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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Die Bitte fostete dem Diktator nur eine Zeile an den Wohlfahrtsausschuß. So versuch es, uns die Köpfe zu nehmen, wenn Du ohne Blut nicht leb.n fannst!" rief Tallien. Drohend erhob er seine Faust. Wie ein Löwe stand er vor Robespierre . Komm," sagte Saint Just und zog Rebespierre mit sich fort, Du hast die Republik gerettet." Tallien schritt auf die Stelle zu, wo auf dem Platze das Schaffot gestanden hatte. Er zg den Dolch hervor, lüßte ihn und sprach durch das Dun el der Nacht:„ Danton ! Jetzt werde ich Tich rächen!"
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Am folgenden Morgen, am Morgen des achten Thermidor, war Robespierre zu den geplanten Schlage entschlossen. Er hielt im Konvent die mehrstündige Rede voll dunkler Andeutungen gegen seine Feinde, die er aber nicht mit Namen bezeichnete. „ Nimm Dich in Acht, Dich hat er gemeint!" flüsterten sich die Nachbarn zu. Kein Murren, aber auch kein Beifall folgte feinen Worten. Zum ersten Male schwiegen die Tribünen. Eine Wendung stand bevor. Am Abend, während Robespierre müßig im Jakobiner= flub Ilieb, sammelte Tallien die Ueberreste der Danto: 1- schen Partei um sich. Während der ganzen Nacht bis zum Morgengranen suchten Tallien und seine Freunde alle die Mi glieder des Konvents, die sie sich geneigt wußten, in ihren Wohnungen auf und baten sie, am anderen Tage in der Sizung nicht 311 fehlen. Selbst zu. seinen bisherigen Feinden, den Resten der Gironde und den Mitgliedern des Zentrums begab sich Tallien und sprach: Laßt uns jede feindliche Erinnerung vergessen und mit einander vernichten. Ihr habt Vergniaud verloren, wir Danton. Versprecht uns für morgen Gure Stimmen, und die Namen der Geopferten sollen durch Robespierres Sturz versöhnt werden. Wenn Ihr nicht seinen Kopf uchmit, so wird er in wenigen Tagen Eure Köpfe nehmen. Nechnet auf unsere Hülfe und Dankbarkeit."
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Als Robespierre am Morgen des neunten Thermidor den Sigungsfaal betrat, erstaunte er, die Vänke seiner Gegner stärker als sonst besetzt zu sehen. Zwar war er sicher, sie alle noch an diesem Worgen zu erschmettern, aber seine reizbaren Nerven waren durch die Anstrengung, die Sorge und die Schlaflosigkeit gespannt, und bei dem Anblick der versammelten Feinde verdüsterte sich sein Gesicht. Wie verabredet, bestieg Saint Just die Reduerbühne. Er sprach, daß in der Versammlung geheime Verschwörer vorhanden seien, die die Republik vernichten wollten, daß die Patrioten aber wachten und daß das Werk der Verräther nicht gelingen werde. Mehrere Minuten lang fuhr er so, den Angriff vorbereitend, fort. Auf den Bänken der Gegner erhob sich ein Murren. Plößlich sprang Tallien auf und rief:„ Wie ist es möglich, daß der Redner nicht die Ungeduld und den Unwillen gewahr wird, den er unter uns erregt? Glaubt er, sich für immer das Recht anmaßen zu können, mit dem Tyrannen, dessen Trabant er ist, im Bunde die Mitglieder dieser Versammlung zu verläumden, anzuklagen und zu ächten? Indem er thut, als wolle er Alles auf klären, neue Geheimnisse enthüllen, vorhandene Verschwörungen entdecken, vermehrt er noch das künft liche Dunkel, von dem wir umgeben sind. Nach den Räthseln, die gestern der Tyrann, denn ich will ihn nicht mehr anders benennen, uns hier zu lösen gegeben, sollen wir heute abermals die Zeit mit Erwartung derer verbringen, die uns St. Just aufgeben wird. Er will den Vorhang aufheben, wie er sagt, ich aber will ihn zerreißen!" Donnernder Beifall von allen Bänken des Hauses folgte diesen Worten Talliens. Der Redner fuhr fort:„ Ich zerreiße ihn und werde die Gefahr, in der wir uns befinden, in ihrem ganzen Unifange zeigen. Der Tyrann will heute den größten Theil des Konvents seiner Wuth aufopferu. Er will die Vertheidiger der Freiheit und der Republik der letzten Zuflucht berauben, die ihnen übrig geblieben ist. Er will uns vernichten, heut noch, in wenigen Stunden. Er hat es versprochen und geschworen." Mit glühender Beredsamkeit ging Tallien zu der Begründung seiner
Auflage über; auch gegen die Kreaturen des Diftators, gegen Dumas und Henriot, schleuderte er seine Pfeile. Endlich schloß er:" Alles verspricht mir, daß die Stunde der Befreiung endlich für uns geschlagen hat. hat. Habt Ihr darum so viele Despoten besiegt, um unter dem ungerechtesten und erniedrigendsten Joche zu leben? Man hat Euch im Schlafe überfallen können, aber man wird Euch nicht immer in Fesseln zu halten vermögen. Die Anflage gegen Robespierre ist in Eure Herzen gegraben. Gibt cs hier eine Stimme, die sich zu erheben wagt, um 31 versichern, daß Robespierre fein Tyrann ist? Laßt eine solche klarenseele sprechen, die sich in ihrer Erniedrigung mit der Knechtschaft versöhnen fann! Laßt sie sprechen, aber die Verachtung und den Abschen des ganzen Konvents werden sie alsbald zermalmen. Ich für meinen Theil, ich will nicht länger unter der Herrschaft eines solchen Menschen leben. Zittre, Robespierre! Zittre, Tyrann! Sieh, mit welchem Entsetzen sich alle Freunde der Freiheit von Dir entfernen. Wir freuen uns am Anblick der tödtlichen Angst, die Dich ergreift, aber sie soll in Rücksicht auf das öffentliche Wohl nicht allzulange danern. Und wenn der Konvent den Tyrannen nicht in Anklagezustand versezt hier, seht diesen Tolch! mit eigener Hand stoß ich ihm diesen Dolch ins Herz!" Mit diesen Worten riß Tallien einen Dolch hervor und schwang ihn mit erhobenem Arm. Mit einer außerordentlichen Kraft der Stimme und der Bewegungen hatte Tallien gesprochen. Stürmisch erhoben sich alle Versammelten von ihren Sitzen und umdrängten ihn mit lautem Zuruf. Bleich, unbeweglich und sprachlos, wie ein Todter, saß Robespierre auf seiner Bank. Zum letzten Male ergriff Tallien das Wort. ,, Reine weiteren Förm lichkeiten mit dem Tyrannen!" rief er, mit ihm und mit seinen Trabanten. Man kann ihre Vestrafung nicht genug beeilen. Wozu die Anklage strafung nicht genug beeilen. Wozu die Anklage erst! Fällt er nicht durch die Waffen, die er selbst erfunden und so lange gebraucht hat? Wo ist der Angeklagte, den er sich zu vertheidigen erlaubte? Wir können jetzt ebenso gut, wie er, uns einer weiteren Untersuchung überheben. Laßt uns so vielen Angriffen auf die Menschheit ein Ende machen! Zur Abstimmung über die Verhaftung des Tyrannen! Wir werden uns nachher mit der der übrigen Berschworenen beschäftigen!"
Fünf Stimmen nur erklärten sich dagegen. Eine Stunde später saß Robespierre versteinert im großen Saale des Stadthauses in einem Lehnstuhl. Am folgenden Tage fiel sein Kopf. Auf den Thron der Revolution stieg Tallien. Zwei Tage nach der Hinrichtung Robespierres, am zwölften Thermidor, ernannte ihn der Konvent zum Mitglied des Wohlfahrtsausschusses. Der Ausschuß verfügte über das Schicksal der Gefangenen. Am Abend nach der Sigung dieses Tages eilte Tallien nach dem Gefängniß de la For e. An seinem Arme hing, als er heraustrat, Therezia Cabarrus.
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Therezia wurde die Gattin Talliens. Am Abend ihrer Vermählung eröffnete Madame Tallien ihren Salon. Die Blüthe des neuen Frankreichs drängte sich darin und der Salon von Madame Tallien wurde der glänzendste von Paris, wie Madame Tallien selbst als die schönste, geistreichste und liebenswürdigste Frau der Hauptstadt fortan gefeiert und bewundert wurde. Tallien starb, verarmt und vergessen, zurückgestürzt in das Dunkel, aus dem er gekommen war, zu Paris im Jahre 1820. „ Ich liebe nur die, die mich schlagen!" sagte einst Madame Tallien. Ihr Gatte war ein Schwächling geworden. Darum liebte sie ihn nicht mehr und verließ ihn. Sie reichte ihre Hand dem feingebildeten und liebenswürdigen Grafen von Caramon, Fürst von Chimay und spanischer Grande. Auch ihr dritter Gatte vergötterte sie, wie Alle, die ihr im Leben nahe standen. Im Januar 1835 fühlte sie ihr Ende nahen. Sie befand sich auf ihrem Schlosse Chimay. Man trug die Sterbende in ihrem Lehnstuhl auf die Freitreppe im schneebedeckten Garten. Sie wandte ihre Augen nach der RichSie wandte ihre Augen nach der Nich:
tung von Paris, von Spanien und gegen die untergehende Soune:„ Mein Freund," sagte sie und drückte ihren Sohne die Hand, war mein Leben nicht wie ein Traum?" Ihre letzten Worte galten ihren Kindern. Sie starb schmerzlos und in Frieden.
Robespierre hat fallen müssen. Aber die Waffe, durch die er fiel, hat eine Frau gezückt, Therezia Cabarrus.
enn man Umschan hält in der Geschichte der Völker, so findet man nicht selten, daß das Verhältniß zwischen Thier und Mensch ehemals ein wesentlich anderes war als in unferen Tagen. Aus den Anschauungen und Bräuchen, voll denen wir erfahren, geht hervor, daß in früheren Zeiten und bei vielen Völkern die Thiere den Menschen nicht nur gleichgestellt waren, sondern ihnen in einzelnen Fällen sogar eine höhere Stellung eingeräumt war. Diese Gleichstellung von Mensch und Thier war anfangs nur auf die Hausthiere beschränkt, und verhältnißmäßig erst viel später dehnt sich bei einzelnen Völkern der Zwang der Logik, das Gleichheitsge es, auch auf indifferente und schließlich auf alle nuschädlichen Thiere aus.
Die praktische Gleichstellung zeigt sich nicht selten schon in der Behandlung der Neugeborenen. Die merkwürdige Sitte des Sängens junger Thiere durch Menschenweiber, durch welche eine Art natürlicher Verwandtschaft( Milchverwandtschaft) begründet wird, kommt in allen Welttheilen vor. In Australien, auf Tahiti, im Lande der Lules in Südamerika, bei den Eskimos, Arabern und Zigeunern werden Hunde an der menschlichen Brust aufgezogen und selbst aus Deutschland sind uns vereinzelte Fälle dieser Sitte bekannt. Die Weiber von Neu- Guinca sängen Ferkel, die Negerinnen Mittel- Afrikas und die Indianerinnen fleine Affen und Beutelratten und die Ainoweiber auf Jesso legen gar junge Bären an ihre Brust. Aber auch aus dem alten Griechenland haben wir bildliche Darstellungen der Thiersängung, die recht wohl aus den Leben gegriffen sein dürften; ich meine die Mänaden, welche Nehen und Hirschfälbern ihre Brust reichen.
Auch die weitere Fütterung der Thiere, die Sorge für Cbdach und Pflege derselben, ihre Zulassung zu Sakramenten und Sakramentalien spricht für die frühere Gleichstellung der Menschen und Thiere und unsere heutigen Thierschonungsgebräuche haben ihre Wurzeln theils direkt in dem Thierfultus, theils in der Thierachtung, namentlich in den Totemismus.
Diese Achtung, dieses Mitleid und die Liebe vor und zu den Thieren waren wohl im Stande, auch eigenthümliche Rechtsverhältnisse zu erzeugen. So ist der Gedanke, daß Thiere über aupt rechts- und vertragsfähig seien, und zwar in gleicher oder ähn= licher Weise wie der Mensch, aus der germanischen Sage zu erfenuen, nach welcher der Mensch früher mit den wilden Thieren im Frieden" gelebt habe; wie ja das Wort„ Friede" überhaupt einen Rechtsbegriff bezeichnet und„ Friede" im Grunde mit„ Recht" identisch ist. Es tritt z. B. die Rechtsstellung des Hundes bei den Germanen äußerst prägnant in dem Cake hervor, daß zu acht Menschen der Hund der neunte ist". Und ein sicheres Kennzeichen dafür, daß die thierische Rechtsfähigkeit ernst gemeint ist, liegt darin, daß dem Thiere auch Rechtspflichten, wie Fasten, Trauerzeremonien, die Pflicht, sich opfern zu lassen, und dergleichen auferlegt werden. Am frappantesten tritt die Rechtsstellung der Thiere aber in den strafrechtlichen Bestimmungen zu Tage.
Die Thierstrafen sind theils privater, theils öffentlicher Natur und neben den staatlichen treten besonders die Sakralstrafen hervor. Leider haben es sich viele Reisende nicht angelegen sein laſſen, auf den Forschungsreisen ihr Augenmerk auf Thierrecht und Thierstrafe bei den verschiedenen Völkern zu richten, sonst müßte uus heute ein weit größeres Material darüber zu Gebote stehen.