Typen aus dem Räuberleben

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

von der Seine   bis nach Sachsen  , bald setzt er Paris   und Arras  , bald Brüssel und Ant­

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Brillanten, trat er in Neuß   wie ein Grandseigneur auf... Eine Mittelsperson, der er acht Louisdor

gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. werpen, bald Köln  , Ansbach  , Donauwörth   gab, sollte ihm einen Paß in Köln   besorgen lassen.

Von Jak. Lippmann- Mainz  .

III.

Eine jüdische Räuberbande.

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Is gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die französische   Revolution ihren Giganten­leib recte, Throne und Thrönchen in ganz Europa   wanften, Despoten- und Pfaffenwillkür in verzagtem Troy hülf- und rathlos ihre veraltete Institution zusammenbrechen sah, Leben und Eigen­thum der Bürger und Bauern von den kriegführenden Soldatenhorden ständig bedrcht war, da ent­standen in Mitteleuropa   zahlreiche Räuberbanden. Gestörte Erwerbsverhältnisse, unverstandene oder will­fürliche Auslegung des sogenannten Naturrechts" veranlaßten gar Viele, als lezte Zuflucht das Räuber­handwerk zu ergreifen.... Auch jene dunklen Blätter, die von menschlichen Verirrungen erzählen, bestätigen, was die Geschichte auf jeder Seite fündet, daß Nationalität und Religion die Verbrechen weder veranlassen noch sie zu verhüten im Stande find, daß die soziale Lage allein die Mutter von Gut und Böse ist.

In den Aften, welche von jenen zahlreichen Räuberbanden handeln, stößt man nicht selten auf Namen jüdischen Klangs: Mosche Nudel, Izig Kugler, Schön- Mayer Moses  , David Levy und Andere mehr. Doch man darf sich dadurch nicht irreführen lassen; die Räuber, um sich vor den Nach­stellungen der Behörde zu sichern, legten sich häufig Namen jüdischer Hausirer zu, in deren Kostüme sie auch oft das Land durchstreisten.

Bei den Raubzügen der Banden, die unter der Leitung von Schinderhannes  , Streitmatter und Damian Hessel standen, waren Juden nur sehr vereinzelt betheiligt- wenigstens aktiv- die Be­raubten waren sie sehr oft.

Anders lagen die Verhältnisse bei den Banden, die Jakob Picards führte. Der Führer selbst, aus Friesland   stammend, war Jude, und von seinen zweihundertfünf Genossen waren mehr als die Hälfte, hundertundzwölf, Juden, die aber nicht gerade zu den Furchtsamsten gehört zu haben scheinen. In den ,, Kriminalprotokollen und geheimen Notizen des Br. Keil, ehemaligem öffentlichem Au­Kläger im Ruhr- Departement"( Köln   1804) heißt es von Pi ard und seiner Bande: Ihre Pläne find groß, weitausschauend; ihre Räubereien werden nach einer äußerst fünstlich ausgedachten Taktik unab­weichbar ausgeführt; unermeßlich ist die Beute, die fie in dreizehn Jahren davonschleppten( an baarem Geld und Geldeswerth ungefähr dreieinhalb Millionen Francs). Drei Reiche, Deutschland  , Holland   und Frankreich  , bildeten ihren Tummelplay.

Picards äußere Erscheinung verrieth keineswegs sein Gewerbe. Seine geschmeidige Gestalt war immer elegant gekleidet, langes, schwarzes Bart- und Kopf­haar umrahmte das bleiche Gesicht, funkelnde Augen fündeten sein lebhaftes Temperament. Sogar den damals so hell am Räuberhimmel leuchtenden Stern Schinderhannes verdunkelte Pi. ard durch seine Thaten.

Keil sagt darüber:" Wo sich die Schinderhannes­Bande mit der Picardschen zu gemeinsament Raub vereinte, steht der große, berüchtigte, oft besungene Schinderhannes nur als ein subalternes Glied unter dem Kommando Picards, eine Maschine in der Hand des größeren Werfmeisters.... Während Picard, im Beginn seiner Laufbahn, in kurzer Frist die unglaub­liche Summe von zwanzigtausend Louisdor an der Spiße von fünfzig mit Pistolen und Säbeln bewaff= neten Räubern zu Pferd mit Gewalt unter Feuern und Stürmen aus Städtchen und Flecken erbeutete und nachher in Paris   großherrisch verschwelgte, er­scheint sein Gegenbild Schinderhannes   in Gebirg und Wald als ein eben nicht ungewöhnlicher Busch­flepper. Während Schinderhannes sich in dem engen Bezirk von Trier   bis Frankfurt   und Mannheim  herumtreibt, dehnt sich Pizard mit seiner Bande von der Spize Frieslands   bis an Bayerns   Grenze,

in Schrecken."

Die charakteristischen Hauptzüge aller großen Näuber waren auch ihm eigen: List und Ver­schlagenheit gepaart mit Grausamkeit und zügelloser Wildheit, den Weibern und dem Trunk ergeben.

Im Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte Picards Bande in den reichen Jahrhunderts hatte Picards Bande in den reichen Ebenen von Flandern   und Brabant Furcht und Eutsezen verbreitet. Mord, Brand und Raub be­zeichnen ihre Spur. Bevorzugten sie auch die Nacht­zeit Kinder! wenns Mitternacht ist, bin ich König!" soll Picard häufig gesagt haben, so ging es doch keineswegs ruhig her bei ihren Zügen. Unter fortwährendem Schießen und Schreien stürmten sie durch die Straßen, um die Bande zahl= reicher erscheinen zu lassen, als sie war ebenso lärmend verließen sie mit ihrem Raub den Schau plaz der That, erst auf der Landstraße wurden sie ruhig, durfte fein Wort mehr gesprochen werden, um etwaigen Verfolgern nicht ihre Schlupfwinkel zu verrathen.

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In der Gegend von Crefeld   und Neuwied  hausten damals unter Führung des Scheeren­schleifers, Friedrich der Einäugige und Matthias Weber, genannt Fezer, Banden, die sich jedoch nur mit kleineren Diebstählen be­faßten und deshalb in den damals so bewegten Zeilen wenig Aufsehen erregten...... Plötzlich wurden Bevölkerung und Behörden durch Räubereien großen Stils alarmirt. In unmittelbarer Nähe Aachens  waren einem Privatmann sechzigtausend Francs ge= raubt worden; kurz darauf wurde auf der Landstraße ein Postwagen geplündert, wobei die Räuber fünfzig­tausend Francs erbeuteten: Picard hatte Brabant verlassen, seine Bande mit der Crefelder und Neu­ wieder   vereinigt. Jetzt folgte in jenen Gegenden Raub auf Raub. Auch Schinderhannes  , von Pi ards Thaten angelockt, kam mit den Seinen vom Hunsrücken herab. Doch das Näuberbünd­niß war nicht von langer Dauer. Bei einem sehr einträglichen Naube auf das Posthaus zu Würgers an der Limburger Landstraße hatte Schinder­ hannes   sich einen größeren Betrag heimlich bei Seite hannes sich einen größeren Betrag heimlich bei Seite gethan; Picard hatte sich dasselbe erlaubt. Mit­glieder der Bande verriethen diese Eigenmächtigkeiten, die Häupter geriethen in Streit und Schinder­hannes hielt es für empfehlenswerth, wieder rhein­aufwärts zu ziehen, um auf eigene Faust zu ar­beiten.

Kurz darauf gerieth Picard in Gefangenschaft. Bei einem Einbruch in Montabaur   erhielt er einen so heftigen Schlag auf den Kopf, daß er rücklings die Treppe herabstürzte. Da die Bande von Gen­darmen und Bauern verfolgt wurde, konnte sie den Bewußtlosen nicht mitschleppen. Die Gendarmen brachten den Verhafteten nach Köln  . Nachdem er von seiner Verlegung geheilt, wurde Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Anfangs betrieb man die Sache ziemlich lässig, da die Behörde nicht wußte, wen sie vor sich hatte. Doch als durch einen Zufall die Polizei Kenntniß erhielt, welchen Vogel sie im Käfig hatte, wandte sie Alles auf, ihn nicht ent­Er wurde fester gefesselt, schlüpfen zu lassen.

strenger bewacht. Er, der zwanzig Mal aus den sichersten Gefängnissen Deutschlands   und Frankreichs  entflohen war, schien jetzt seinem Schicksale ver­fallen... Als sich seine Versuche, gewaltsam aus­zubrechen, vergeblich erwiesen, wandte er sich an einen Mann des Gesezes". Und da er seine Bitte mit zwölf Louisdor und einer goldenen Uhr unterſtüste es wird in den Berichten nicht gesagt, woher er im Besitz dieser Werthgegenstände war waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt.

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Nachdem er die Freiheit wieder erlangt, ver­suchte er sein Glück im Schwabenlande. Auch dort haben ihm seine Gaunereien goldene Früchte ge= tragen... Doch ob ihm die Behörde zu scharf auf die Finger sah, oder er wieder Sehnsucht nach der Gegend bekam, wo er sein Räuber- Noviziat bestanden hatte, kurz, er erschien wieder am Niederrhein  . Prächtig gekleidet, überladen mit Goldschmuck und

Die Kölner   Polizei, die Kenntniß von der An­wesenheit des berüchtigten Räubers erhalten hatte, fertigt den Paß aus, begleitet aber den Mittels­mann nach Neuß  . Jedoch Picard, viel zu schlau und verschlagen, um selbst an dem verabredeten Ort zu erscheinen, schidte einen Vertrauten zur Empfang­nahme des Passes; dieser wurde verhaftet und

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Pi ard entkommt abermals... Seine Spur führt nach Aachen  , verkleidete Gendarmen verfolgen ihn, doch vergebens.... Seine späteren Schicksale sind attenmäßig nicht festgestellt; bei einem Raube in der Nähe von Arras   ist er muthmaßlich ums Leben gekommen....

Die Laufbahn des bereits erwähnten Fezer, der an Kühnheit Picard keineswegs nachstand, war sehr furz, er wurde schon in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre hingerichtet. Den Beinamen Fezer hatte er von seinem wüthenden Dreinschlagen, Zerfeßen, erhalten. Aber trotz seiner rohen Kampfesluft zeigte er Züge von Menschlichkeit. Einst brachte er bei einem nächtlichen Ueberfall zwei junge Knaben, um sie vor Mißhandlungen zu schüßen, in Sicherheit. Bei seinen Genossen stand er in hoher Gunst, Neid und Scheelsucht schwiegen ihm gegenüber. Gefangene Räuber äußerten zu Beamten: Ja dann, wenn Ihr den Fezer habt, dann könnt Ihr ruhig und sicher schlafen."

Sein Witz und seine Laune verließen ihn auch nicht im Gerichtssaale. Zu seinem Vertheidiger sagte er: Es muß schlecht um den Patienten stehen, weil der Herr Doktor selbst Angst zu haben scheint."

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Als der öffentliche Ankläger, Keil, in seiner Rede auf einen Fall hinwies, in dem Feßer dreihundert Dukaten gestohlen haben sollte, unter­brach er ihn mit dem Bemerken: Das ist nicht wahr."

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Als Keil ihn fragte, weshalb er jetzt in Abrede stelle, was er doch in der Voruntersuchung ein­gestanden habe, erwiderte Feßer:" Weil es nicht lumpige dreihundert, sondern nennhundert Dukaten waren." Und doch wußte er, daß es sich um seinen Kopf handelte.

Nach Verkündigung des Todesurtheils sprach er mit fester Stimme: Ich bin zufrieden."

In der darauffolgenden Nacht war sein Schlaf so fest, als ob ihm die heiterste Zukunft bevorstünde.

In den letzten Stunden seines Lebens und trant er mit gutem Appetit, rauchte sein Pfeifchen.

Als man ihm erzählte, daß die Beschreibung seines Lebens im Druck erscheine, zeigte er großes Verlangen zu wissen, was man über ihn geschrieben. Sein Beichtvater, Pater Asterius, las ihm einige Bogen vor. Aufmerksam, mit grenzenlosester Neu­gierde hörte er zu, lächelte oft und nickte zustimmend.

In der letzten Stunde seines Lebens sagte er zu seinem Seelsorger, der ihn auf den Tod vor­bereitete: Wenn ich nur noch einmal frei wäre, um etwas recht Großes stehlen zu können, dann wollte ich gerne sterben."

Als der Pater erstaunt nach dem Grunde dieses sonderbaren Wunsches fragte, erwiderte Jezer: Ich würde dann mein armes Töchterchen bei den Ursulinerinnen erziehen lassen."

Auch auf dem Weg zur Nichtstätte blieb er frei von Furcht; er befahl rascher zu fahren, damit es bald vorbei sei".

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Als die Guillotine sichtbar wurde ein An­blick, der die Helden der Revolution ohumächtig hin­sinken ließ konnte er lächeln. Er sprang vom Wagen, als ob er in den Ballfaal eile; entkleidete sich rasch, ohne Hülfe. Das Brett, welches das Beil verhüllte, bat er zu beseitigen, damit er das ,, Werkzeug" sehen könne.... Seine letzten Worte waren: Vater, in Deine Hände" das Beil fiel, er hatte seine Missethaten vor der irdischen Gerechtig= keit gefühnt.

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Bemerkenswerth ist, was der öffentliche Ankläger, Keil, dem man sentimentale Regungen nicht zum Vorwurf machen kann, über Feßer sagte:... wäre er als der Sohn eines Mächtigen geboren,