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Die Neue Welt. Jllustrirte Unterhaltungsbeilage.
leben, werden an den entblößten Körpertheilen nicht dunkler, sondern im Gegentheil heller. Die Auflösung dieses Räthsels ist uns noch nicht gelungen. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen gehört der brünetten Hautfarbe an, die gelbe und gelbbraune Farbe der meisten Asiaten, der nordamerikanischen Eingeborenen, der Eskimos, Lappen, Buschmänner und Hottentotten ist wenig verschieden von stark brünetten Europäern; sie sieht nur fahler, glanz loser aus, weil bei den Ersteren das Blut weniger durchschimmert. Die Kulturgeschichte lehrt uns, daß nicht die Hautfarbe es ist, die die Kulturfähigkeit bedingt, weil farbige Völferstämme ihre uralte Kultur nach Griechenland und Italien brachten, und die Erfindung des Schießpulvers, des Kompasses und Buchdruckes viel früher als bei uns im südöstlichen Asien stattfand und dergl. mehr. Was wir Kultur nennen, ist zuerst bei schwarzhaarigen Völkern mit brauner Haut in Asien und Afrika zur Blüthe gelangt, uns, den blauäugigen, blondlodigen Völkerstämmen Nordeuropas ist sie im Wesentlichen als fertiges Geschenk überbracht und dann erst weiter ausgebildet worden.
Auf der Walze.
Aus den Papieren eines Fechtbruders. Von F. Riebeck. ( Fortsetzung.)
ch fragte sie, ob sie mir sagen könne, weshalb ich eingesperrt worden sei; doch sie schüttelte abwehrend den Kopf und erklärte, daß sie sich um solche Dinge nicht kümmere. Die Gefangenen hätten ihr schon öfters großen Aerger bereitet; es sei verboten, mit ihnen zu sprechen, und sie wäre nicht zu mir gekommen, wenn ich nicht gesagt hätte, daß mich hungere. Der frühere Polizist sei nicht so streng gewesen, aber bei dem jetzigen, der aus der Wiener Gegend stamme, müsse man sehr vor sichtig sein.
Als sie bereits im Begriff war, die Thür zu schließen, fragte sie, ob ich etwa ein Preuße sei, und auf meine bejahende Antwort hin theilte sie mir mit, daß der Herr Polizist die Preußen nicht leiden könne.
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Was macht er mit ihnen?"
Wenn sie gebettelt haben, liefert er sie an's Gericht."
„ Ich habe aber nicht gebettelt! Ich habe überhaupt kein Unrecht begangen!"
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Da kann ich nichts sagen."
Sie verließ mit ihrem Begleiter den Kerker und verschloß die Pforte. Ich aber machte mich mit Behagen über die Suppe her, die ich vortrefflich fand. Als ich gesättigt war, erschien mir die Rolle eines t. t. Staatsgefangenen schon weniger schreckhaft, und ich rüstete mich in aller Ruhe zum Schlafengehen. Schon lag ich auf der Pritsche, als der Mann in der blauen Schürze die Schüssel abholte. Ich bedankte mich und redete ihn an, doch er gab feine Antwort. Nicht einmal gute Nacht!" wünschte er mir. Das störte indes meinen Frieden nicht, und obgleich mir ein Federbett einigermaßen lieber gewesen wäre, als die dünne Filzdecke, schlief ich bald den Schlaf der Gerechten . Auf meiner Reise hatte ich hinreichende Gelegenheit gefunden, mich an harte Lagerstätten zu gewöhnen und war somit weniger empfindlich, als jene Märchenprinzessin, die nicht schlafen konnte, weil unter dem siebenten Unterbette eine Erbse lag.
Ohne Unterbrechung schlief ich, bis der helle Tag durch mein niedliches Fenster lugte, und wenn ich nun nach meinen Wünschen befragt worden wäre, hätte ich mich für schleunige Abreise entschieden. Traut und beruhigend war das Gefühl, nach langer Vogelfreiheit wieder eine Wohnstätte zu besißen und in aller Ruhe rasten zu können, doch stärker war in diesem Falle die Sehnsucht nach der Landstraße. Mein Wirth gefiel mir zu wenig, und ich traute ihm böse Absichten zu; außerdem leuchtete das Stückchen Himmel so lockend und verheißend, und ich fühlte mich so stark und unternehmungslustig, daß ich mir nicht nur das Tippeln, sondern sogar das Dalfen als ein prächtiges Vergnügen vorstellte. Da ich aber
meinem Käfig nicht zu entrinnen vermochte, beschloß ich, das Beispiel der Biene nachzuahmen, die auch aus der Giftblume süßen Honig saugt, und ich begann, mich auf das Dichten einzurichten. Papier und Bleistift besaß ich und an poetischen Stoffen litt ich keinen Mangel; also war ich in der glücklichen Lage, mit Fleiß und Muße für meinen zukünftigen Ruhm arbeiten zu können. Ich konnte dabei, sorgfältig in die Filzdecke eingehüllt, bequem auf der Pritsche liegen, und somit war ich auch gefeit gegen die Kälte. Zu der lieben Bänerin, die ich im Herzen immerzu segnete, hegte ich das Vertrauen, daß sie für meine leibliche Nahrung sorgen werde.
Der Plan war allerliebst, doch er scheiterte. Noch war ich mit den Vorbereitungen zu dem dichte rischen Unternehmen nicht fertig, als mein Kerfermeister und die Bänerin mir gemeinschaftlich einen Besuch abstatteten. Schon bevor die Frau aufschloß, redete er sehr laut und lebhaft, und ich hörte ihn öfters ausrufen:" Segn's, wie guat tös war- wie guat!"
Beim Eintritt befahl er mir heftig, mich reisefertig zu machen. Ich gehorchte und begann, mein Bündel zu ordnen, das ich wegen des Schreibmaterials geöffnet hatte. Das Einpacken ging ihm viel zu langsam; er ernuuuterte mich zu größerer Schnelligkeit und war mir behülflich. Dabei zeigte er sich sehr vergnügt und wiederholte immer wieder: Wie guat dös war!"
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Die Rüstung war rasch beendet, und marsch fertig trat ich hinaus. Meine barmherzige Fee machte ihn darauf aufmerksam, daß ich noch nicht gefrühstückt habe; doch er schüttelte den Kopf und rief: Kane Zeit, kane Zeit!"
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Pozz Wetter, was bedeutet das? Im Hofe stehen zwei Soldaten mit Gewehren. Sie kommen auf mich zu; Giner versezt mir einen sanften Puff und kommandirt:" Marsch!" Der Polizist schreit den Kriegern zu: Warten's auf'n Markt!" und läuft zum Thore hinaus. Ich wende mich nach der Bäuerin um, ihr ein Wort des Daufes und des Abschiedes zu sagen; da trifft mich ein Stoß mit dem Kolben, so daß ich Schmerzen im Arm verspüre. Da bin ich ja in recht gemüthliche Hände gerathen!
Zwischen den zwei Soldaten marschire ich die Straße entlang. Kinder laufen hinter uns drein; Erwachsene bleiben stehen und begaffen mich mit ernsten, fragenden Augen.„ Der Raubmörder is drwischt!" höre ich einen Mann sagen.
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Ein furchtbarer Schreck durchzuckt mich; zugleich aber überkommt mich ein teuflisches Vergnügen. Daß man mich für einen Raubmörder hält, erscheint mir urkomisch und höchst belustigend, und ich denke mit wonniger Schadenfreude an den Augenblick, an dem meine Unschuld zu Tage treten wird. meine Unschuld zu Tage treten wird. Die langen Gesichter dann, und die Entschuldigungsworte, die man mir sagen wird! Und der Aerger des einfältigen Polizisten! fältigen Polizisten! Der Dummkopf glaubt, einen Raubmörder gefangen zu haben, und während es nun heißen wird, daß der Gesuchte erwischt worden sei, findet dieser Zeit, über alle Berge zu entfliehen.
Bin ich wirklich als Raubmörder festgenommen worden? Trotz aller Lustigkeit kann ich mich einer schweren Beklommenheit nicht erwehren.
Auf dem Markte wird Halt gemacht, und augenblicklich umringt uns ein dichter Kreis von Menschen. Ein Soldat ergreift mich fest am Arme; der andere drängt mit dem Gewehr die zudringlichsten der Gaffer zurück. Der Humor verläßt mich; mein Muth sinkt, und es schlägt eine entseßliche Angst ihre Krallen in meine Seele. Ich wage nicht aufzublicken vor Scham; gräßliche Gedanken martern mich, und dabei horche gräßliche Gedanken martern mich, und dabei horche ich auf die Neden der Leute. Kein Zweifel, ich gelte als Raubmörder! Die Leute sagen es; sie erzählen einander die Geschichte des Mordes; sie haben davon in der Zeitung gelesen. Eine Frau meint, man säte mir den Lumpen und Mörder schon an; ein Kert will mit der Faust auf mich losfahren, wird aber von den Soldaten zurückgeschoben; Andere fluchen mir und verwünschen mich mit wüthenden Worten, und Jemand gelobt mit feierlich gehobener Stimme, fortan feinem Handwerksburschen mehr einen Kreuzer zu geben, da solche Brut" darunter sei.
Ich ein Raubmörder! Der beste Beweis sind die Soldaten. Gewiß sind sie während der Nacht telegraphisch aus einer Garnisonstadt hergerufen worden. Hielte man mich nicht für einen äußerst schlimmen Verbrecher, so hätte man das Militär nicht gebraucht. Und bald zwei Mann!... Sicherlich waren die Gewehre scharf geladen....
Wenn es mir nicht gelänge, meine Unschuld zu beweisen! Wenn ich verurtheilt würde!... O, wie viele Unschuldige mögen schon verurtheilt worden sein!... Wenn der Henker mich ergriffe, mich auf das Blutgerüst zöge.. wenn
Doch nein, nein! Zurück, du blutiger Wicht!... Zurück, ich bin schuldlos! Jasse mich nicht an mit deinen verfluchten Mörderhänden! Und hätte ich zehntausend Morde begangen ich allein bin Herr über mein Leben! Ich will leben, leben, und ich er= drossele dich, wenn du mich autaſtest!
Narr, lache doch! Deine Unschuld wird sich bald herausstellen! Du kannst ja den Richtern sagen und beweisen, wo du hergekommen bist und wo du dich aufgehalten hast! Und der Mord ist gewiß in einer ganz anderen Gegend verübt worden! Lache doch und genieße das großartige Abenteuer!
Eines nur ist schrecklich! In den Zeitungen wird zu lesen sein, daß der Raubmörder ergriffen worden ist, und dein Name wird genannt sein. In fünfzig, in hundert vielleicht in vielen hundert Zeitungen wird die Nachricht gedruckt sein, und sie wird auch in meine Heimath dringen.... Die Leute daheim werden sie lesen und dazu sagen, daß sie mir schon immer nichts Gutes zugetraut hätten; sie werden meine arme Mutter verachten und beschimpfen, und die Mutter ach, meine geliebte Mutter! sie wird sterben vor Qual und Gram und Schande, bevor die Kunde von meiner Unschuld zu ihr dringt!
Mir ist, als müsse ich schreien vor Schmerz und Wuth; als müsse ich dem aufgeregten Volke offenbaren, daß ich kein Verbrecher sei, sondern daß an mir ein Verbrechen begangen werde; doch ich bezwinge mich, und während in meinem Innern die schauerlichsten Empfindungen rasend durcheinander toben, bewahre ich äußerlich vollkommene Ruhe.
Jezt drängt sich der Polizist durch den Streis und übergiebt einem der Soldaten einen großen Brief. Jedenfalls hat der Schwachkopf ein Protokoll über meine Verhafiung aufgesetzt. Er grinst mich vergnügt an und ruft mir lachend zu:„ Jetzt werden's d'rschossen!"
Wie er sich freut, daß er mich gefangen hat!
Auf einmal machen seine Worte in Verbindung mit seiner heiteren Miene mich stuzig. An das Erschießen glaube ich nicht; er treibt Scherz mit mir. Er würde nicht so harmles scherzen und lachen, wenn er mich wirklich für einen Raubmörder hielte. Raubmörder werden gefesselt, und mich ließ man ungefesselt. Ich schämte ich jetzt meiner thörichten Angst und nahm mir vor, guten Muthes zu sein. Doch o Wille, wo ist deine Macht gegenüber der Furcht!
" Fort!" kommandirt ein Soldat.
Er nimmt mich hinten am Rockfragen und schiebt mich durch die Gasse, die das Volk rasch und respektvoll für uns bildet. Erst als wir den großen Schwarm der Einwohnerschaft hinter uns haben, zieht er die Hand, die meinem Nacken unangenehm ist, fort.
Mehrere Gassenbuben sind uns tren geblieben. Doch draußen auf der Landstraße fällt Giner nach dem Anderen ab. Sie müssen wohl nach der Stadt zurückeilen, um nicht die Schule zu versäumen. Zulezt ist nur noch Einer übrig ein Kerlchen von etwa acht Jahren mit zerfeztem, blauem Höschen, langemt, grauem Nöckchen und bloßem Kopfe. In der einen Hand trägt er einen brannen Topf, und ich vermuthe, daß er ausgesandt worden ist, die Kaffeemilch zu kaufen, denn die andere Hand umschließt krampfhaft das Kaufgeld. Während er neben uns hertrabte, hafteten seine großen, dummen Neugieraugen in hochgespannter Verwunderung auf meiner Person. Ich lächele und nicke ihm einige Male zu, doch diese Zeichen eines heiteren Wohlwollens üben auf ihn keine andere Wirkung aus, als daß seine verdußten Augen noch größer werden und sein Er