des Kopfes gedacht, welche durch eine übermäßige Verbreiterung der Schädelbasis und eine auffallende Verlängerung des Unter­fiefers hervorgebracht wird. Jene bewirkt ein weites Auscin­andertreten der Augen, dieses ein Vorspringen des Kinns. Auch die Weichteile, Lippen, Nase und Ohren haben an Umfang be= deutend zugenommen; die große Zunge füllt den erweiterten Unterkiefer aus; in dem Fall von Brigidi trat sie sogar zwischen den Zähnen hervor und bedingte ein Sprachhindernis.

Als Grundlage des ganzen Prozesses erscheinen durch den ganzen Organismus verbreitete Veränderungen der Blutgefäße, deren periphere Bezirke sich überall im Zustande lebhafter Pro­liferation befinden und von jungen zelligen Elementen umgeben sind, welche das Material für die Gewebsneubildung darstellen.

Die übermäßige Entwicklung der kleinen Blutgefäße bewirkt an vielen Stellen weitere, accessorische Störungen, indem durch dieselbe Körpergewebe zerstört werden; so tritt in den großen Arterien stellenweise Rarefifation der Muskelschicht, in den Knochen, namentlich der Wirbelsäule, Echwund der festen Knochen substanz ein, welche dort Erweiterung der Gefäßbahnen, hier Verkrümmung der Wirbelsäule bewirken. Diese leztere Ver­änderung ist übrigens feineswegs in allen Fällen von allge­meinem Riesenwuchs vorhanden.

Daß es sich in diesem Fall um einen patologischen Prozeß handelt, welcher eine zweite Wachstumsperiode einleitet, geht aus unserem Fall auf das unzweifelhafteste hervor; derselbe legt uns aber auch die Annahme nahe, daß dieselbe, freilich unbe­fannte Ursache der Erkrankung, falls sie in mäßigerer Weise wirksam wird, eine einfache, scheinbar in der Breite des Nor­malen liegende Körperzunahme veranlassen wird. Es wird. demnach in hohem Grade wahrscheinlich, daß eine Zu nahme der Körpergröße, ebenso wie Verminderung derselben von patologischen Einflüssen abhängen kann.. Denken wir uns, wie es namentlich für den Kretinismus feststeht, diese Einflüsse als äußere, eine ganze Bevölkerung treffende, so muß diesen patologischen Zuständen eine hohe race­bildende Kraft beigemessen werden.

Wir können uns begnügen, an einem Beispiel diese merk­würdige Einwirkung patologischer Prozesse auf die Umgestaltung der menschlichen Körperform nachgewiesen zu haben; in der Natur steht kein Vorgang vereinzelt da, sondern alle gleichartigen Erscheinungen sind durch ein gesezmäßiges Band unter einander verknüpft. Doch wollen wir einige Andeutungen nicht unter­lassen, welche die Richtungen bezeichnen können, in denen eine Erkenntnis in dem besprochenen Gebiet zu erwarten ist.

So haben wir in der Rachitis einen Krankheitsprozeß, welcher in hervorragender Weise eine Umgestaltung des Knochen­systems herbeiführt; die langen Röhrenknochen werden unter seinem Einfluß fürzer und dicker, der Schädel abgeplattet, dabci breiter und fürzer. Trifft dieser Prozeß eine ganze Bevölkerung, so wird er ohne Zweifel den ursprünglichen Racentypus ver­ändern. In der Tat finden wir z. B. unter den dolichocephalen Germanen solche Stämme, welche diese Karaktere der Schädelbildung besizen, wie dieses von Virchow für die Bewohner Frieslands nachgewiesen ist, welche platycephale Schädel besizen. Ebenso finden wir unter der slavischen Bevölkerung die beiden Haupt­formen der Schädel, Lang- und Breitschädel, welche von dem älteren Regius als vorzüglichste Racenmerkmale aufgestellt wurden, nebeneinander vor. Es bliebe demnach nichts übrig, als solche Völker mit verschiedenen Schädeltypen für Mischracen zu erklären oder patologische Einwirkungen bei einem Teil der­selben anzunehmen. Das erstere ist unwahrscheinlich bei der Gemeinsamkeit der Sprachstämme, und es scheint mir daher die Wandelbarkeit des Racentypus durch äußere, namentlich pato­logische Einflüsse annehmbarer. Ja, es wäre sogar die Frage zu erheben, ob nicht alle Racenverschiedenheiten erst durch solche Bedingungen hervorgerufen sind, eine Frage, deren Be­antwortung gegenwärtig allerdings gänzlich aussichtslos zu sein scheint.

Die auffälligsten Racekaraktere werden nicht so sehr von der Körperform und-größe geliefert, als von der Haut- und Haar­

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farbe. Schwarze, rote und weiße Racen vermögen schon Unge­bildete und Kinder zu unterscheiden, während die Unterscheidung typischer Körperformen schon einen durch die Uebung geschärften Blick voraussezt.

Es scheint ferner nichts Beständigeres in dem Körperbau der Racen zu geben, als die Pigmentbildung. Sehen wir doch die Neger troz jahrhundertelanger Ansiedelung in anderen Zonen ihre Farbe beibehalten und selbst nach Vermischung mit weißen Menschen diesen Stempel ihren Nachkommen bis in weit ent­fernte Generationen aufprägen.

Nichtsdestoweniger ist auch hier die Frage der ersten Ent­stehung der Färbung eine gerechtfertigte; die Zulassung des hereditären Einflusses schließt nicht die Möglichkeit aus, daß auch dieser Racenkarakter durch äußere patologische Einflüsse ent­standen, die mosaische Sage von Sem, Ham und Japhet dem­nach nicht als absolut verwerflich vor dem Lichte der Wissen­schaft zu bezeichnen sei. Wird doch auch in den geheiligten Hallen der lezteren gar manches behauptet, was faum besser begründet ist, als jene schöne Sage von dem einheitlichen Ur­sprung des Menschengeschlechts.

Wenn im Sinn der darwinistischen Teorie*), welche wir in vollem Umfange annehmen, die Menschengestalt sich durch all­mäliche Umwandlung niederer Formen herangebildet hat, so dürfte dieser größte und erfolgreichste Schritt, den die natür liche Entwicklung gemacht hat, nicht so gar häufig und an vielen Orten seine notwendigen Vorbedingungen gefunden haben. Die mühiamen und geduldigen Arbeiten der Antropologen scheinen im Gegenteil die oft nur zu leichtsinnig angenommenen niederen Vorväter unseres Geschlechts in das Bereich der Fabel zurück­zudrängen, und Karl Vogts Affenmensch dürfte nicht ernster zu nehmen sein, als Scheuchzers Diluvialmensch.

Freilich hat die Sonne Afrikas   nicht die Nachkommen Hams schwarz gefärbt, wohl aber ist die Möglichkeit vorhanden, daß gewisse organische Einflüsse des Bodens diese Art der Umge­staltung herbeigeführt haben.

Alles Pigment, welches im Körper gebildet wird, stammt aus dem Blut her und wird von diesem aus entweder fertig gebildet oder in seinen Vorstufen in dem Gewebe abgelagert. Seine eigentliche Ursprungsstätte dagegen sind gewisse Organe, für den roten Blutfarbstoff, das Hämoglobin, die Milz und das Knochenmark, für den braunen und schwarzen Farbstoff der Haut und des Auges die Nebennieren. Patologische Zustände dieser Organe liefern nun Pigmentirungen, entweder des ganzen Kör­pers oder einzelner Teile derselben, welche mit den natürlichen Färbungen gewisser Racen vollkommen übereinstimmen.

So liefert jene Erkrankung der Nebennieren, welche nach ihrem Entdecker als Addison'sche Krankheit bezeichnet wird, rost­braune Färbungen der Haut, welche in ihrer vollkommenſten Entwicklung derjenigen der Rothäute Nordamerikas   gleichkommt. Die Malaria dagegen, deren Reime, der Bacillus mallariae, vorzugsweise in der Milzsubstanz und im Knochenmark sich ent­wickeln, liefern schwärzliche Färbungen und können, wie ein­zelne Fälle lehren, zu ausgebreiteten Melanosen Veranlassung geben.

Wir wollen diese Tatsachen zu keinem anderen Zwecke ver wenden, als zu der Bildung einer Hypotese, welche zu neuen Studien anregen soll. Gibt es patologische Prozesse, welche analoge Färbungen, wie diejenigen gefärbter Racen hervor bringen, so ergibt sich naturgemäßer Weise das, Problem der patologischen Entstehung der lezteren. Eine Steigerung der Pigmentbildung in den dazu bestimmten Organen, hervorgerufen durch organisirte, im Boden vegetirende Substanzen, ist erwiesen; dieselbe Einwirkung durch Jahrtausende hindurch fortwirkend und durch keine Kulturmittel gehemmt, kann ohne Zweifel

*) Der Verfasser meint die allerdings über jeden wissenschaftlichen Zweifel erhabene" Entwicklungslehre und nicht die eigentliche darwinistische Teorie, die der natürlichen Zuchtwahl, welche zwar sehr geistreich aber zweifellos einseitig und zum mindesten ergänzungsbe dürftig ist. Red. d. N. W.