aufrechter Stellung stehen blieb. Die Rettung aller Passagiere war nur hierdurch möglich. Dank dem energischen Einschreiten des Kapitäns und seiner Offiziere gelang es, die Aufregung der Passagiere zu beschwichtigen. Die gesammte Mannschaft tat ihre Schuldigkeit; mit großer Kaltblütigkeit und Umsicht wurden alle Passagiere in die Boote befördert und an's Land gesezt." Der„ Mosel " war bereits 1876 ein tragisches Schicksal beschieden, indem der bekannte Massenmörder Thomas sie zum Schauplaz seiner Höllenmaschine zu machen beabsichtigte. Damals jedoch blieb das Schiff und mit ihm die große Anzahl der Passagiere von der fürchterlichen Katastrophe verschont, welche unausbleiblich war, wenn die Explosion auf offener See erfolgt wäre. Die„ Mosel ", welche 1 700 000 Mark kostete, ist nach den neuesten Nachrichten völlig verloren. Und troz der umfassendsten Bergungsversuche hat das Meer auch den größten Teil des Passagiergepäcks und der Ladung verschlungen, darunter auch die Ballen, welche die für Amerika bestimmten Hefte der„ Neuen Welt" und den„ Neuen Welt- Kalender" enthielten. S.
Triumph.( Bild s. S. 65.) Durch Allahs Fügung" haben sie eine Schlacht gewonnen, und dankbar, wie die Menschen einmal sind( so lange sie jemand brauchen), ziehen sie in langer Prozession zum Hause Allahs , einer prächtigen Moschee, und singen ihm, dem Herrn der Schlachten, der ihnen den Sieg zugewendet, ihr Te Deum, ganz wie Christenmenschen auch. Wende dich nicht entsezt ab, Leserin mit dem zartbesaiteten Gemüt, von den aufgespießten Russenköpfen, mit welchen die tapfern Krieger Turkestans, wie mit flatternden Standarten, in den Tempel ihres Gottes wallfahrten; wir Christen sind im Grunde nur übertünchte Barbaren, und wenn wir auch nicht mit den aufgespießten Köpfen der Besiegten in die Kirche ziehen, so sind unsere Siegesbulletins, Siegesleitartikel, Siegeshymnen, Siegespredigten und Siegesfestreden genau genommen von keinem humaneren Geiste beseelt, wie dieser Triumphzug, welchen die Meisterhand des berühmten russischen Schlachtenmalers dargestellt hat. Basil Wereschagin, geb. 1842 im Gouvernement Nowgorod, nahm 1867-1870 an der Expedition des Generals Kaufmann in Turkestan teil, welche das Motiv zu dem Gemälde, das unser Holzschnitt trefflich wiedergibt, geliefert hat. Die anfangs in Petersburg ausgestellten Bilder aus dem Feldzug in Turfestan, der bekanntlich mit glänzendem Erfolg für die Russen beendigt wurde, bilden jezt einem speziellen Teil des Museums in Moskau .
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Bauern vor Gericht.( Bild S. 68 u. 69.) Zu den begabtesten Genremalern der Gegenwart gehört der aus der Düsseldorfer Schule hervorgegangene Schweizer Benjamin Vautier , dessen Gemälde, Bauern vor Gericht", auf unserem Holzschnitt vortrefflich wiedergegeben, durch die Lebenswahrheit seiner Gestalten mit den meisterhaften Karakterföpfen auf verschiedenen Ausstellungen die Beschauer mächtig fesselte. Daß die beiden im Vordergrunde sizenden Parteien, denen hier in der Halle der Themis Recht gesprochen werden soll, dem neuen Reichsland angehören, verrät dem Kundigen ihre Tracht. Der Gegenstand des Prozesses ist dagegen auf dem Bilde nicht angedeutet. Es ist vielleicht nur eine elende Bagatelle, um die es sich handelt, aber die Rechthaberei, die ja beim Bauer besonders stark ausgeprägt ist, hat jeden gütlichen Vergleich zu Schanden gemacht, und so werden sie zu spät die Wahrheit des Sprüchworts erfahren: Besser ein magerer Vergleich als ein fetter Prozeß. So oft ich von einem Prozeß höre, werde ich an ein Bild erinnert, auf welchem zwei sich um eine Kuh reißen, der eine faßt sie bei den Hörnern, der andere beim Schweif; während dessen sizen hüben und drüben die Advokaten in der Mitte und melken sich ihre Eimer voll. Es gibt ein lehrreiches Rätsel, welches lautet: Freund, suche mich zu fliehen und zu meiden, Denn hast du mich, so hast du Sorg und Leiden, Verlierst du mich, so wird das Herz dir schwer, Gewinnst du mich, so hast du mich nicht mehr.
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Das Wetter ist herrlich, die Melonen sind reif, Weintrauben, Obst, Wildpret, alles ist zu haben. Dort steht eine Reihe Fiaker. Nehmen Sie einen, steigen Sie alle fünf ein, fahren Sie nach Saint Cloud oder anderswohin. Anfänglich werden Sie ein bischen steif, genirt sein. Das gibt sich. Speisen Sie miteinander, trinken Sie Champagner, Kaffee zusammen. Sie werden sich ausgleichen, und wenn Sie dabei nicht wenigstens die Hälfte gewinnen, so nennen Sie mich einen Stümper." Das war eben so vernünftig als edel gesprochen; aber nicht jeder Advokat denkt wie dieser, vielmehr hat der Wizbold recht, welcher fragte: Was ist der Unterschied zwischen Aerzten und Advokaten? Antwort: Aerzte machen furzen, Advokaten langen Prozeß. Es wird erzählt: Ein junger Advokat kommt zu seinem Vater und teilt ihm voll Freude mit, daß der schon seit einem Jahrhundert obschwebende und sehr verwickelte Konkursprozeß contra N. N. durch seine Bemihungen endlich glücklich beendet worden sei. Der Vater, gleichfalls Advokat, fährt erschrocken einen Schritt zurück und bricht endlich in die Worte aus: Ungeratener Sohn! Mit diesem Prozeß, den du dich rühmst, beendigt zu haben, habe ich meine Praxis begonnen, darauf gestüzt, deine selige Mutter geheiratet, dich davon studiren lassen und ihn jezt quasi als Mitgift in deinen neuen Haushalt, d. h. in deine Praxis mitgegeben. Nun verschleuderst du binnen wenig Monaten ein Gut, wovon noch deine Kinder und Kindeskinder zehren sollten." Item: Es gibt nur ein Mittel, durch Prozesse nicht zu Schaden zu fommen, es besteht darin, nie einen Prozeß zu haben.
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Geschöpf", wie das Tier, welches ihm der Darwinismus zum Ahnherrn Im Atelier.( Bild f. S. 73.)„ Der Mensch ist ein nachahmendes gibt, und mit dem er mehr gemein hat als er in seinem Kulturſtolz sich eingesteht. Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf und weit mehr als ihrem innern Wert verdanken Sitten, Gebräuche, Moden ihre Ausbreitung und Vererbung dem Nachahmungstrieb. Die Individuen richten sich in ihrer Lebensweise wie in ihrem Denken nach den andern, die Nachkommen treten in die Fußstapfen der Vorfahren, und würden nicht ab und zu selbstständig denkende Geister auftauchen, welche über ihr Tun und Lassen sich Rechenschaft geben, das Herkömmliche fritisch prüfen und sich von der allgemeinen Heerstraße entfernen, so gäbe es feinen Fortschritt und keinen Aufschwung der Zivilisation. Am stärksten tritt der Nachahmungstrieb bei der Jugend hervor. Das erste Erwachen der Intelligenz offenbart sich beim Kinde im Nachahmen dessen, was es von seiner Umgebung absieht, der Lehrmeister der Sprache ist niemand anders als der Nachahmungstrieb, und die Nachahmung von Geberden und Handlungen Erwachsener gehört zu den beliebtesten und anmutigsten Spielen der Kindheit. Auch der Knabe auf unserem Bilde, der in Gemeinschaft mit dem Mädchen von dem Maler abfonterfeit wird, wie das erst in schwachen Umrissen erscheinende Portrait zeigt, macht sich den Spaß, den abwesenden Meister zu kopiren, wie er mit gespreizten Beinen, den Zwider auf der Nase, die Zeitung liest. Der seiner hübschen Gefährtin zeigt, daß der junge Schauspieler sein Original fleine Schelm macht es allerliebst und das beifällige fröhliche Lächeln mit karakteristischer Treue darstellt." Spiele, liebliche Unschuld. Noch ist Arkadien um dich, Und die freie Natur folgt nur dem fröhlichen Trieb. Spiele! Bald wird die Arbeit kommen, die hagre, die ernste. Und der gebietenden Pflicht mangeln die Lust und der Mut." E.
Ueber das Eisenbahnunglück bei Hugstetten im Badischen sind die Leser der„ N. W. " durch Zeitungsberichte schon unterrichtet, für uns erübrigt also nur, dent Wort das Bild folgen zu lassen, welches die Unglüdsstätte nach photographischer Aufnahme veranschaulicht. Man schaudert, wenn man bedenkt, daß in diesen nun als Trümmer vor uns liegenden Waggons furz zuvor viele hunderte froher Menschen weilten, die alle ihren nahen Heimatsorten Münster und Kolmar zu eilten, von wo sie dem schönen Freiburg einen Besuch abgestattet hatten. In Paris hatten sich einmal zwei verwandte Familien bitter ver- Sonntag, den 3. September, furz nach 8 Uhr Abends verließ der dem feindet und wollten mit einander prozessiren. Zufällig trafen sich von Berderben geweihte Bug Freiburg und wenig Minuten nach 49 Uhr der einen Seite zwei, von der anderen drei Personen bei dem näm- war das Unglück geschehen, bei strömendem Regen und finsterer Nacht. lichen Advokaten zusammen, welcher sie in seinem Saal vereinigte und Ueber den Anlaß zu dem Unfall ist amtlicherseits definitives noch nicht ihnen folgende Rede hielt:„ Wie, Sie wollen Geld und Zeit mit einem veröffentlicht, soviel steht aber fest, daß die bewußte höhere Wacht" Prozeß verlieren? Hören Sie mich an. Jede Partei muß einen Ad- ihre Hand nicht im Spiele hatte. Das Haftpflichtgesez wird also mit vokaten haben und ihm wenigstens 50 Francs zahlen, macht 100 Francs. allen seinen Konsequenzen zur Anwendung gelangen, und das ist noch Sie werden von jeder Seite ein Duzend Zeugen à 2 Francs zu zahlen ein wahres Glück bei all dem Unglück, denn wenn wir erwägen, daß haben, macht 48 Francs. Sie werden, wie die Sache steht, jedes zu die Katastrophe nahezu 80 Personen das Leben kostete, und daß gegen einer Geldstrafe von 25 Francs verurteilt werden, macht 50 Francs. 200 teils leicht, teils schwer verwundet wurden, so fehlt es auch nicht Darüber werden Sie einen Monat oder sechs Wochen verlieren. Sie an Wittwen, Waisen und arbeitsunfähig Gewordenen, und diesen allen werden Verdruß mit den Zeugen, Verdruß zu Hause, Verdruß vor werden nun die Vorteile des genannten Gesezes zu statten kommen. Gericht, gesteigerte Feindschaft, Laufereien und dergleichen mehr haben Die badische Regierung, als Besizerin der Bahn, auf der der Unfall und sich mutwillig zu Tode ärgern. Treten Sie an dieses Fenster. sich zutrug, ist haftbar. Inhalt: Am Nordpol . Nach dem Englischen von P. Olliverio.( Fortsezung.) schlimmsten Judenhezen und die jüdischen Ackerbaukolonien. Von C. Lübeck.( Schluß.) Die russischen Juden in den Gegenden der ( Fortsezung.) Serena. Eine venetianische Novelle von Max Vogler. Die Baumwollenindustrie und ihre Bedeutung. Kulturgeschichtliche Stizze von H. Schlüter.( Schluß.)- Die Satire im Mittel alter. Von Dr. Richard Ernst. Ueber die Ursachen der französischen Revolution. Bon C. Fehleisen. Eine Reiseerinnerung. Bon F. G. Die Kunstgewerbe auf der nürnberger Ausstellung. Von Friedrich Nauert. Die Strandung des Lloyddampfers ,, Mosel".( Mit Jllustr.) Triumph.( Mit Illustr.) Bauern vor Gericht.( Mit Illustr.) Im Atelier.( Mit Jllustr.) Ueber das Eisenbahnunglück bei Hugstetten. ( Wit Illustr.) Allgemeinwissenschaftliche Auskunft. Aerztlicher Ratgeber. Redaktions- Korrespondenz. Mannichfaltiges.- Gemeinnütziges, Berantwortlicher Redakteur Bruno Geiser in Stuttgart . Redaktion: Neue Weinsteige 23. Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart . Drud und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart .
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