandenen Vorräte ganz enorm. Sehr wenige Fabrikanten, die noch im Besize von Rohstoff waren, ließen indes ihre Arbeiter fortarbeiten. Brachte ihnen doch der Handel und die Spekulation größere Gewinne, als die Verarbeitung ihrer Vorräte. Daß dadurch ihre Arbeiter arbeits: und brodlos wurden, küm merte sie nicht.
Ueber die Stimmung, welche inbezug auf den amerikanischen Krieg damals in England herrschte, geben wir Excellenz Bucher das Wort, der in einem Berichte über die Weltausstellung von 62 folgendes schreibt: King Cotton ist ein mächtiger König. Es ist wenige Jahre her, daß ganz England über Onkel Toms Hütte in Rührung zerfloß, besonders seit die Verfasserin, Mrs. Bencher Stowe, Ehrengast der Herzogin von Southerland gewesen. Heute findet man unter zehn Engländern vielleicht einen, der es nicht fanatisch mit den Sklavenstaaten hält, und der eine hat wahrscheinlich nicht den Mut, seine Ansicht auszusprechen. Der Grund ist einfach; man wünscht, daß die Südstaaten ihren eigenen Tarif haben, die Wolle nach England verkaufen und alle Fabrik und Manufakturwaaren aus England zollfrei einführen."
Wenn Bucher hier von Engländern spricht, so kann er wohl nur das regierende Fabrikantentum nebst Anhang meinen, denn die Arbeiter waren troz ihrer Not gegen die Sklavenhalter, und sie waren es auch, die später durch ihre Haltung verhinderten, daß sich England nicht noch mehr für die Südstaaten kompromittirte, als es ohnehin tat.
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Billigere Baumwolle" war also das Feldgeschrei, gegen welches alle humanitären Bedenken als„ Phrasen" verstummen mußten. Teoretisch freilich hatte England sich längst gegen den Sklavenhandel erklärt, was indes, wie wir sehen, nicht ver hinderte, daß es in der Praxis mit den Sklavenstaaten hielt. Andererseits wieder fand man auch keinen Widerspruch darin, daß England troz dieser Vorliebe für den Süden gleichzeitig die Negerkönige an der Westküste Afrikas durch eine gelinde Kanonade überredete, ihre Staaten zu verlaufen, angeblich um der Sklaverei und den Menschenopfern ein Ende zu machen, die man früher sehr gleichgültig angesehen hatte, in der Tat aber, um die Gebiete in englische Baumwollenfelder zu verwandeln."
Troz des großen Koloniebesizes fehlte es nämlich England an Ländereien, die gute Baumwolle genügend zu liefern imstande waren. In Ostindien war zwar seit undenklichen Zeiten Baumwolle gebaut wurden, allein das Produkt war damals noch schlecht, kurzfaserig und nur für die Verarbeitung durch den Hindu mit seiner unendlichen Geduld und seinen feinen Fingern geeignet. Die eijernen Finger Manchesters konnten nicht damit fertig werden. Die schlechtere Beschaffenheit der Faser hatte