Adel.

Hoher Stamm und alte Väter Machen wohl ein groß Geschrei; Moses   aber ist Verräter

Daß dein Ursprung Erde sei.

Eines seiner schönsten Epigramme ist das über

Die deutsche Sprache.

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Kann die deutsche Sprache schnauben, schnarchen, poltern, donnern, frachen,

Kann sie doch auch spielen, scherzen, liebeln, güteln, fürmeln, lachen.

Logaus Epigramme sind noch heutzutage nicht veraltet und es ist der Reklamschen Verlagshandlung als Verdienst anzu­rechnen, daß sie dieselben in ihre billige Klassikerbibliotek auf genommen hat.

Von Logau beeinflußt schrieb Johann Grob   aus dem Tog­genburgschen( 1697) seine satirischen Epigramme, die er Aufschriften oder Kurzgedichte nennt und worin er sowohl all­gemeine moralische Gebrechen, wie auch Zeittorheiten verspottet. Zuweilen dringt er auch tiefer in die öffentlichen Verhältnisse ein und stellt namentlich die Schlechtigkeit der Rechtspflege dar oder ergeht sich in wizigem Spott über den Adel, z. B. im folgenden:

Was ein baum ist ohne laub, was ein firchturm ohne glocken, Was ein keller ohne wein, eine suppe sonder brocken, Was ein schiff ist ohne segel, was ein anker ohne grund, Was ein Schüze sonder pulver und ein Jäger ohne Hund, Was ein Weber ohne garn, was ein Schlosser sonder eisen, Was ein Becker ohne mähl, und ein Garkoch ohne speisen, Was ein Fuhrmann ohne wagen und ein Bauer ohne feld, Diß und zehen mal noch minder ist der Adel ohne geld.

Eigentliche Satiren in Versen nach dem Muster des Horaz   und Juvenal   dichteten Lauremburg und Rachel. Der erstere, aus Rostock  ,( 1658) veröffentlichte seine im Volfston gehaltenen, an Mutterwiz, Lebenserfahrung und gesunden Ansichten reichen, in plattdeutscher Sprache abgefaßten Satiren unter dem Titel:" De veer olde berömde Schertz- Gedichte. Mit eenem Anhang von etlicken in düssen Tyden nyen ingeschlekenen Mißbrücken." Einen Begriff von seiner Manier gebe nachstehende Inhaltsangabe der ersten Satire: Von der Mynschen izigen verdorbenen Wandel und Maneren." Sie geißelt besonders die Nachahmung fremder Sitten und Trachten. Pythagoras  , beginnt dieselbe, habe nicht die Seelenwanderung verkündigt. Wenn dessen Lehre wahr sein sollte, so würde er, der Dichter, seine Seele am liebsten in ein Schoßhündchen fahren lassen, da würde er es besser haben als ein armer Mensch, er würde alles in Fülle bekommen und auf weichen Pfühlen ruhen oder im Schos einer Jungfrau, wie es nun der Brauch sei. Als Mensch möchte er am liebsten dem Mittelstand angehören, doch tue ihm auch hier die Wahl weh. Ein Handwerker sei am Ende das beste, denn Handwerk hat goldenen Boden. Am liebsten aber möchte er ein Schneider werden und zwar ein Schneider von Paris  , einer von denen, die auf der Nadelspize Ehre und Reichtum er­flommen hätten. Das bringt ihn auf die Betrachtung des Ein­flusses, welchen Frankreich   auf die deutschen Sitten ausübt und er spottet besonders darüber, daß alles nach Frankreich   reise, als ob man dort Wissenschaft, Kunst und Verstand essen und trinken könnte. Schließlich bekommt auch die Modetorheit einen argen Hieb.

Die acht Satiren von Joachim Rachel   aus Schleswig  ( 1669) stehen an Korrektheit und Regelmäßigkeit der Form und an feiner Beobachtung ebensoweit über denen von Laurem burg, als sie an Natur und Lebendigkeit hinter denselben zurück­

bleiben.

Die dramatische Satire fand einen geistvollen Vertreter in Andreas Gryphius   aus Glogau  ( 1664), welcher den Ueber gang von der ersten zur zweiten schlesischen Schule bildet, die gegen die phantasielose Verständigkeit und den nüchternen For­malismus der Opigianer mit Recht reagirte, aber in das ent­gegengesezte Extrem verfiel, nämlich in jene aufgebauschte, in sinnlichen Bildern schwelgende, auf effekthaschenden Antitesen ein­

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herstelzende, verzerrte Zeichnungen mit grellen Farben über­flecksende Concettipoesie, für welche die Italiener des 17. Jahr­hunderts den Ton angaben und welche nach einem furzen, ge­waltsamen Aufschwung in den hohlsten Bombast ausartete. Die Hauptrepräsentanten dieser Schule sind Hoffmannswaldau( 1679) und Lohenstein  ( 1683). Gryphius  , der als Lyriker Phantasie und Gefühl in die deutsche   Kunstpoesie gebracht hat, erwarb sich noch größere Verdienste um dieselbe als Dramatiker. Er war der erste, welcher den Weg, den Opiß dem Drama vorgezeichnet hatte, durch eigene Schöpfungen betrat, und wenn er auch nicht der Vater der dramatischen Dichtkunst( wie es früher allgemein hieß) gewesen ist, so war er doch der Vater der gelehrten Behandlung des­selben. Viel bedeutender aber als seine Trauerspiele sind seine Lustspiele, unter denen sein" Peter Squenz" und sein Horri­bilifribrifax" die gelungensten sind." Peter Squenz" ist eine ge­lungene Persiflage der eingebildeten Bettelpoeten und hoch­nasigen Schulmeister jener Zeit. Der Inhalt ist sehr einfach. Die chrsamen Bewohner von Rumpelskirchen wollen die Durch­reise des Fürsten   durch ein Schauspiel verherrlichen, ein solches wird gedichtet und vorgetragen, Dichtung und Vortrag fallen elendiglich aus, gewähren aber gerade dadurch dem Fürsten   und seiner Begleitung großes Vergnügen. Die Ausführung ist voll Wiz, Leben und Wahrheit und die Karaktere sind mit meister­hafter Sicherheit gezeichnet. Von noch größerer komischer Kraft aber ist der Horribilikribrifar", der die soldatische Prahlhanserei jener Zeit, das bramabasirende Wesen der Söldner prächtig verhöhnt und überhaupt die Sitten der verschiedenen Stände nach dem dreißigjährigen Krieg in ihrer ganzen Ehrlosigkeit und Verderbtheit schildert. Beide Lustspiele bezeichnen einen Fort­schritt aus der alten Fastnachtsposse zur höheren Komit.

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In beiden Gattungen des Dramas fand Gryphius   Nach­ahmer, in der Komödie folgte ihm Christian Weise  ( 1708 in Zittau  ), welcher im Gegensaz zur modischen Geschraubtheit und Geziertheit der zweiten schlesischen Schule die Natürlichkeit seine Muse nannte. Die Satire wurde von ihm in mehreren Romanen kultivirt. An Romanen war das 17. und 18. Jahr hundert überhaupt sehr reich und es lassen sich im allgemeinen drei Klassen dieser Literaturgattung unterscheiden: Helden- und Liebesromane, Abenteuerromane und Robinsonaden*). Der bes deutendste und bekannteste unter den Abenteuerromanen ist der Simplicissimus" des Christoph von Grimmelshausen  ( 1676 als Stadtschultheiß zu Renchen   in Baden  ), der in einer bunten Reihe von Bildern die in jener Zeit herrschende Entsittlichung und Rohheit, Zügellosigkeit und Verwilderung mit Humor und heiterer Gemütlichkeit schildert. Christian Weise   hat nun im Rahmen des Romans satirische Zeitgemälde aufgestellt. Ein treffliches Kulturbild des 17. Jahrhunderts ist besonders der Roman: Die drei ärgsten Erznarren der ganzen Welt". In­folge testamentarischer Verfügung soll jemand die drei ärgsten Starren malen lassen und er unternimmt daher eine Reise, diese aufzusuchen. Da trifft er nun die verschiedensten Menschen mit den verschiedensten Mängeln und Gebrechen an, und die mannig faltigsten Karaktere und Zustände entrollen sich vor unsern Augen sehr lebendig und anschaulich.

Ein vortrefflicher Satiriker in Prosa war der Elsässer Moscherosch( 1669). Er war von den Stürmen des Kriegs hin und hergetrieben worden und hatte in seinem vielbewegten Leben die Verworfenheit, Rohheit und Sittenverderbnis der Zeit fennen gelernt. Seine Beobachtungen und Erlebnisse legte er nieder in einem ausgezeichneten Werke, das den Titel führt: " Wunderliche und wahrhaftige Gesichte Philanders von Sitten wald, d. i. Straff- Schriften". In 14 Gesichten, oder Träumen, worin er die Visionen des Spaniers Duevedo zum Vorbild nahm, gibt er ergreifende Schilderungen von dem Elend und Jammer seines mit Füßen getretenen Vaterlands. Als Beispiel sei die 6. Vision, betitelt Höllenkinder" angeführt. Der Dichter

*) Das erste Buch dieser Art verfaßte der Engländer Daniel Defoe  unter dem Titel Robinson Crusoe   1719, das schon 1721 in deutscher Sprache erschien.