das Gebiet der heutigen Sahara sei früher ein großes Binnenmeer gewesen, und man betrachtete die Sanddünen der Sahara als einen Beweis dafür. Die Funde von zahlreichen Muscheln sowie die vielen Salzseen und Sümpfe dienten gleichfalls als Belege dafür. Allein man hat sich mit der Zeit überzeugt, daß es sich doch anders verhält. Weitaus der größte Teil der Sahara besteht aus Hochflächen von Sandstein, der durch die Einwirkung des Klimas zerbröckelt und nur so die Sandwüste gebildet hat. So erklärt sich auch Alexander von Humboldt die Entstehung der Sandwüste. Die Sandsteinplateaus werden. durchbrochen von Urgebirgen, die aus Gneis, Granit und zumteil auch aus Porphyr bestehen, und gewöhnlich da, wo sich der Sandstein und das Urgebirge berühren, finden sich die Dasen, die fruchtbaren und wasserreichen Stellen innerhalb der großen Wüste vor. Der Raum, den die Region der Dünen und des Flugsandes in der Sahara einnimmt, ist der geringere; der größere Raum verteilt sich auf Gebirgs- und Felsengegenden, Steppen und Weiden, und der kleinste Teil auf fruchtbare Dasen und angebautes Land. Die Gebirgs- und Felsengegenden sind natürlich für den Reisenden fast ebenso schwer zu passiren, wie die Sandregionen; die Dürre und Hize ist ebenso groß, und es fehlt nicht minder an Wasser und Nahrungsmitteln. Steppe und Gebirge bieten keine allzugroße Ausbeute für die Jagd. Die Wüstentiere müssen sich nach den Flächen wenden, wo für sie Nahrung vorhanden ist, und nur auf dem ihnen günstigen Terrain tommen sie in größerer Menge zusammen, so daß ergiebige " Jagdgründe" entstehen, die denn auch von den Wüstenbewohnern weidlich ausgebeutet werden.
Es liegen ziemlich ausreichende Beweise dafür vor, daß die Wüste früher nicht so ausgedehnt war wie heute und daß sie einen größeren Wasserschaz hatte. Dies läßt sich auch für historische Perioden noch nachweisen. So ist das Kameel erst nach Beginn der christlichen Zeitrechnung in Nordafrika heimisch geworden; im Süden des Atlasgebirges gab es Elephanten, welche bekanntlich von den Karthagern ihrer Zeit für den Kriegsdienst abgerichtet wurden; und man hatte da, wo heute Sümpfe und kleine Seen sind, Wasser genug, daß sich Flußpferde darin tummeln konnten. Heute gibt es weder Elephanten noch Flußpferde mehr; nur Krokodile kommen noch vereinzelt vor, die dereinst nach den alten Schriftstellern in kolossalen Mengen vorhanden waren. Man findet auch an verödeten und verlas= senen Punkten Reste und Trümmer von römischer Kultur, ein Beweis, daß die Wüstenbildung zu jener Zeit keine so intensive und der Wasservorrat ein reicherer war; sonst hätten die Römer sich nicht so weit nach Süden festsezen können. Zwar haben alle Wüstenstriche heute noch ihre Regengüsse, von denen diese Quellen gespeist werden, allein der Wassermangel bildet neben der Sandüberflutung überall das hervorragendste Moment. Wo Wasser vorhanden ist, bildet sich in der Sahara auch gewöhnlich eine üppige Vegetation; wo Wassermangel und Sand zusammentreffen, erstirbt jede Vegetation.
Bei Regengüssen erweitern sich viele Duellen der Wüste zu Flüssen, ja zu reißenden Strömen, die sich tiefe Betten gegraben haben und die bei der Hize wieder austrocknen oder als seichte Bäche dahingleiten, bis sie im Sande zerrinnen.
Und auf diesem Raum, der nach der neuesten Berechnung zwölfmal so groß ist als das deutsche Reich, leben nach den jüngsten Feststellungen 5 343 000 Menschen, so daß auf zwei Quadratkilometer ein Bewohner fommt!
Die schweigende Wüste mit ihren gezackten Sanddünen und ihren riesigen Gebirgen, ihrer Fata Morgana und ihrem tiefblauen Himmel, ihren Dasen mit Palmenhainen und Quellen, ihren langgestreckten Karawanen und wilden Beduinen, ihren Sandstürmen und ihren Wüstenwegen, an denen Knochen von Menschen und Tieren in großen Massen bleichen, sie macht den Eindruck des Großartigen und Furchtbaren, und die bloße Schilderung dieser Großartigkeit begeisterte Freiligrath zu seinen glühenden Wüstengesängen, ohne daß er jemals den Boden Afrikas betreten, geschweige denn eine Wüste gesehen hatte. Der Sänger der Wüste hat freilich, wozu er als Dichter das Recht
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hat, sich in manchem Punkte sehr von der Wirklichkeit entfernt, und seine berühmten und schönen Verse:
Ich irr' auf mitternächt'ger Küste, Der Norden, ach, ist kalt und klug,
Ich wollt', ich säng' im Sand der Wüste, Gelehnt an eines Hengstes Bug!"
können uns hinreißen; allein bei genauer und nüchterner Betrachtung ist das Wüstenleben ein ödes und trauriges bei all den äußern poetischen Erscheinungen. Wenn er sagt: ,, Land der Zelte, der Geschosse,
O Volk der Wüste, kühn und schlicht! Beduin, du selbst auf deinem Rosse Bist ein phantastisches Gedicht!"
so sind das wieder herrliche Verse, allein diese Beduinenstämme erscheinen vielfach, näher betrachtet, als ein brutales, grausames, beutegieriges, hinterlistiges und treuloses Räubergesindel, und man hat alle Ursache, zufrieden zu sein, daß man nicht mit ihnen zu tun hat, wenn man von ihren Raubzügen und Mordtaten hört.
Das Bereisen der Wüste ist ein sehr gefährliches, namentlich für Europäer, die einerseits den Einflüssen des Klimas, andrerseits dem Mißtrauen und der Habsucht der Eingeborenen ausgesezt sind. Diese Reisen sind, wenn man nicht die großartigen Mittel hat, eine eigene Expedition auszurüsten, nicht anders zu ermöglichen, als indem man sich einer der zahllosen Handelskarawanen anschließt, welche die Wüste nach allen Richtungen hin durchkreuzen und sich ihre bestimmten Straßen gebildet haben. Diese Straßen haben ihre Stationen bei Dasen oder Brunnen. Die Karawane( eigentlich persisch,„ Handelsschuzgesellschaft" bedeutend) ist eine Gesellschaft, die sich vereinigt hat, um gemeinsam, zum besseren Schuz gegen die Räuberhorden der Wüste, ihre Waaren zu transportiren. Die Karawanen bestehen also gewöhnlich aus Kaufleuten, die den Tauschhandel der Wüstengebiete vermitteln, und diesen Gesellschaften schließen sich die anderen Reisenden an. Die Waaren werden mittels der Kameele oder Dromedare befördert, welche ausdauernden und zur Wüstenreise wie geschaffenen Tiere auch zum Reiten benuzt werden. Zwar machen auch die Pferde die Wüstenreisen mit, aber man hat selbst zum Reiten Kameele lieber, weil sie stärker, gelehriger und ausdauernder sind. Das„ Schiff der Wüste," wie man das Kameel nennt, ist für den Wüstenbewohner überhaupt das nüzlichste Tier, das es geben kann. Er verwendet von diesem Tier fast alles. Das Fleisch wird gegessen, die Milch getrunken, aus den Haaren werden Filz und Garn, aus der Haut Schläuche verfertigt; der Kameelmist gibt Brennmaterial. Das Kameel macht mit sieben bis zehn Zentnern auf dem Rücken täglich einen Weg von fünfzig Kilometer oder noch mehr. Beim Beladen läßt es sich auf die Kniee nieder. Ohne dieses Tier wären die Wüstenreisen kaum durchzuführen.
Die Tierwelt der Wüste ist, wenn auch nicht allzureich, doch sehr interessant und farbenbunt. Da ist zunächst der„ König der Wüste," dessen markerschütterndes Brüllen Nachts durch die Einöden tönt, bis das gelbmähnige Raubtier ein Opfer mit rotem, warmen Blut gefunden hat. Durch die Steppen und Wüsten rennt der große und seltsame Vogel Strauß, der nicht viel weniger dumm als groß ist und seinen Kopf in den Sand steckt, wenn er sich verbergen will. Seltsamerweise gelten seine Federn als Symbole der Wahrheit, und die altegyptischen Richter trugen sie auf dem Kopf. Der kaiserliche Schlemmer Heliogabal im alten Rom aß gern Straußengehirn und ließ das Gericht für seinen Hof in großen Massen zubereiten. Die Giraffe mit dem langen schlanken Hals, dessen Ausbildung im Kampf ums Dasein Darwin so scharfsinnig zu erklären versucht hat, treibt sich mehr in den südlichen Gegenden der Sahara umher und wird viel gejagt; der lange schlanke Hals wird dem armen Tier mit langen haarscharf geschliffenen Schwertern im Jagen abgehauen. In Nudeln oder allein streift durch die Steppe oder durch den Sand der Wüste die fromme, schlanke Gazelle", die Gemse der Wüste, jene flüchtige Antilopenart mit dem feinen