Typen aus dem Räuberleben
Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
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gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. werpen, bald Köln , Ansbach , Donauwörth gab, sollte ihm einen Paß in Köln besorgen lassen.
III.
Eine jüdische Räuberbande.
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Is gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die französische Revolution ihren Gigantenleib recte, Throne und Thrönchen in ganz Europa wanften, Despoten- und Pfaffenwillkür in verzagtem Troy hülf- und rathlos ihre veraltete Institution zusammenbrechen sah, Leben und Eigenthum der Bürger und Bauern von den kriegführenden Soldatenhorden ständig bedrcht war, da entstanden in Mitteleuropa zahlreiche Räuberbanden. Gestörte Erwerbsverhältnisse, unverstandene oder willfürliche Auslegung des sogenannten„ Naturrechts" veranlaßten gar Viele, als lezte Zuflucht das Räuberhandwerk zu ergreifen.... Auch jene dunklen Blätter, die von menschlichen Verirrungen erzählen, bestätigen, was die Geschichte auf jeder Seite fündet, daß Nationalität und Religion die Verbrechen weder veranlassen noch sie zu verhüten im Stande find, daß die soziale Lage allein die Mutter von Gut und Böse ist.
In den Aften, welche von jenen zahlreichen Räuberbanden handeln, stößt man nicht selten auf Namen jüdischen Klangs: Mosche Nudel, Izig Kugler, Schön- Mayer Moses , David Levy und Andere mehr. Doch man darf sich dadurch nicht irreführen lassen; die Räuber, um sich vor den Nachstellungen der Behörde zu sichern, legten sich häufig Namen jüdischer Hausirer zu, in deren Kostüme sie auch oft das Land durchstreisten.
Bei den Raubzügen der Banden, die unter der Leitung von Schinderhannes , Streitmatter und Damian Hessel standen, waren Juden nur sehr vereinzelt betheiligt- wenigstens aktiv- die Beraubten waren sie sehr oft.
Anders lagen die Verhältnisse bei den Banden, die Jakob Picards führte. Der Führer selbst, aus Friesland stammend, war Jude, und von seinen zweihundertfünf Genossen waren mehr als die Hälfte, hundertundzwölf, Juden, die aber nicht gerade zu den Furchtsamsten gehört zu haben scheinen. In den ,, Kriminalprotokollen und geheimen Notizen des Br. Keil, ehemaligem öffentlichem AuKläger im Ruhr- Departement"( Köln 1804) heißt es von Pi ard und seiner Bande: Ihre Pläne find groß, weitausschauend; ihre Räubereien werden nach einer äußerst fünstlich ausgedachten Taktik unabweichbar ausgeführt; unermeßlich ist die Beute, die fie in dreizehn Jahren davonschleppten( an baarem Geld und Geldeswerth ungefähr dreieinhalb Millionen Francs). Drei Reiche, Deutschland , Holland und Frankreich , bildeten ihren Tummelplay.
Picards äußere Erscheinung verrieth keineswegs sein Gewerbe. Seine geschmeidige Gestalt war immer elegant gekleidet, langes, schwarzes Bart- und Kopfhaar umrahmte das bleiche Gesicht, funkelnde Augen fündeten sein lebhaftes Temperament. Sogar den damals so hell am Räuberhimmel leuchtenden Stern Schinderhannes verdunkelte Pi. ard durch seine Thaten.
Keil sagt darüber:" Wo sich die SchinderhannesBande mit der Picardschen zu gemeinsament Raub vereinte, steht der große, berüchtigte, oft besungene Schinderhannes nur als ein subalternes Glied unter dem Kommando Picards, eine Maschine in der Hand des größeren Werfmeisters.... Während Picard, im Beginn seiner Laufbahn, in kurzer Frist die unglaubliche Summe von zwanzigtausend Louisdor an der Spiße von fünfzig mit Pistolen und Säbeln bewaff= neten Räubern zu Pferd mit Gewalt unter Feuern und Stürmen aus Städtchen und Flecken erbeutete und nachher in Paris großherrisch verschwelgte, erscheint sein Gegenbild Schinderhannes in Gebirg und Wald als ein eben nicht ungewöhnlicher Buschflepper. Während Schinderhannes sich in dem engen Bezirk von Trier bis Frankfurt und Mannheim herumtreibt, dehnt sich Pizard mit seiner Bande von der Spize Frieslands bis an Bayerns Grenze,
in Schrecken."
Die charakteristischen Hauptzüge aller großen Näuber waren auch ihm eigen: List und Verschlagenheit gepaart mit Grausamkeit und zügelloser Wildheit, den Weibern und dem Trunk ergeben.
Im Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte Picards Bande in den reichen Jahrhunderts hatte Picards Bande in den reichen Ebenen von Flandern und Brabant Furcht und Eutsezen verbreitet. Mord, Brand und Raub bezeichnen ihre Spur. Bevorzugten sie auch die Nachtzeit Kinder! wenns Mitternacht ist, bin ich König!" soll Picard häufig gesagt haben, so ging es doch keineswegs ruhig her bei ihren Zügen. Unter fortwährendem Schießen und Schreien stürmten sie durch die Straßen, um die Bande zahl= reicher erscheinen zu lassen, als sie war ebenso lärmend verließen sie mit ihrem Raub den Schau plaz der That, erst auf der Landstraße wurden sie ruhig, durfte fein Wort mehr gesprochen werden, um etwaigen Verfolgern nicht ihre Schlupfwinkel zu verrathen.
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In der Gegend von Crefeld und Neuwied hausten damals unter Führung des Scheerenschleifers, Friedrich der Einäugige und Matthias Weber, genannt Fezer, Banden, die sich jedoch nur mit kleineren Diebstählen befaßten und deshalb in den damals so bewegten Zeilen wenig Aufsehen erregten...... Plötzlich wurden Bevölkerung und Behörden durch Räubereien großen Stils alarmirt. In unmittelbarer Nähe Aachens waren einem Privatmann sechzigtausend Francs ge= raubt worden; kurz darauf wurde auf der Landstraße ein Postwagen geplündert, wobei die Räuber fünfzigtausend Francs erbeuteten: Picard hatte Brabant verlassen, seine Bande mit der Crefelder und Neu wieder vereinigt. Jetzt folgte in jenen Gegenden Raub auf Raub. Auch Schinderhannes , von Pi ards Thaten angelockt, kam mit den Seinen vom Hunsrücken herab. Doch das Näuberbündniß war nicht von langer Dauer. Bei einem sehr einträglichen Naube auf das Posthaus zu Würgers an der Limburger Landstraße hatte Schinder hannes sich einen größeren Betrag heimlich bei Seite hannes sich einen größeren Betrag heimlich bei Seite gethan; Picard hatte sich dasselbe erlaubt. Mitglieder der Bande verriethen diese Eigenmächtigkeiten, die Häupter geriethen in Streit und Schinderhannes hielt es für empfehlenswerth, wieder rheinaufwärts zu ziehen, um auf eigene Faust zu arbeiten.
Kurz darauf gerieth Picard in Gefangenschaft. Bei einem Einbruch in Montabaur erhielt er einen so heftigen Schlag auf den Kopf, daß er rücklings die Treppe herabstürzte. Da die Bande von Gendarmen und Bauern verfolgt wurde, konnte sie den Bewußtlosen nicht mitschleppen. Die Gendarmen brachten den Verhafteten nach Köln . Nachdem er von seiner Verlegung geheilt, wurde Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Anfangs betrieb man die Sache ziemlich lässig, da die Behörde nicht wußte, wen sie vor sich hatte. Doch als durch einen Zufall die Polizei Kenntniß erhielt, welchen Vogel sie im Käfig hatte, wandte sie Alles auf, ihn nicht entEr wurde fester gefesselt, schlüpfen zu lassen.
strenger bewacht. Er, der zwanzig Mal aus den sichersten Gefängnissen Deutschlands und Frankreichs entflohen war, schien jetzt seinem Schicksale verfallen... Als sich seine Versuche, gewaltsam auszubrechen, vergeblich erwiesen, wandte er sich an einen Mann des Gesezes". Und da er seine Bitte mit zwölf Louisdor und einer goldenen Uhr unterſtüste es wird in den Berichten nicht gesagt, woher er im Besitz dieser Werthgegenstände war waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt.
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Nachdem er die Freiheit wieder erlangt, versuchte er sein Glück im Schwabenlande. Auch dort haben ihm seine Gaunereien goldene Früchte ge= tragen... Doch ob ihm die Behörde zu scharf auf die Finger sah, oder er wieder Sehnsucht nach der Gegend bekam, wo er sein Räuber- Noviziat bestanden hatte, kurz, er erschien wieder am Niederrhein . Prächtig gekleidet, überladen mit Goldschmuck und
Die Kölner Polizei, die Kenntniß von der Anwesenheit des berüchtigten Räubers erhalten hatte, fertigt den Paß aus, begleitet aber den Mittelsmann nach Neuß . Jedoch Picard, viel zu schlau und verschlagen, um selbst an dem verabredeten Ort zu erscheinen, schidte einen Vertrauten zur Empfangnahme des Passes; dieser wurde verhaftet und
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Pi ard entkommt abermals... Seine Spur führt nach Aachen , verkleidete Gendarmen verfolgen ihn, doch vergebens.... Seine späteren Schicksale sind attenmäßig nicht festgestellt; bei einem Raube in der Nähe von Arras ist er muthmaßlich ums Leben gekommen....
Die Laufbahn des bereits erwähnten Fezer, der an Kühnheit Picard keineswegs nachstand, war sehr furz, er wurde schon in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre hingerichtet. Den Beinamen Fezer hatte er von seinem wüthenden Dreinschlagen, Zerfeßen, erhalten. Aber trotz seiner rohen Kampfesluft zeigte er Züge von Menschlichkeit. Einst brachte er bei einem nächtlichen Ueberfall zwei junge Knaben, um sie vor Mißhandlungen zu schüßen, in Sicherheit. Bei seinen Genossen stand er in hoher Gunst, Neid und Scheelsucht schwiegen ihm gegenüber. Gefangene Räuber äußerten zu Beamten: Ja dann, wenn Ihr den Fezer habt, dann könnt Ihr ruhig und sicher schlafen."
Sein Witz und seine Laune verließen ihn auch nicht im Gerichtssaale. Zu seinem Vertheidiger sagte er:„ Es muß schlecht um den Patienten stehen, weil der Herr Doktor selbst Angst zu haben scheint."
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Als der öffentliche Ankläger, Keil, in seiner Rede auf einen Fall hinwies, in dem Feßer dreihundert Dukaten gestohlen haben sollte, unterbrach er ihn mit dem Bemerken:„ Das ist nicht wahr."
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Als Keil ihn fragte, weshalb er jetzt in Abrede stelle, was er doch in der Voruntersuchung eingestanden habe, erwiderte Feßer:" Weil es nicht lumpige dreihundert, sondern nennhundert Dukaten waren." Und doch wußte er, daß es sich um seinen Kopf handelte.
Nach Verkündigung des Todesurtheils sprach er mit fester Stimme:„ Ich bin zufrieden."
In der darauffolgenden Nacht war sein Schlaf so fest, als ob ihm die heiterste Zukunft bevorstünde.
In den letzten Stunden seines Lebens aß und trant er mit gutem Appetit, rauchte sein Pfeifchen.
Als man ihm erzählte, daß die Beschreibung seines Lebens im Druck erscheine, zeigte er großes Verlangen zu wissen, was man über ihn geschrieben. Sein Beichtvater, Pater Asterius, las ihm einige Bogen vor. Aufmerksam, mit grenzenlosester Neugierde hörte er zu, lächelte oft und nickte zustimmend.
In der letzten Stunde seines Lebens sagte er zu seinem Seelsorger, der ihn auf den Tod vorbereitete: Wenn ich nur noch einmal frei wäre, um etwas recht Großes stehlen zu können, dann wollte ich gerne sterben."
Als der Pater erstaunt nach dem Grunde dieses sonderbaren Wunsches fragte, erwiderte Jezer:„ Ich würde dann mein armes Töchterchen bei den Ursulinerinnen erziehen lassen."
Auch auf dem Weg zur Nichtstätte blieb er frei von Furcht; er befahl rascher zu fahren, damit es bald vorbei sei".
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Als die Guillotine sichtbar wurde ein Anblick, der die Helden der Revolution ohumächtig hinsinken ließ konnte er lächeln. Er sprang vom Wagen, als ob er in den Ballfaal eile; entkleidete sich rasch, ohne Hülfe. Das Brett, welches das Beil verhüllte, bat er zu beseitigen, damit er das ,, Werkzeug" sehen könne.... Seine letzten Worte waren: Vater, in Deine Hände" das Beil fiel, er hatte seine Missethaten vor der irdischen Gerechtig= keit gefühnt.
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Bemerkenswerth ist, was der öffentliche Ankläger, Keil, dem man sentimentale Regungen nicht zum Vorwurf machen kann, über Feßer sagte:... wäre er als der Sohn eines Mächtigen geboren,